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Natives Open-BIM und der Aufstieg von Open Source in der AEC-Branche

Mit Open-BIM lässt sich die gebaute Umwelt in einer digitalen Welt abbilden, in der Informationen und Daten wirklich geschätzt werden

Dion Moult

Ob Sie es glauben oder nicht, unsere digitale Zusammenarbeit ist momentan noch ziemlich primitiv. Es ist fast so, als würden wir einfache Tabellen austauschen, und jeder von uns verwendet dafür seine eigene Tabellenvorlage. In der Realität ist es sogar noch viel schlimmer – denn während jeder problemlos auf eine Tabelle zugreifen könnte, sind unsere Daten in der Regel in einem proprietären Format gesperrt.

Tabellen können darüber hinaus nicht einfach ablaufen, aber unsere Softwareversionen schon. Das bedeutet, dass Modelle, die mit älteren Softwareversionen erstellt wurden, entweder nicht geöffnet werden können oder beim Öffnen mit einer aktuellen Software möglicherweise Daten verlieren.

Für Tabellen müssen keine Abonnementgebühren bezahlt werden, aber die meisten BIM-Nutzer mieten ihre Daten eigentlich nur. Zudem ist die Formatierung von Tabellen kontrollierbar, wir aber können nur begrenzten Einfluss darauf ausüben, wie unsere Daten strukturiert sind.

Es lässt sich also insgesamt feststellen, dass wir nur sehr wenig Kontrolle über die Daten haben, die wir generieren und verwalten.

Im vergangenen Jahr hat das Interesse an Open-BIM und Open Source (zwei unterschiedliche, sich aber dennoch ergänzende Konzepte) deutlich zugenommen. Open-BIM bietet Nutzern die Möglichkeit, ihre Daten herstellerunabhängig und standardisiert unter Verwendung offener Standards wie IFC zu strukturieren.

Open Source hingegen ermöglicht es den Nutzern, sich in die Angebote der Anbieter einzuarbeiten, diese zu teilen und an ihre jeweiligen Anforderungen anzupassen. Der gemeinsame Nenner, der beide Konzepte verbindet, ist der Kontrollrückgewinn für den Nutzer.

Eine einheitliche digitale Sprache

IFC ist die einzige heute verfügbare Datenspezifikation, die alle Bereiche unserer Branche in einer einzigen, zusammenhängenden digitalen Sprache integriert.

IFC kann eine Vielzahl von unterschiedlichen Elementen beschreiben, z. B.: 2D-Anmerkungen, komplexe 3D-Formulare, Texturen und Materialien, Projektbibliotheken, Strukturanalysen, Konnektivität mit MEP-Systemen, zivile Infrastruktur, Schweißdaten, Bauabfolgen, Kostenplanung, Beleuchtungs- und photometrische Daten, Raumgrenzen für Energiesimulationen, Umweltauswirkungen, Risikobewertungen, parametrische Einschränkungen zur Code-Compliance, Facility-Management-Daten, Dokumentenregister, Anlagenwartungspläne, Auftragsverfolgung, Sensorereignisse intelligenter Gebäude, Verfahrensabläufe und Zeitreihendaten.

Die romantische Straßenbahnhaltestelle von Dedouze (Vorlage: siehe Titelbild oben). Die Geometrie wurde mit 3D-Skizzen erstellt, mit IFC-Informationen angereichert und mit maßgeschneiderten Problemlösungen in Autodesk Revit übersetzt, um die fehlende Unterstützung für Kurven zu überwinden.

Bildcredit: Dion Moult/AEC Magazine, dedouze.com/CC-BY-SA 3.0

Heute wird IFC von fast jeder Software in unserer Branche zumindest teilweise unterstützt. Behörden in Bund und Ländern sowie Gebäudeeigentümer verlangen nun nach qualitativ hochwertigeren IFC-Daten. Dementsprechend nimmt auch die IFC-Unterstützung durch die Softwareanbieter immer weiter zu.

Interoperabilitätsprobleme

Trotz der enormen Vorteile von IFC ist eine erfolgreiche Implementierung in Softwareanwendungen bisher eher ein Glückstreffer. Die Einschränkungen und komplexen Arbeitsabläufe in Verbindung mit der Übersetzung von Daten beim Export und Import können sehr frustrierend sein. Im Ergebnis lernen Nutzer häufig nur einen kleinen Bruchteil der IFC-Funktionen kennen und glauben dementsprechend, dass IFC nur ein dummes geometrisches Modell – das Äquivalent zu einer PDF – ist. Dabei hat IFC viele weitere Vorteile und ist insbesondere für die Verwaltung unserer Daten von grundlegender Bedeutung.

