Thomas Bahnert, André PillingThomas Bahnert, André Pilling (Bilder: privat)
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Wann ist BIM eine besondere Leistung?

buildingSMART-Expertenpanel BIM und Honorierung, Impulsvortrag von Dr.-Ing. Thomas Bahnert

Thomas Bahnert, André Pilling

Vortrag auf dem Expertenpanel von buildingSMART Deutschland am 26. September 2022 in Berlin.

Thema: Wann ist BIM eine besondere Leistung? Bedarf es einer grundlegenden HOAI-Änderung?

Referent: Dr.-Ing. Thomas Bahnert, buildingSMART-Fachgruppe Recht, THOST Projektmanagement GmbH

Co-Moderator: André Pilling, buildingSMART-Zertifizierungsprogramm Professional Certification, POS4 Architekten Generalplaner, DEUBIM, EDUBIM


Kernthesen von Dr. Thomas Bahnert

  • Ausgerichtet an der Umsetzung der BIM-Anwendungsfällen nach BIM-Deutschland des BMDV und BMWSB aus 02/2022 sind die aktuellen Leistungsbilder des Grundleistungskataloges der HOAI unvollständig. Hier bedarf es für die Umsetzung von BIM zusätzlicher Leistungen, die nach aktuellem Preisrecht besondere Leistungen sind.
  • Vorgenannte zusätzliche Leistungen bedingen auch neue Rollen (beispielsweise BIM-Gesamtkoordinator) in der Projektlandschaft.
  • Der Planungsprozess mit BIM ist komplexer und anspruchsvoller als der Planungsprozess der analogen Planung.
  • Unter Berücksichtigung der vorgenannten Sachverhalte ist die aktuelle Vergütung nach HOAI mit Beschränkung auf die Grundleistungen bei einer Planung mit BIM nicht auskömmlich bzw. angemessen.

Zum Thema besondere Leistungen trug Co-Moderator André Pilling zu Beginn ein Beispiel aus dem Planungsalltag vor. Eine Kommune eröffnete ein VgV-Verfahren mit vorgelagertem Planerwettbewerb und BIM-Qualifikation für den Bau einer Gesamtschule. Der Planer errechnete Kosten, die fast 160 Prozent über den Sätzen der HOAI lagen. Er begründete die Kosten mit BIM. Daraufhin überlegte der Projektleiter, das BIM-Projekt abzusagen.

André Pilling, der in das Projekt im BIM-Management involviert war, bat einen Anwalt um fachliche Beratung. Der Anwalt empfahl allen Parteien, sich im Verhandlungsverfahren zu einigen. Es müsse offen besprochen werden, welche Leistungen wirklich gebraucht würden, und diese Leistungen seien dann zu vereinbaren. Daraus zog André Pilling die Schlussfolgerung, dass man auf Auftraggeberseite dringend einen Kosten-/Nutzen-Abgleich durchführen müsse: Welche Leistung bringt für mein Projekt welchen Nutzen? Deshalb freue er sich, dass Dr. Bahnert zu diesem Thema und insbesondere zu den besonderen Leistungen sprechen wird.

Dr. Thomas Bahnert bedankte sich für die Einführung und wies darauf hin, dass seine Ausführungen auf die HOAI 2013 beziehungsweise 2021 referenzierten, da die Leistungsbilder und Honorarwerte der Grundleistungen im Wesentlichen gleichgeblieben sind. Wenn man über Leistungen und Leistungsbewertung nachdenke, müsse man über Anwendungsfälle sprechen. Das heißt, man müsse zuerst die Anwendungsfälle kennen und wissen, worin das Ziel der Planung besteht. Daraus könne man die einzelnen Leistungen ableiten und überlegen, ob diese zum Grundleistungskanon der HOAI gehörten oder zusätzliche Leitungen bedeuten. Dr. Thomas Bahnert wies darauf hin, dass Prof. Reinhold Johrendt, Dr. Dietmar Heinrich und er diese Punkte im Jahr 2020 im Buch „Planungsleistungen und Honorare mit BIM“ (Kohlhammer Verlag, Stuttgart, 2020) zusammentrugen und das Buch im Frühjahr 2023 in einer überarbeiteten zweiten Auflage herausgeben werden.

