LP 0 und die Verschiebung der Honoraranteile bei BIM
buildingSMART-Expertenpanel BIM und Honorierung, Impulsvortrag von Prof. Hans-Joachim Bargstädt
Vortrag auf dem Expertenpanel von buildingSMART Deutschland am 26. September 2022 in Berlin.
Thema: Die LP 0 und die Verschiebung der Honoraranteile bei Anwendung der BIM-Methode im Planungsprozess
Referent: Prof. Dr.-Ing. Hans-Joachim Bargstädt, Bauhaus-Universität Weimar – Baubetrieb und Bauverfahren
Co-Moderator: Dr.-Ing. Thomas Liebich, Mitglied des Vorstands von buildingSMART Deutschland, Geschäftsführender Gesellschafter der AEC3 Deutschland GmbH
Kernthesen von Prof. Hans-Joachim Bargstädt
Wesentliche Weichenstellungen zum Planungs- und Bauprozess:
- Unternehmereinsatzform (Einzel-, Teilpaket-, Komplettvergabe)
- Vertragsformen (VOB, BGB, Allianz- und Partnerschaftsmodelle)
- Arbeits(kooperations)methoden, Projektorganisation, Datenaustausch
- Gemeinsame Nutzung einer Datengrundlage (Hard-, Software, BIM-Modell, Modellstruktur)
- Nutzungsrecht an projektbezogen generierten Daten für alle Projektbeteiligten
- Organisieren einer Projektamnesie (u. a. abgelegte Alternativen)
In seiner Einführung sprach Thomas Liebich davon, dass auf Grund fehlender Erfahrung BIM-Projekte heute umfangreicher und besser vorbereitet werden müssen als konventionelle Projekte. Hierbei spiele die berühmte Leistungsphase 0 eine besondere Rolle. Dabei ging er nicht von generellen Mehrkosten aus, wohl aber von einer zeitlichen Verschiebung zwischen den Leistungsphasen und von der Notwendigkeit, den Aufwand bei besonderen Anwendungsfällen genauer zu kalkulieren.
Hans-Joachim Bargstädt ging zu Beginn seiner Ausführungen auf die Frage der Aufwandskalkulation in der Planungsbranche ein. Er wies darauf hin, dass man Marktpreise und die dahinterstehenden Leistungen auseinanderhalten müsse. Jeder würde scheitern, wenn er versuche, eine beschriebene Planungsleistung nur über die Preise zu begründen. Es sei notwendig, zu erlernen, den Aufwand für eine Planungsleistung zutreffend zu kalkulieren. Das Preisniveau würde der Markt schon richten.
Man müsse auch lernen, mit dem eigenen Vertragspreis zu arbeiten. Es sei beispielsweise nicht automatisch vertraglich geschuldet, einen Terminplan zweimal oder dreimal zu erstellen oder zu überarbeiten. Diese Denkweise stelle einen Paradigmenwechsel dar. Bisher würde kaum jemand hinterfragen, ob der Aufwand nach HOAI tatsächlich das abbilde, was der Planer leisten müsse.
Ein anderer Punkt beträfe die Rolle des Architekten. Bisher verstünde er sich als Orchesterchef. Es sei zu fragen, ob das beim Thema Frontloading noch zuträfe. Hans-Joachim Bargstädt sieht hier eher den Projektmanager, dem als rechte Hand des Bauherrn eine zunehmend wichtige Rolle zukäme. In vielen Fällen würde er und nicht mehr der Architekt Aufgaben wie Vergabestrukturen, Ordnungsstrukturen im Bauprojekt, Projektstrukturplan, Kommunikationskonzepte und Dokumentationszentrale übernehmen.
Vieles von dem, was heute verlangt wird, könnte einige Entwurfsplaner überfordern, die auf der Hochschule gelernt haben, zu entwerfen und zu planen. Zu diesen Überforderungen würden Unternehmereinsatzmodelle, Einzel-, Teilpaket- und Komplettvergaben, VOB oder BGB-Vertragsformen sowie Allianz- und Partnerschaftsmodelle gehören. Dazu kämen Hardware, Software, BIM-Modelle, AIA, Kooperationsmethoden, Arbeitsmethoden, Projektorganisation, Datenaustausch, gemeinsame Nutzung der Datengrundlage und Nutzungsrechte an projektbezogen generierten Daten.
