Heiko Fuchs, Eduard DischkeHeiko Fuchs, Eduard Dischke (Bilder: privat)
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Warum brauchen wir eine HOAI-Reform?

buildingSMART-Expertenpanel BIM und Honorierung, Impulsvortrag von Prof. Dr. Heiko Fuchs

Heiko Fuchs, Eduard Dischke

Vortrag auf dem Expertenpanel von buildingSMART Deutschland am 26. September 2022 in Berlin.

Thema: Warum brauchen wir eine HOAI-Reform? Sollten BIM-spezifische Leistungsbilder Teil davon sein?

Referent: Prof. Dr. Heiko Fuchs, Deutscher Baugerichtstag, AK IV – Architektenrecht, Kapellmann und Partner Rechtsanwälte mbB

Co-Moderator: Eduard Dischke, Justiziar des Bau- und Liegenschaftsbetriebs NRW, stellvertretender Vorstandsvorsitzender von buildingSMART Deutschland e.V. und Vorstandsmitglied im BIM-Cluster-NRW e.V.  


Kernthesen von Prof. Dr. Fuchs

  • Die HOAI muss auf der Honorar-, aber insbesondere auf der Leistungsseite modernisiert werden, damit sie auch ihre faktische Funktion als standardisierte Leistungsbeschreibung behält.
  • Die Vorplanung (Leistungsphase 2) sollte wieder auf ihren konzeptionellen Kerngehalt zurückgeführt werden. Eine BIM-Modellierung wirkt sich in dieser Phase eher hindernd aus, wie auch schon die Forderung der aktuellen HOAI nach maßstabsgerechten Zeichnungen.
  • Grundleistungen sind „im Allgemeinen erforderlich“, dies ist BIM (noch lange) nicht.
  • Hindernisse für BIM sind in der Praxis weniger die Leistungsbilder, sondern vielmehr die fehlenden konkretisierten AIA und ein nicht abgestimmter/nicht projektspezifischer BAP.
  • Erhöhter Aufwand durch bestimmte BIM-Anwendungsfälle könnte über Besondere Leistungen oder – soweit mehrere oder alle Leistungsphasen betroffen sind - die Honorarzoneneinordnung abgebildet werden.

In seinen einleitenden Worten betonte Co-Moderator Eduard Dischke, dass BIM erstmals Bauen und IT zusammenbringe. Wenn BIM nun möglicherweise in die HOAI 202X aufgenommen werde, sei das ein gewaltiger Schritt. Dann komme man nicht mehr darum herum, erstmals eine Definition für BIM in ein deutsches Gesetz aufzunehmen.

Überleitend zu Prof. Dr. Fuchs zitierte Eduard Dischke aus der 3. Auflage des Beck’schen HOAI-Kommentars von Fuchs/Berger/Seifert, wonach bei der sogenannten 4D-Gebäudemodelbearbeitung die Gliederung in neun Leistungsphasen nicht mehr in Übereinstimmung zu bringen sei. Des Weiteren könne BIM dazu führen, dass die HOAI praktisch nicht mehr anwendbar sei.

Prof. Dr. Fuchs knüpfte an die Worte von Eduard Dischke an. Er bekannte sich als großer Fan der HOAI, weil er glaubt, dass die Standardisierung der Leistungsbeschreibung von Architekten und Ingenieuren mit der HOAI erheblich vereinfacht wird. Allerdings müsse man rekapitulieren, warum die HOAI 1976 eingeführt wurde. Die HOAI war in erster Linie ein Höchstpreisrecht, um die Baukosten zu deckeln. Damit die Architekten und Ingenieure nicht ausschließlich den Höchstpreis verlangen, wurde durch die Einführung eines Mindestsatzes der Wettbewerb geschaffen. Der Mindestsatz musste so beschaffen sein, dass er die Existenzgrundlage der Architekten nicht berührt. Er war deshalb von Anfang an ein existenzsicherndes Honorar und nicht dafür gedacht, große Gewinne zu erzielen.

Das ist vorbei, seit HOAI 2021 gibt es nur noch eine Preisorientierung. Doch der Zweck der HOAI besteht auch heute noch in erster Linie im Verbraucherschutz. Demzufolge gilt die HOAI mehrheitlich für den Einfamilienhausbau. Dort findet sie hauptsächlich Anwendung, BIM-Projekte stehen nicht in ihrem Fokus.

Diese Tatsachen müsse man sich immer wieder vor Augen führen, vor allem, wenn man fordert, BIM in die Grundleistungen aufzunehmen. Prof. Dr. Fuchs zitierte seinen Mitautor des Beck’schen HOAI-Kommentars, Werner Seifert, der sagte, Grundleistungen seien „Kassenleistungen“. Wer eine privatärztliche Behandlung wünsche, der müsse besondere Leistungen vereinbaren, und die gelten – bezogen auf das Thema HOAI und überspitzt ausgedrückt – vom Einfamilienhaus bis zum Atomkraftwerk.

