
„Wir sehen großes Potenzial in BIM, um unsere Bauprojekte effizienter, nachhaltiger und transparenter zu gestalten"
Interview mit Ramona Schumann, Bürgermeisterin in Pattensen
Ramona Schumann ist seit 2014 Bürgermeisterin der niedersächsischen Stadt Pattensen, einer Stadt in der Region Hannover mit rund 15.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Für die September-Ausgabe unseres politischen Newsletters „Das Berlin Briefing“, den politischen Newsletter von buildingSMART Deutschland, haben wir Ramona Schumann zum Stand und zu den Herausforderungen bei der Einführung der digitalen Bau- und Planungsmethode Building Information Modeling (BIM) befragt.
Frau Schumann, Sie sind seit 2014 Bürgermeisterin der Stadt Pattensen. Wann haben Sie das erste Mal von BIM gehört?
Mit BIM bin ich zum ersten Mal in Berührung gekommen, als ich vor einigen Jahren bei einer Digitalisierungskonferenz an einem Workshop für kommunale Bauprojekte teilgenommen habe. Die Vorstellung, Bauprojekte so detailliert und transparent zu planen und zu verwalten, hat mich sofort fasziniert. Besonders angesichts der komplexen Anforderungen an kommunale Baumaßnahmen, wie die Sanierung unserer Schulen oder der Gestaltung unserer öffentlichen Räume, erscheint BIM als ein vielversprechendes Werkzeug.
Anfang Juni 2024 nahmen Sie an unserem buildingSMART-Sommerempfang in Hannover teil. Dort wurde deutlich, dass es bereits viele vielversprechende Ansätze für die Digitalisierung der Bauwirtschaft und Verwaltungen gibt. Nur an der Umsetzung hapert es häufig noch. Wie ist diesbezüglich der aktuelle Stand in der Verwaltung von Pattensen?
In Pattensen sind wir uns bewusst, dass die Digitalisierung ein wichtiger Schlüssel zur Zukunft ist. Allerdings stehen wir, wie viele andere Kommunen, vor der Herausforderung, die vorhandenen Ressourcen optimal einzusetzen. Bisher haben wir noch kein BIM-System implementiert. Jedoch haben wir erste Schritte unternommen, um unsere Bauprozesse zu digitalisieren, beispielsweise durch die Einführung digitaler Pläne.
Wir sehen großes Potenzial in BIM, um unsere Bauprojekte effizienter, nachhaltiger und transparenter zu gestalten und auch Lebenszyklen besser abbilden zu können.
Das wiederum birgt die Chance, Sanierungen, Verbesserungen und Anpassungen unserer Infrastruktur besser zu planen und dadurch nachhaltiger zu wirtschaften. Wir haben uns auf den Weg zu einer nachhaltigen Kommune gemacht, das heißt, Lebenszyklusmodelle und alternative Bauweisen haben für uns eine hohe Praxisrelevanz. Mit der BIM-Methode sehe ich vor allem die Chance, die vielen verschiedenen Standards an Bau- und Gebäudetypen, die eine Kommune unterhalten muss, ganzheitlicher zu verwalten und dadurch im Bedarfsfall wirtschaftlicher zu kalkulieren und zu arbeiten.
Gibt es Pilotprojekte Ihrer Gemeinde oder von privaten Bauherren?
Konkrete Pilotprojekte mit BIM gibt es in Pattensen noch nicht. Allerdings suche ich den Austausch mit anderen Kommunen und Unternehmen, die bereits Erfahrungen mit BIM gesammelt haben. Ich verfolge diese Entwicklungen sehr aufmerksam und werbe derzeit dafür, dass wir BIM in unsere aktuellen Prozesse integrieren.
Welche Chancen und Herausforderungen sehen Sie für die Stadtverwaltung bei der Einführung der BIM-Methode speziell für eine eher kleine Kommune?
Für eine kleine Kommune wie Pattensen bietet BIM Vorteile, zum Beispiel im Bereich der Nachhaltigkeit. Wir können Bauprojekte durch detaillierte Planungen und Simulationen nachhaltiger gestalten und damit Ressourcen schonen.