Als Beispiel für Letzteres schilderte Hans-Joachim Bargstädt seine Erfahrungen mit einem Pilotprojekt der Bauindustrie. Für das Pilotprojekt wollte sich der Bauherr die Nutzung der Daten für das Gebäude, das er kauft, vertraglich zusichern lassen. Alle angefragten Objekte in staatlichem Besitz lehnten die Datennutzung ab. Auch die am Pilotprojekt beteiligte Hochschule durfte die Gebäudedaten nicht nutzen. Dies sei kein Zustand, betonte Hans-Joachim Bargstädt, wenn die Bauherren sich nicht die Nutzung der Daten für spätere Phasen wie Betrieb oder Umbauvarianten zusichern lassen. Auch die Frage der Projektamnesie müsse geklärt werden. Welche Daten sind notwendig, welche können vernachlässigt, welche dauerhaft gelöscht werden?
Mit diesen Themen verbunden sei der gestiegene Stellenwert der Leistungsphase 1. Man müsse außerdem überlegen, welches BIM-Modell man in Leistungsphase 2, 3, 5 oder 8 benötige. Das Modell würde oft mehrmals neu mit anderen BIM-Objekten gebaut. Weil sich daran nichts ändern ließe, müsse man wissen, dass verschiedene Modelle notwendig seien.
Hans-Joachim Bargstädt führte weiter aus, dass er die Leistungsphasen 0 bis 9 als Strukturvorschlag betrachte. Auf dem freien Markt müssten die Leistungsphasen gegebenenfalls neu gedacht werden. Im Ausland gäbe es beispielsweise ganz andere Leistungsphasen. In Deutschland diene die HOAI mit den Leistungsphasen seit Jahrzehnten als gewohnte Checkliste. Man müsse sich aber immer fragen, welcher Punkt auf der Checkliste fehle.
Die Bedeutung der HOAI als Verbraucherschutz sah Hans-Joachim Bargstädt mit Skepsis. Er glaubt nicht, dass es Aufgabe der HOAI sei, kleine Bauämter ohne Fachkompetenz zu schützen. In der dezentralen Struktur des deutschen Föderalismus könnten dazu für kleine Bauämter professionelle Stabsstellen auf Länderebene eingerichtet werden.
Zum Thema Mehraufwand verwies Hans-Joachim Bargstädt darauf, dass eine modern organisierte Bürotätigkeit trotz steigender Komplexität und einer höheren Zahl einbezogener Fachplaner zu Minderaufwand führe. Zwar gäbe es Kosten für die Software und die Einarbeitung in BIM, doch das sei nicht Sache der HOAI, sondern der Marktentwicklung.
In seiner weiteren Ausführung betonte Hans-Joachim Bargstädt die Bedeutung des Know-how. Das projektbezogene Know-how eines Planers rechtfertige eine höhere Vergütung. Diese Vergütung stecke aber nicht in den HOAI-Sätzen, sie werde am Markt erzielt. Die HOAI ginge dagegen von der Auskömmlichkeit des Honorars aus, als wäre der Aufwand in jedem Büro gleich.
Weiterhin unterstrich er die Wichtigkeit von Anfangsentscheidungen in der Projektorganisation. Diese seien so folgenschwer, dass damit eine höhere Arbeitsintensität in den Leistungsphasen 0 und 1 einherginge.
Abschließend ging Hans-Joachim Bargstädt auf die verfügbare Software ein. Die gängigen BIM-Softwaresysteme unterstützten vorzugsweise ein Fertigprodukt. In Leistungsphase 2 würde aber beispielsweise nur ein einfaches BIM-Modell mit einigen Massen benötigt. Dafür gäbe es keine Software, weil die Softwareindustrie fertige 3D-Modelle mit den richtigen Texturen und Farben bevorzugt. Dabei wäre es sinnvoller, wenn der Entwurfsarchitekt als Koordinator Grundmodelle vorlegen würde, die mit weniger Aufwand durch weitere Fachplaner nutzbar seien. Geeignete Grundmodelle könnten auch für Varianten genutzt oder für Alternativen vorgehalten werden. Insofern sei das Frontloading durchaus sinnvoll.