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IFC ist mehr als ein 3D-Modell

Von Nachhaltigkeit über Gesundheit bis zu neuen Geschäftsmodellen und Technologien – IFC kann in einer Vielzahl von Bereichen dazu beitragen, die AEC-Branche auf ein neues Leistungsniveau zu heben

Casey Rutland

Momentan wird viel über IFC (Industry Foundation Classes) und über die Herausforderungen, mit denen Menschen bei der Nutzung und Übersetzung von Daten konfrontiert sind, geredet – sowohl in Online-Diskussionen als auch auf realen Konferenzen und Tagungen.

Unserer Ansicht nach ist das eine gute Sache. Wenn die Menschen offen über die Nutzung einer weltweit anerkannten Datenstruktur für die gebaute und natürliche Umwelt (IFC) diskutieren, bedeutet das, dass diese Datenstruktur auch tatsächlich verwendet wird. Allerdings könnten noch viel mehr Menschen IFC nutzen, wenn sie sich über die vielen Vorteile im Klaren wären.

Denn IFC ist viel mehr als ein 3D-Modell, das Sie mit unterschiedlicher Software öffnen können. Es ist ein Datenmodell, das in einem Texteditor geöffnet, verknüpft, abgefragt und auf viele verschiedene Arten präsentiert werden kann, um auf diese Weise Ihrem speziellen Anwendungsfall gerecht zu werden.

Es ist uns eine Ehre, unsere Branche bei ihrer digitalen Transformation zu unterstützen. Und es ist aufregend, ein besseres Informationsmanagement und die Verwendung offener Standards in einer Branche zu fördern, in der sich einige Menschen überhaupt nicht bewusst sind, dass es sie gibt. Wir merken jeden Tag aufs Neue, welche Verbesserungen unsere Bemühungen tatsächlich mit sich bringen.

Welchen Bedarf gibt es?

Der Bedarf ist äußerst vielfältig. Er variiert von „Ich möchte nur meine Arbeit beenden und pünktlich nach Hause gehen“ bis zu „Wie können wir die Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung erreichen?“

Der Bedarf kann (und wird) von Einzelpersonen, Projekten, Unternehmen, Branchen, Regierungen, Volkswirtschaften und den individuellen Umständen gesteuert. Das globale Bewusstsein für die ökologischen Herausforderungen, mit denen wir konfrontiert sind, die COVID-Pandemie, mit der wir täglich kämpfen, und der aktuelle Anstieg der Lebenshaltungskosten sind alles Themen, die mit datengesteuerten Entscheidungen und Maßnahmen besser verstanden und gelöst werden können.

Tatsächlich könnte die aktuelle Situation nicht dringlicher sein. Es steht uns deshalb nicht genug Zeit zur Verfügung, um diese Herausforderungen analog anzugehen. Hier und jetzt besteht die Notwendigkeit, Daten zur Lösung unserer Probleme einzusetzen. Doch wie beschaffen wir die benötigten Daten? Wie stellen wir sicher, dass sie vertrauenswürdig sind und wie können wir sie effizient nutzen?

Insbesondere im Bereich Nachhaltigkeit gibt es viele Anzeichen dafür, dass sich die verschiedenen Branchen – und die Gesellschaft insgesamt – mehr denn je bewusst sind, dass ein sofortiges Handeln nötig ist. Der Einfluss, den unsere Branche in diesem Bereich haben kann, ist enorm. Dafür wird jedoch eine Vielzahl an Daten benötigt, damit wir besser verstehen, auf welche Weise wir uns verändern können und welche Vorteile sich daraus ergeben würden. Egal ob es um Dekarbonisierung, Materialauswahl, Post Occupancy Evaluation (POE), Hochwasseranalyse, Denkmalpflege oder Energiesystemspezifikation geht – eine standardisierte Datensprache reduziert Doppelarbeit, erhöht die Interoperabilität und ermöglicht eine standardisierte Validierung der Ergebnisse.

Im Bereich Sicherheit und Gesundheit wurde im Mai 2022 der Building Safety Act (Gesetz zur Gebäudesicherheit) von der britischen Krone offiziell bestätigt. Dieses Gesetz und die davon abgeleiteten Rechtsvorschriften erfordern die Bereitstellung eines roten Fadens aus Informationen. Während der Planungs- und Bauphase beinhaltet der Informationsaustausch sämtliche Informationen (einschließlich sämtlicher Nachweise), mit denen festgestellt werden kann, dass das Gebäude die geltenden Bauvorschriften erfüllt. Anschließend müssen während der Einzugsphase die Informationen, auf die sich die Sicherheitsnachweise stützen und die belegen, dass die festgelegten Sicherheitsrisiken identifiziert wurden, ausgetauscht, überprüft und verwaltet werden.