Gemäß HOAI-Definition sind die Grundleistungen im Allgemeinen erforderlich und (weitestgehend) methodenneutral. Vor allem Letzteres sei eine große Stärke der Grundleistungen. Die Methodenneutralität sei ein hoher Wert, den es zu verteidigen gelte, betonte Prof. Dr. Fuchs. Denn wenn die Funktionen der HOAI 202X als Standardisierung aufrechterhalten werden sollen, bedarf es einer großen Praxisrelevanz und Akzeptanz. Die HOAI 202X wird deshalb keine Revolution, allenfalls eine Evolution.

Im Zusammenhang mit den Grundleistungen stellte Prof. Dr. Fuchs folgende Frage: Warum soll der Bauherr BIM vorgeben, wenn der Gesamtaufwand einer BIM-Planung höher ist als der einer konventionellen Planung? Es müsse, betonte Prof. Dr. Fuchs, noch viel klarer kommuniziert werden, dass der Aufwand des Planers in erster Linie von den Anwendungsfällen abhängt, die der Bauherr definiert. Deswegen ließe sich auch so schwer über BIM in der HOAI diskutieren. Man müsse stattdessen über Anwendungsfälle sprechen. Dann könne man beispielsweise X Prozent der Anwendungsfälle weiterhin über das Grundleistungshonorar abbilden, was keiner großen Änderungen an den Grundleistungen bedürfe, weil sie methodenneutral sind.

In seinen weiteren Ausführungen sprach Prof. Dr. Fuchs über die Leistungsphasen 2 und 3. Er plädierte grundsätzlich dafür, dass sich die BIM-Leistungen an den Zielen der Leistungsphasen orientieren. Leistungsphase 2 muss nach seinen Worten dringend wieder auf konzeptionelles Arbeiten zurückgeführt werden. Wer in der Leistungsphase 2 über digitale Modelle nachdenke, dürfe damit nicht die Kreativität der Planungsbeteiligten beschränken.

Leistungsphase 3 hat zwei elementare Ziele, betonte Prof. Dr. Fuchs: die Herstellung der Genehmigungsfähigkeit der Planung und die Herstellung der Basis für die Kostenberechnung. Kostenberechnung bedeute, alle kostenrelevanten Planungsentscheidungen in Leistungsphase 3 zu treffen, sonst sei keine Kostenberechnung nach DIN 276 möglich. Demzufolge sei die Ausführungsplanung ein rein technischer Schritt, von der fertigen Planung hin zur ausführungsreifen Lösung. Dies müsse man sich immer vergegenwärtigen, wenn man über die Leistungsphasen und die BIM-Anforderungen in diesen Leistungsphasen spreche.

In diesem Zusammenhang warnte Prof. Dr. Fuchs davor, durch das Formulieren von BIM-bezogenen Besonderen Leistungen einen Teil der Grundleistungen in die Besonderen Leistungen zu verschieben. Das würde auf erheblichen politischen Widerstand stoßen.

Abschließend ging Prof. Dr. Fuchs auf die Terminplanung ein. Wenn ein Auftraggeber eine Terminplanung bestelle, sei es ihm egal, ob dabei mit oder ohne BIM gearbeitet werde. Der Architekt schulde ihm eine funktionierende Terminplanung. Wie er sie erstelle, ob er sie zeichne oder aus dem BIM-Modell ableite, interessiere den Bauherrn weniger. Sie müsse nur richtig sein.

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Autor/innen

Heiko Fuchs

Heiko Fuchs

Rechtsanwalt

Rechtsanwalt Prof. Dr. Heiko Fuchs ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, geschäftsführender Partner in der Kanzlei Kapellmann und Partner Rechtsanwälte mbB sowie Honorarprofessor an der Juristischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Prof. Dr. Fuchs kommentiert die Kernvorschriften des Architektenrechts im Leupertz/Preussner/Sienz, BeckOK Bauvertragsrecht. Er ist Schriftleiter der Neuen Zeitschrift für Baurecht und Vergaberecht (NZBau) sowie Mitherausgeber des Fuchs/Berger/Seifert, Beck'scher HOAI- und Architektenrechtskommentar. Prof. Dr. Fuchs ist Leiter des Arbeitskreises IV (Architekten- und Ingenieurrecht) des Deutschen Baugerichtstags. (kapellmann.de)

Eduard Dischke

Eduard Dischke

Rechtsanwalt

Rechtsanwalt Eduard Dischke ist Justiziar des Bau- und Liegenschaftsbetriebs NRW. Seine Tätigkeit umfasst die Vergabe- und Vertragsgestaltung aller Arten von öffentlichen Aufträgen, insbesondere auch Planer- und Bauvergaben. Besondere Schwerpunkte seiner Tätigkeit bilden das private und öffentliche Baurecht, die rechtlichen Aspekte der Bauwerksdatenmodellierung (BIM) sowie die projektbegleitende Streitvermeidung und -schlichtung. Eduard Dischke ist stellvertretender Vorstandsvorsitzender von buildingSMART Deutschland e.V. und Vorstandsmitglied im BIM-Cluster-NRW e.V. (blb.nrw.de)