Bezugnehmend auf die aktuellen Anwendungsfälle nach BIM Deutschland vom Februar 2022 stellte Dr. Thomas Bahnert fest, dass dort 21 BIM-Anwendungsfälle definiert wurden. Bei Betrachtung aller Anwendungsfälle nach BIM Deutschland falle auf, dass diese nicht nur Anwendungsfälle sind, die direkt beim Planer lägen, sondern auch beim Bauherrn und bei der Projektsteuerung. Damit würde das ganze Feld der Projektbeteiligten abgedeckt. Für die Abgrenzung der BIM-relevanten Planungsleistungen gegenüber den HOAI-Grundleistungen müsse man als Erstes differenzieren, welche Leistung beim Planer verbliebe. Bestandserfassung, Modellierung und Bedarfsplanung gehörten beispielsweise nicht zu den wesentlichen Aufgaben der Planer, denn diese Punkte lägen in der Sphäre des Bauherrn. Auch Planfortschrittskontrolle, Qualitätsprüfung, Logistikplanung und Inbetriebnahmemanagement seien keine BIM-relevanten Planungsleistungen nach Leistungsbildern der HOAI, sondern gehörten in die Projektsteuerung.

Anders läge der Fall bei der Bemessung und Nachweisführung. Beide Leistungen seien in der Regel keine Planungsleistungen beim Objektplaner, aber bei der Fachplanung der technischen Ausrüstung oder der Bauphysik. Dies könne dazu führen, dass der Anwendungsfall Bemessung und Nachweisführung den BIM-spezifischen Planungsleistungen der Fachplaner und Beratungsleistungen im Sinne Anlage 1.2 HOAI zuzuordnen ist.

Am Ende verblieben 14 planungsrelevante Anwendungsfälle für das Leistungsbild nach § 34 HOAI. Um diese Anwendungsfälle zu adaptieren, müsse man wissen, welche erforderlichen Planungs- und Koordinationsleistungen im Planungsprozess mit BIM gegeben seien. Weiterhin sei es notwendig, zu wissen, welche Abhängigkeiten zwischen diesen Leistungen untereinander bestünden, wer diese Leistungen im Planungsprozess erbringe und wann diese Leistungen im Planungsprozess erbracht würden.

In seinen weiteren Ausführungen wies Dr. Thomas Bahnert auf den veränderten Aufgabenbereich des Objektplaners hin. Koordinieren müsse der Objektplaner die Planung schon immer, doch jetzt käme das Thema BIM-Gesamtkoordination dazu. Bei Großprojekten übernähme diese Aufgabe nicht mehr derjenige, der auch die Planung erstellt, sondern ein separater Spezialist, gegebenenfalls auch der Projektleiter. Dazu gäbe es noch andere Spezialisten, die wiederum mit der Planung befasst seien, beispielsweise mit der Modellierung des Modells und mit der Attribuierung der Bauteile. Dies sei alles Content des digitalen Modells. An dieser Stelle erfolge deshalb eine Trennung zwischen operativer, koordinierender und steuernder Tätigkeit im Projekt.

Die Frage, was zusätzliche Leistungen seien, verdeutlichte Thomas Bahnert am Thema Common Data Environment (CDE). Ein CDE bedeute einen Aufwand, der durch Datenerfassung, Datenimplementierung, Qualitätsmanagement, Gesamtkoordination von BIM und Implementierung der Daten ins Fachmodell verursacht werde. Die Vernetzung von Daten in der CDE kann bis auf Bauteilebene erfolgen, wo bestimmte Bauteile mit PDF-Dateien oder anderen Daten innerhalb des CDE verbunden werden müssen. Wenn sich hier eine Lücke bei den Grundleistungen auftat, haben Dr. Thomas Bahnert, Prof. Reinhold Johrendt und Dr. Dietmar Heinrich die Lücke in ihren Leistungsbildern im Buch „Planungsleistungen und Honorare mit BIM“ mit „besonderen Leistungen“ im Sinne der HOAI gefüllt.

Als Resultat der Prozessbetrachtung betonte Dr. Thomas Bahnert, dass Erstens das Prozessleitbild bei der Realisierung von BIM einen komplexeren Prozess zeige als bei einer herkömmlichen Planungsmethodik.

Zweitens seien durch den Architekten zusätzliche Planungs-, Koordinierungs- und Beratungsleistungen zu erbringen. Sie können zwölf konkreten, besonderen BIM-spezifischen Leistungen zugeordnet werden. Diese zwölf Leistungen bezögen sich wiederum auf die vorgenannten 14 Anwendungsfälle. Das bedeute in erster Konsequenz ein Mehrhonorar bei der Umsetzung der 14 Anwendungsfälle gegenüber dem HOAI-Grundhonorar. Dieses Mehrhonorar reduziere sich allerdings, wenn Anwendungsfälle herausgenommen werden. Umgekehrt steige der Honoraranteil, wenn weitere Anwendungsfälle mit neuen BIM-spezifischen Leistungen hinzukämen.