In der heutigen Zeit tritt auch das Thema Gesundheit immer mehr in den Vordergrund. Gerade jetzt, da wir die COVID-Pandemie langsam hinter uns lassen und einen Neuanfang wagen, stellen einige Organisationen die Gesundheit und das Wohlbefinden im Zusammenhang mit ihren Gebäuden und den Menschen darin in den Mittelpunkt ihrer Anstrengungen. Mithilfe eines ESG-Ansatzes (Environmental, Social & Governance) lässt sich der Beweis erbringen, dass ihre Bemühungen in diesem Bereich die gewünschten Ergebnisse erzielen – auch hier stehen wieder die Daten im Mittelpunkt. Durch diese Vorgehensweise tragen die Organisationen zu finanziellen Einsparungen und größeren Vorteilen für die Gemeinschaften bei, in denen sie tätig sind.

Hinzu kommen das wirtschaftliche Klima und seine Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit. Die Material-, Produkt- und Energiepreise steigen kontinuierlich an. Dadurch werden Daten nicht nur zu einem netten Accessoire, sondern zu einem eigenständigen Vermögenswert. Daten (und das Informationsmanagement) sind für die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens von entscheidender Bedeutung. Wenn man sie wie eine eigenständige wertvolle Ressource behandelt, kann man sie miteinander verknüpfen und im gesamten Geschäftsablauf einsetzen. Dies schafft nicht nur mehr Klarheit, sondern ermöglicht darüber hinaus fundiertere Entscheidungen. Wenn Sie in der Lage sind, IFC-Datensätze über mehrere Projekte hinweg abzufragen, um Trends zu erkennen und ihre Auswirkungen besser zu quantifizieren oder zu berechnen, können sich sichere Daten als großer Vorteil für Ihre Organisation erweisen.

Zu guter Letzt werfen wir noch einen Blick auf die neuen Geschäftsmodelle. Wenn Daten tatsächlich das neue Öl (oder, wie David McCandless es ausdrückt, der neue Boden) sind, bietet dies traditionellen Unternehmen in unserer Branche die Möglichkeit, ihre Dienstleistungen datenzentrierter zu gestalten. Alles, was sie hierzu tun müssen, ist, die Daten zu pflegen, zu reinigen und zu aktualisieren, d. h., sich intensiv um sie zu kümmern. Der Einstieg in eine neue Welt aus digitalen Geschäftsmodellen, bei denen Daten effizient genutzt werden, um Kunden wertvolle Erkenntnisse zu ermöglichen, war bis zum heutigen Zeitpunkt unmöglich. Im Zentrum dieser Überlegungen steht dabei stets ein strukturiertes Daten- und Informationsmanagement.

Technologie macht den Unterschied

Das in der Baubranche verwendete Datenmodell und -schema nennt man IFC. IFC ist ein internationaler Standard (ISO 16739), der von buildingSMART International verwaltet wird.

Das IFC-Schema wurde dank internationaler Bemühungen über einen Zeitraum von 25 Jahren hinweg entwickelt. Das Ziel bestand darin, einen Konsens darüber zu erreichen, wie Anlagen beschrieben werden und welche Eigenschaften für ihre Beschreibung erforderlich sind.

Im Artikel „Was bedeutet IFC und wofür wird es benötigt?“ erklärt Emma Hooper mehr über den Datenstandard.

Das größte Risiko besteht darin, dass Unternehmen zu Beginn ihrer digitalen Reise ihr eigenes Datenmodell entwickeln – eines, das sich nicht mit anderen verknüpfen lässt, das nicht so sicher ist und das die Lieferkette erst verstehen lernen muss. Aus unserer Sicht wäre dies der sichere Weg in eine Katastrophe.

Die Verwendung eines standardisierten Datenmodells bedeutet, dass die von uns erstellten Daten nicht in proprietäre Software oder in die Systeme eines einzelnen Unternehmens eingesperrt werden. Stattdessen können sie auch von anderen Technologien genutzt werden, um einen besseren Einblick in bauliche Anlagen zu erhalten und auf diese Weise in vielen Bereichen bessere Ergebnisse zu erzielen.

Am wichtigsten dabei ist, dass solche Standards erfahrungsgemäß großes Vertrauen schaffen können. Unsere Branche blickt auf eine eher durchwachsene Geschichte zurück, wenn es um Vertrauen in Daten geht. Viele Menschen zögern, sich ausschließlich auf etwas zu verlassen, das sie möglicherweise nicht vollständig verstehen, obwohl ihnen vielleicht klar ist, dass es wahrscheinlich eine effizientere Arbeitsweise ermöglicht. Es ist also eine Übergangsphase erforderlich, um Grundkenntnisse zu schaffen und Vertrauen zu entwickeln.

