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Nachdem es in Teil 3 der Artikelserie um den Sinn und Zweck der Attribuierung in BIM-Modellen ging, bearbeiten Martin Vielhauer, Andreas Mühlbacher und Erik Mai in dem vorliegenden Text die Themen Auftraggeber-Informationsanforderungen (AIA) und BIM-Abwicklungsplan (BAP). Sie zeigen, wo Schnittmengen liegen, welche Normen und Richtlinien und die Attribuierung relevant sind und liefern ein Praxisbeispiel für das Gewerk Sanitär. 

Wo ist die Schnittmenge mit AIA und BAP?

In der Praxis erleben viele Projektbeteiligte, Planer und Ausführende, die "AIA" und den "BAP" als "BIM-Lastenheft" zwar einerseits als sehr umfangreich und detailliert. Andererseits bleibt dennoch oft unklar, was denn wirklich das angestrebte Ziel eines BIM-Modells ist. Es fehlt oftmals der Orientierung spendende "Nordstern" einer objektiven Zieldefinition. Denn oftmals beschreiben AIA und BAP zwar die Rahmenbedingungen, nicht jedoch die fachlich-inhaltliche Tiefe der Attribuierung im Sinne eines Anwendungsfalls.

  • Die AIA (Auftraggeber-Informationsanforderung) definiert, welche Ergebnisse wann und in welcher Form geliefert werden sollen – also das "Was" und "Wann", weniger das "wie detailliert".
  • Der BAP (BIM-Abwicklungsplan) beschreibt, wie die Umsetzung erfolgt – also Rollen, Software, Austauschformate etc.

Beide Dokumente sind wichtige organisatorische Rahmengeber, ersetzen jedoch nicht die Definition konkreter Anwendungsfälle. Vielmehr sind sie ohne ausreichende Festlegung der Anwendungsfälle oftmals überfrachtet ("eierlegende Wollmilchsau") oder praxisfern. Dies liegt regelmäßig daran, dass zu Beginn der Planung neben der inhaltlichen Unschärfe ("was genau will der Nutzer?") auch die Festlegung zur Nutzung der Planungswerkzeuge (wie BIM) noch nicht ausreichend definiert ist. Abhilfe kann eine Erweiterung der vor dem Beginn der eigentlichen Planungsphase erforderlichen Bedarfsplanung auch auf die Inhalte der Planungswerkzeuge schaffen.

 Deshalb: IDS, MVD und AWF sind keine Konkurrenz zur AIA/BAP, sie sind die notwendige fachliche Vertiefung. In der idealen Welt ergibt sich die AIA aus den gewünschten Anwendungsfällen, nicht umgekehrt.

Relevante Normen und Richtlinien für die Attribuierung

Bevor wir ein konkretes Beispiel durchspielen, lohnt sich ein Blick auf die normativen und methodischen Grundlagen, die bei der Attribuierung von BIM-Modellen (insbesondere in der TGA) eine Rolle spielen. Denn auch wenn BIM-Prozesse oft projektindividuell aufgesetzt werden, existieren zahlreiche Regelwerke, die Orientierung bieten.

  • Die DIN EN ISO 19650 "Organisation und Digitalisierung von Informationen zu Bauwerken und Ingenieurleistungen, einschließlich Bauwerksinformationsmodellierung (BIM) – Informationsmanagement mit BIM" (Teile 1–5) bildet das Rückgrat für die Verarbeitung von Informationen im BIM-Prozess. Sie definiert strukturelle Anforderungen an die Informationslieferung und fördert das Prinzip "Informationen nur, wenn erforderlich".
  • VDI/bS 2552 Blatt 11 "Building Information Modeling - Informationsaustauschanforderungen zu BIM-Anwendungsfällen" beschreibt Anforderungen an digitale Bauwerksmodelle und gibt Hinweise zur Modellierungstiefe, Attributpflege und Rollenverantwortung. Sie ist besonders praxisnah und konkret ausgerichtet.
  • buildingSMART IDS & MVD Spezifikation: der aktuelle OpenBIM-Standard für die technische Umsetzung von Attributvorgaben. IDS erlaubt es, Attributforderungen pro Objektklasse maschinenlesbar einerseits zu definieren und andererseits zu prüfen. Weitere Informationen sind auf der Website des buildingSmart Deutschland zu finden.
  • COBie (Construction-Operations Building Information Exchange): wird in vielen FM-Projekten genutzt und stellt ein stark strukturiertes Format für Übergabeinformationen dar. Üblicherweise werden dabei "Teilmengen" des Gebäudemodells, inklusive beispielhafter Attribute wie Wartungsintervall, Hersteller, Seriennummer etc. an das FM-Modell übergeben. Zum Gebäudebetrieb werden normalerweise weitere Informationen ergänzt und mittels COBie ausgetauscht.
  • DIN 276 & STLB-Bau: liefern das Gerüst für Kosten- und Leistungsverzeichnisse – ihre Klassifizierungen können in BIM-Modellen als Attribute genutzt werden, um beispielsweise automatisierte Mengenauszüge zu erzeugen.
  • IFC (ISO 16739): Als internationaler, offener Austauschstandard beinhaltet IFC (Industry Foundation Classes) bereits viele vordefinierte PropertySets. Damit eine gewisse Projekt-Kompatibilität und Weiternutzbarkeit vorhandener "PSets" sichergestellt ist, sollten diese idealerweise genutzt (und nicht redundant ergänzt) werden.