Beim Thema Fachkräftemangel kann BIM dazu beitragen, unsere Kommune für junge Fachkräfte attraktiver zu machen, da wir ihnen moderne Arbeitsmethoden bieten können.
Durch die Digitalisierung der Bauprozesse können wir auch im Verwaltungsprozess einen schnelleren Informationsaustausch gewährleisten und damit Bürokratie abbauen, was zur Projektgeschwindigkeit beiträgt.
Natürlich gibt es auch Herausforderungen, wie die Notwendigkeit von Schulungen und die Anpassung bestehender Prozesse. Aber wir sind überzeugt, dass sich der Aufwand langfristig lohnt.
Inwiefern sind BIM-Weiterbildungen ein Thema für Ihre Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter?
Die Weiterbildung unserer Mitarbeitenden ist ein wichtiger Bestandteil unserer Digitalisierungsstrategie. Dazu können auch Schulungen zum Thema BIM beitragen, um unsere Mitarbeitenden für die neuen Technologien zu qualifizieren und sie in die Lage zu versetzen, BIM effizient einzusetzen. Dabei werden wir auch auf die Zusammenarbeit mit externen Experten setzen müssen.
Der Niedersächsische Landtag hat vor Kurzem eine Änderung der Niedersächsischen Landesbauordnung beschlossen, mit der zahlreiche Vorschriften aus der Landesbauordnung gestrichen werden. Wir berichteten auf bSD+. So wird seit dem 1. Juli 2024 jede Baugenehmigung automatisch erteilt, wenn das Bauamt dem Antrag nicht innerhalb von drei Monaten widerspricht. Weitere Aktualisierungen sollen das Bauen wieder bezahlbar machen und beinhalten Erleichterungen für Um- und Neubauten. Wie bewerten Sie diese Maßnahmen?
Die Änderungen in der Niedersächsischen Landesbauordnung sind ein erster Schritt in die richtige Richtung. Wir sehen aber in Zeiten von Fachkräftemangel und Konflikten um Straßenraum viele Änderungen sehr kritisch. Insbesondere die Verlagerung von Konflikten auf die kommunale Ebene, beispielsweise bei der Schaffung von Stellplätzen, halte ich für eine falsche Entscheidung. Wir haben als Kommunen zudem zunehmend den Eindruck, dass Gewinne privatisiert werden, während Kosten sozialisiert werden.
Verstehen Sie mich nicht falsch: Der Grundgedanke stimmt. Verbesserungen der Prozesse, schnellere Entscheidungswege, Bürokratieabbau - aber der Teufel steckt, wie so oft, auch hier im Detail. Einige Regelungen werden zu Konflikten und zu einer Zunahme der Arbeit an Gerichten führen, insbesondere wenn nachbarschaftliche oder gemeindliche Interessen dem Einzelvorhaben entgegenstehen. Ich bin daher eher skeptisch, wie diese Änderungen wirken werden. Der Vollständigkeit halber muss ich anmerken, dass ich zu der Frage der Genehmigungen keine abschließende Meinung habe – wir sind als kleine Kommune keine Bauaufsichtsbehörde.
Ist der BIM-basierte Bauantrag ein Thema, mit dem Sie sich beschäftigen?
Der BIM-basierte Bauantrag ist für uns ein sehr interessantes Thema. Wir sehen darin großes Potenzial, um Bauverfahren zu beschleunigen und zu vereinfachen. Allerdings sind wir hiervon nur als Antragstellerin betroffen, da die Bauaufsicht bei der Region Hannover liegt.
Welche erfolgreichen Praxisbeispiele in Bezug auf die Digitalisierung, auch von Start-ups, kennen Sie in Ihrer Kommune?
In Pattensen haben wir noch keine konkreten Erfahrungen mit Start-ups im Bereich der Baudigitalisierung. Wir sind jedoch offen für Kooperationen mit innovativen Unternehmen, die uns bei der Umsetzung unserer Digitalisierungsziele unterstützen können.
Sehr geehrte Frau Schumann, wird Ihnen danken herzlich für das Interview.
Zu dem Thema ist im bSD Verlag erschienen:
- BIM und Baugenehmigung
Herausgeber: Judith Fauth, Joaquin Diaz, Markus König und Wolfgang Müller