Viele Bedenken bestehen speziell in Hinblick auf das Thema Sicherheit. Dabei wird oft vergessen, wie unsicher einige unserer traditionellen Arbeitspraktiken eigentlich sind. Die Menschen gehen schnell davon aus, dass offene Daten weniger sicher sind. In der Realität ist ein standardisiertes Datenmodell allerdings immer sicherer, da sicherheitsrelevante Daten vor der Veröffentlichung ganz einfach gefiltert und redigiert werden können (denn diese Daten befinden sich immer genau dort, wo sie sein sollten, und können leicht durchsucht werden).

Offene Standards könnten ebenfalls dazu beitragen, dass Unternehmen in unserer Branche ihre langfristigen technologischen Ziele erreichen. In unserer gesamten Branche werden derzeit im Rahmen von Initiativen (einige sehen diese möglicherweise als Silos an) Sensoren, Apps, Dienste, Lösungen und andere Inputs und Outputs entwickelt. Dabei wird vor allem in die Bereiche PropTech, ConTech, maschinelles Lernen, künstliche Intelligenz, digitale Zwillinge, Robotik und intelligente Objekte investiert. Doch relativ wenige Unternehmen sind sich des massiven Stroms an strukturierten Daten bewusst, der ihnen dabei helfen könnte, deutlich skalierbarere Lösungen zu entwickeln.

Es ist also jetzt an der Zeit, zu handeln. Wir sollten diese anderen Initiativen im Bereich der digitalen Transformation einbeziehen und ihre Entwicklung unterstützen.

Obgleich das allgemeine Bewusstsein stetig wächst, gibt es immer noch viel zu tun, um noch mehr Menschen zu erreichen. In einer idealen Welt müssten wir dafür nicht so hart arbeiten. Fachleute würden einfach ihrer Arbeit nachgehen und die Technologie würde sich um die dazugehörigen Daten kümmern. Aber leider leben wir nicht in einer idealen Welt – zumindest noch nicht. Während wir einerseits damit beschäftigt sind, unsere Branche digital zu transformieren, arbeiten wir auch hart daran, die bestehende hundertjährige Branchenerfahrung zu bewahren. So soll sichergestellt werden, dass sie an die nächste Generation von Menschen und Tools weitergegeben werden kann.

In der Software-Branche nimmt das Bewusstsein über die Vorteile von Open-BIM immer mehr zu. Derzeit werden Open-Source-Anwendungen für eine Vielzahl verschiedener Anwendungsfälle entwickelt. Weitere Informationen dazu finden Sie im Artikel „Natives Open BIM und der Aufstieg von Open Source in der AEC-Branche“ von Dion Moult.

Diejenigen, die ihre Erfahrung und ihr Verständnis des gesamten Prozesses zertifizieren lassen möchten, können dies jetzt durch zugelassene Schulungsanbieter offiziell tun. Bei diesen Anbietern können Kurse zum Thema Open-BIM belegt werden.

Die nächsten Schritte

Auch wenn die Mehrheit der Menschen IFC zumeist als Möglichkeit zum Austausch von 3D-Modelldaten im Rahmen eines Bauprojekts kennenlernt, werden sie schnell feststellen, dass die Vorteile des Datenstandards noch viel weitreichender sind.

Wir sind uns bewusst, dass es sowohl vermeintliche als auch reale Herausforderungen bei der Übernahme eines IFC-Ansatzes gibt. Und wir wissen, dass wir weiterhin an der Lösung dieser Herausforderungen arbeiten und hierzu Ressourcen und Support bereitstellen müssen, wo immer es uns möglich ist. Allerdings müssen wir auch die Diskussion über Daten und ihren kurz-, mittel- und langfristigen Nutzen vorantreiben – denn hierin liegt der wahre Wert unseres Ansatzes.

Als Organisation, die eng mit der Branche zusammenarbeitet, spüren wir noch immer an einigen Stellen Widerstand, obgleich es natürlich schon zahlreiche Menschen und Unternehmen gibt, die ihre Arbeitsmethoden stark angepasst haben. Außerdem gibt es mittlerweile einige herausragende Beispiele, was sich vor allem an den hochwertigen Einreichungen für die buildingSMART International Awards oder für die BIM Champions von buildingSMART Deutschland erkennen lässt.

Warten Sie also nicht länger: Kontaktieren Sie buildingSMART, um zu erfahren, wie IFC und Open-BIM Ihnen dabei helfen können, effektiver zu arbeiten und bessere Ergebnisse zu erzielen.


Danksagung: buildingSMART UK&I bedankt sich bei allen für ihren Beitrag zu diesem IFC-Sonderbericht.

Der Artikel erschien zuerst im IFC Special Report, der von buildingSMART UK and Ireland und dem AEC Magazine erstellt wurde.

Autor/in

Casey Rutland

Casey Rutland

UK BIM Alliance

Casey Rutland ist Gründungsdirektor von digitalgreen.io, stellvertretender Vorsitzender der UK BIM Alliance und Vorsitzender von buildingSMART UK and Ireland. (digitalgreen.io)