Diese Regelwerke definieren nicht nur das "Wie", sondern auch das "Wozu". Sie helfen darüber hinaus dabei zu unterscheiden, welche Attributtiefe für welchen Zweck angemessen ist. Wer sich bei der Attribuierung an diesen Normen orientiert, erhöht nicht nur die rechtliche und technische Sicherheit, sondern vor allem die Wiederverwendbarkeit und Maschinenlesbarkeit seiner Daten.

Praxisbeispiel: Mengenermittlung für die Kostenberechnung (Gewerk Sanitär)

Stellen wir uns folgenden Fall vor: Ein Sanitärplaner soll eine Kostenberechnung auf Basis der DIN 276 erstellen. Der Anwendungsfall lässt sich also wie folgt beschreiben: "Mengenermittlung KG 410 auf Basis des Modells." 

Daraus ergibt sich:

  • Jedes in der Mengenermittlung betroffene Sanitär-Bauteil muss einer Kostengruppe (z. B. 411.1 "Rohrleitungen") zugeordnet sein.
  • Die Dimension, das Material, die Länge und ggf. der Verlegeort sind zu hinterlegen.

Dabei genügt es, die Werte in Eigenschaftssätzen auf Bauteilebene zu speichern, die Geometrie kann vereinfacht sein. Ein möglicher IDS-Ausschnitt dazu könnte lauten:

  • IfcPipeSegment muss NominalDiameter, Material, SystemClassification, DIN276_KG enthalten.
  • DIN276_KG muss einem gültigen Code aus der Kostengruppe 410 entsprechen (z. B. 411.1).
  • Optional: Verlegeart und Dämmstandard für ggf. weitere spätere Datenverwendungen hinterlegen.

Die korrespondierende MVD (Model View Definition) filtert beim Export z. B. alle Objekte der Klasse IfcPipeSegment und stellt nur die genannten Attribute bereit. Im Ergebnis beobachten wir hier eine Planungsmethode, die dem Auftraggeber und dem Kostenplaner belastbare Massenermittlungen zur Verfügung stellt, ohne dass dabei unnötig große Datenmengen das Modell aufblähen. Gleichzeitig kann mit IDS geprüft werden, ob alle betroffenen Objekte vollständig sind, also beispielsweise "Modell mit Inhalt" statt "Modell mit Geometrie".

Fazit

Die Qualität eines BIM-Modells misst sich nicht an der Datenmenge, sondern an der Zielgenauigkeit der bereitgestellten Informationen. Diese Zielgenauigkeit entsteht durch die strukturierte Ableitung von Attributen aus konkreten Anwendungsfällen und nicht aus allgemeinen "Modellstandards".

Dabei helfen etablierte Normen, Richtlinien und Datenstandards wie IFC, DIN EN ISO 19650 oder VDI 2552 ebenso wie neuere Formate wie IDS. Sie bilden das methodische Fundament für die gezielte und überprüfbare Informationsbereitstellung und sollten in keinem AIA, BAP oder Modellierungsleitfaden fehlen.

Autor/innen

Martin Vielhauer

Martin Vielhauer

Prof. Dipl.-Ing. Dipl. Wirtsch.-Ing. Martin Vielhauer ist Honorarsachverständiger für Technische Ausrüstung und lehrt an der Hochschule München im Fachbereich Energie- und Gebäudetechnik. Er ist zudem Geschäftsführer der TEG-SV GmbH, welche sich auf TA-Leistungsbewertung, als auch auf Honorar- und technisches Vertragsmanagement spezialisiert hat. Des Weiteren arbeitet Martin Vielhauer als Mediator bei Baukonflikten.  

Andreas Mühlbacher

Andreas Mühlbacher

Dipl.-Ing. Andreas Mühlbacher ist Wirtschaftsmediator, Lehrbeauftragter an der Hochschule München und Geschäftsführer der ITA engineering GmbH. Als Streitlöser und Leiter der Regionalgruppe München der DGA-Bau hat er sich auf den Bereich von Planungs- und Bauablaufstörungen und deren Beseitigung spezialisiert.

Erik Mai

Erik Mai

B. Ing. Erik Mai ist Gruppenleiter der Abteilung Gebäudeautomation sowie Projektleiter in Projekten mit haustechnischen Schwerpunkten. Er ist spezialisiert auf Planung, Beratung, Objektüberwachung sowie Kostenermittlung und Kostenbewertung bei allen Themen rund um Gebäudeautomation, darüber hinaus berät Herr Mai Kunden und bewertet Objekte in Bezug auf das neue Gebäudeenergiegesetz. Einen Lehrauftrag hat Herr Mai an der Hochschule München für das Fach Gebäudeautomation.