
BIM-Praxis: TGA (Teil 3)
In den bisherigen Artikeln unserer Serie "BIM-Praxis TGA" haben wir uns mit den Grundlagen von BIM in der Technischen Gebäudeausrüstung (TGA) befasst und dabei sowohl die unterschiedlichen Perspektiven der Projektbeteiligten als auch die Chancen und Herausforderungen bei der Umsetzung beleuchtet. Eines wurde dabei besonders deutlich: BIM entfaltet seinen Nutzen nicht durch das bloße Vorhandensein eines 3D-Modells, sondern durch die gezielte Bereitstellung relevanter Informationen. Die Basis hierfür bildet unter anderem eine sinnvolle Attribuierung.Doch was genau macht eine Attribuierung sinnvoll?
In den folgenden Teilen möchten wir darauf praxisorientierte Antworten geben. Dabei schlagen wir eine Brücke zwischen grundlegender BIM-Logik und fortgeschrittener, projektbasierter Methodik. Im Zentrum steht der Begriff des Anwendungsfalls (engl. Use Case). Denn: Welche Attribute ein Modell haben muss, hängt direkt davon ab, wozu es genutzt werden soll.
Diese einfache Wahrheit führt uns in eine Denkweise, die viele gängige BIM-Prozesse auf den Kopf stellt. Statt von einem vollständigen Modell mit maximaler Tiefe und Breite auszugehen, stellen wir die Frage: Was muss in einem Modell enthalten sein und was darf weg? Die Antwort darauf ist meistens weniger technischer, sondern eher strategischer Natur. In jedem Fall hat sie unmittelbare Konsequenzen für die tägliche Planungs- und Projektarbeit in der TGA.
Welchen Zweck erfüllt die Attribuierung?
BIM-Modelle sind weit mehr als digitale Zwillinge in 3D. Sie sind Träger strukturierter Informationen, den sogenannten Attributen, die Maschinen und Menschen in der Planung, Ausführung, Nutzung und im Betrieb unterstützen sollen. Die Qualität eines Modells kann nur so gut sein wie die Qualität der zugrundeliegenden Daten, mit welchen es befüllt wird.
Befasst man sich näher mit dem Thema, so wird schnell klar, dass die Zuweisung aller möglichen und verfügbaren Eigenschaften zu jedem im Modell eingesetzten Bauteil sinnvoll ist. Eine pauschale "Maximalattribuierung" ist weder effizient noch hilfreich. Vielmehr erzeugt sie Pflegeaufwand, Übertragungsfehler, Verständnislücken und letztlich wird ein überfrachtetes Modell auch irgendwann unübersichtlich und qualitativ nicht besser.
Sinnvoll bedeutet also vielmehr die Umsetzung einer zielgerichteten Attribuierung. Das bedeutet, nur die Informationen zu erfassen, die für definierte Anwendungsfälle gebraucht werden.
Diese Denkweise basiert auf einem grundsätzlichen Paradigmenwechsel: weg vom vollständigen Datencontainer, hin zur informationsspezifischen Funktionsbeschreibung – dem sogenannten „Anwendungsfall“ oder auch „AWF“.
Der Anwendungsfall als Startpunkt: Ein Denkmodell
Ein Anwendungsfall beschreibt eine konkrete geplante Nutzung eines BIM-Modells oder seiner Teilausschnitte zu einem speziellen Zweck. Dabei kann es sich um eine einfache Mengenermittlung handeln, eine Kollisionsprüfung oder um eine Übergabe an ein CAFM-System. Jeder dieser Fälle erfordert unterschiedliche Informationen – und damit unterschiedliche Attribute.
Beispiele:
- Für eine Kostenberechnung reicht es in den allermeisten Fällen (weitergehende vertragliche Verpflichtungen können natürlich darüber hinausgehen) beispielsweise die Länge, Dimension und das Material von Rohrleitungen oder die Art des Bauteils zu kennen.
- Für eine Kollisionsprüfung sind exakte Geometrie, Höhenlage und technische Einbauparameter relevant.
- Für ein Facility-Management-System sollten üblicherweise Wartungszyklen, Serien-, Bauteilnummern und Raumbindung verfügbar sein.
Ein und dasselbe Objekt (z. B. ein Volumenstromregler) kann also je nach Anwendungsfall völlig unterschiedlich beschrieben werden, oder sogar völlig irrelevant sein.
Bausteine für eine sinnvolle Attribuierung
Ausgehend vom Anwendungsfall (das „Was und Warum“) ist es sinnvoll, weitere Bausteine und Begriffe in den Kontext der Attribuierung einzuführen. So müssen zur Zielerreichung auch das „Wann“, „Wie“ und „Durch wen“ geregelt werden. Hier bedienen wir uns der im Folgenden näher beschriebenen, im BIM-Standardisierungskontext bereits etablierten Begriffe:
- AWF (Anwendungsfallbeschreibung) legt fest, wofür ein Modell genutzt werden soll.
- IDS (Information Delivery Specification) legt fest, welche Informationen (z. B. Attribute) in welcher Form im Modell vorhanden sein müssen, um den Anwendungsfall sicher umsetzen zu können.
- MVD (Model View Definition) sorgt technisch dafür, dass nur relevante Teile des Modells z. B. für einen Export berücksichtigt und übergeben werden.
- LOD (Level of Detail) ist ein Sammelbegriff und steht für den Gesamt-Detaillierungsgrad eines Modells. Er setzt sich zusammen aus:
- LOG (Level of Geometry): Das ist die Genauigkeit der Geometrie – z. B. ob ein Bauteil nur als einfacher Klotz oder mit allen Anschlüssen und Ecken gezeichnet ist.
- LOI (Level of Information): Das sind die zugehörigen Daten – z. B. der Hersteller, die Seriennummer oder die Wartungsintervalle.
LOD-Stufen (z. B. LOD 200 oder LOD 400) sind also eine Kombination aus Geometrie und Information. Sie helfen dabei, verständlich zu machen, wie weit ein Modell „ausgebaut“ ist.
Kurz zusammengefasst: LOD/LOG/LOI helfen, den Modellinhalt zu beschreiben. AWF/IDS/MVD helfen, den Modellzweck zu erreichen. Beide Seiten gehören zusammen – die eine sagt was drin ist, die andere wofür es gebraucht wird.