Unter Berücksichtigung der Honorarermittlungsmethodik der HOAI und des komplexeren Planungsprozesses mit BIM seien drittens die vom Architekten zu erbringenden Leistungen nicht bei einem durchschnittlichen, sondern bei einem überdurchschnittlichen Schwierigkeitsgrad beziehungsweise bei einem Schwierigkeitsgrad mit hohen Anforderungen an die Planung nach § 35 HOAI einzuordnen. Das Honorar sei daher adaptiv mit einem Ergänzungshonorar auszustatten, weil es sich um eine überdurchschnittliche Anforderung handle. Zwischen den Honorarzonen 3 und 4 nach § 35 HOAI liege ein Delta von 24,75 Prozent. Diese 24,75 Prozent teilten Dr. Thomas Bahnert, Prof Reinhold Johrendt und Dr. Dietmar Heinrich in ihrem Honorierungsvorschlag auf die BIM-spezifischen besonderen Leistungen und die HOAI-Leistungsphasen auf.

Aus den vorgetragenen Überlegungen ließe sich auch die Erkenntnis gewinnen, dass momentan keine Grundleistung nach HOAI, Anlage 10, wegfallen könne. Wenn zurzeit in BIM geplant werde, würden alle Grundleistungen aus Anlage 10 für BIM und die Umsetzung der vorgenannten 14 Anwendungsfälle benötigt. Hinzu kämen jedoch neue besondere Leistungen, beispielsweise Würdigung der AIA, Erstellung des BAP, Beratung und Aufsetzen der CDE oder die 3D-Planung. Diese Leistungen nannte Dr. Thomas Bahnert Regelleistungen, die in jedem BIM-Projekt notwendig werden. Bei BIM setzten sich diese Regelleistungen aus den Grundleistungen nach HOAI und den genannten BIM-spezifischen besonderen Leistungen zusammen.

In seinem Fazit betonte Dr. Thomas Bahnert, dass die aktuellen Leistungsbilder mit dem einhergehenden Grundleistungskatalog der HOAI unvollständig seien, wenn man sie auf BIM und die Umsetzung der 14 Anwendungsfälle nach BIM Deutschland abstelle. Hier bedürfe es zusätzlicher Leistungen, die im aktuellen Preisrecht besondere Leistungen seien. Bezogen auf die Regelleistungen sei die aktuelle Vergütung nach den Grundleistungen der HOAI bei einer BIM-Planung nicht angemessen. Insofern laute die Antwort auf die Fragestellung im Vortragstitel, ob es einer grundlegenden HOAI-Änderung für BIM bedürfe: Ja.

Weitere Vorträge

Autor/innen

Dr.-Ing. Architekt Thomas Bahnert

Thomas Bahnert

Teamleiter, THOST Projektmanagement

Dipl.-Ing.(FH) Thomas Bahnert ist Teamleiter und Senior Experte für Honorarverträge bei THOST Projektmanagement. Sein Tätigkeitsschwerpunkt liegt dabei im Contract and Claims Management sowie beim Krisenmanagement gestörter Bauprojekte. Als Honorarsachverständiger für Gebäude und Innenräume ist er in diesem Tätigkeitsumfeld auch privatgutachterlich tätig. Dem voraus geht eine über 17-jährige Berufserfahrung als Planer, Objektüberwacher und Projektsteuerer in verschiedenen Planungs- und Ingenieurbüros. (thost.de)

André Pilling

André Pilling

Geschäftsführender Gesellschafter, POS4

Dipl.-Ing. André Pilling absolvierte ein Bauingenieurstudium an der RWTH Aachen. Seit 2000 praktiziert er in seiner Planungsgesellschaft POS4 Architekten Generalplaner. Die von André Pilling 2014 gegründete DEUBIM ist ein unabhängiges Beratungsunternehmen mit Spezialisierung auf die digitale Transformation der Bau- und Immobilienwirtschaft. 2018 wurde der Unternehmensverbund um die EDUBIM-Produkte ergänzt, die Schulungskonzepte und Lernarchitekturen mit dem Fokus auf BIM anbieten. André Pilling ist stellvertretender Sprecher des Präsidiums von buildingSMART Deutschland, Gremiumsmitglied des VDI Arbeitskreises 2552 Blatt 6: „BIM und FM“, des bS/VDI 2552 Blatt 8: „BIM-Qualifizierung“ und der VDI Blatt 10: „Auftraggeber-Informationsanforderung und BIM-Abwicklungsplan“. (pos4.de)