Dieses Problem liegt nicht nur an den Softwareanwendungen, sondern in erster Linie an den Menschen, die sie nutzen. In kultureller Hinsicht verfolgt unsere Branche den Ansatz Software first. In unseren digitalen Workflows, unseren Verträgen und unserer Forschung wird Software stets in den Mittelpunkt gestellt. Stattdessen müssten wir in unserer Branche eine datenzentrierte Kultur fördern und in digitale Kompetenzen investieren.

Wenn wir eine sinnvolle digitale Zusammenarbeit erreichen wollen, müssen wir die Daten an erste Stelle setzen, nach Alternativen zu den bisherigen proprietären Formaten suchen und unsere derzeitigen Grundlagen durch offene Datenstandards ersetzen, die für den gesamten Lebenszyklus unserer baulichen Anlagen genutzt werden können.

Freiheit durch Open Source

Wenn die Software ihre Nutzer steuert, dann handelt es sich üblicherweise um proprietäre Software. Wird die Software dagegen von ihren Nutzern gesteuert, hat sie einen besonderen Namen: Open Source.

Open Source wird manchmal auch als freie Software bezeichnet. Das bezieht sich jedoch nicht auf ihren Preis, sondern vielmehr auf die Freiheiten, die sie ihren Nutzern bietet. Es gibt vier spezifische Freiheiten, die mithilfe von Lizenzen gewährt werden:

  1. Die Nutzer können die Software frei und ohne Einschränkungen durch die jeweilige Softwarelizenz für jeden beliebigen Zweck nutzen.
  2. Die Nutzer können die Funktionsweise der Software frei und ohne Einschränkungen analysieren. Der Code wird zusammen mit Hinweisen zu seinem Aufbau zur Verfügung gestellt. Dies fördert die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Industrie und ermöglicht die Weiterbildung technischer Spezialisten.
  3. Die Nutzer können die Software frei und ohne Einschränkungen an ihre Bedürfnisse anpassen. Dadurch übernimmt unsere Branche wieder die Kontrolle, um Funktionen zu entwickeln, die für unsere zukünftigen Städte notwendig sind.
  4. Die Nutzer können die Software frei und ohne Einschränkungen mit allen vorgenommenen Änderungen weiterverbreiten. Dies hilft, Ungleichheiten bei der Übernahme der Technologien in unserer Branche auszugleichen. Wenn jeweils eine Person in zehn verschiedenen Unternehmen eine Verbesserung an einem bestimmten Tool vornimmt, dann kann die Branche insgesamt von zehn Verbesserungen profitieren.

Diese Freiheit kann zur Norm werden, sobald das Programmieren zu einer Grundfertigkeit wird, die wir jedem Menschen vermitteln. Die Softwarebranche hat diesen Wandel bereits vollzogen – viele Bereiche (z. B. Internet, Sicherheit, Softwareentwicklung usw.) setzen bereits auf Open-Source- und Open-Data-Standards. Doch in der AEC-Branche steht Open Source noch ganz am Anfang.

Eine der frühesten damit in Verbindung stehenden Entwicklungen waren die geografischen Informationssysteme (GIS). 1984 wurde das GRASS GIS-Projekt als Lösung für kommerzielle Tools ins Leben gerufen, die nicht miteinander kommunizieren konnten, ähnlich wie bei dem proprietären BIM-Problem, mit dem wir heute konfrontiert sind.

Dieses Projekt ebnete den Weg in die Interoperabilität, erschuf den Begriff OpenGIS und führte zur Gründung der OpenGIS Foundation. Heutzutage ist diese Organisation als Open Geospatial Consortium (OGC) bekannt. Sie war an der Entwicklung vieler Open-Data-Standards beteiligt, die für die GIS-Branche von grundlegender Bedeutung sind. Mithilfe von modernen Projekten wie OpenStreetMaps können OpenGIS-Daten für mehr als 7 Millionen Nutzer bereitgestellt werden.

Darüber hinaus stellt Blender seit kurzer Zeit Mesh-Modellierung, Computational Design und CG-Visualisierung für ein breites Publikum zur Verfügung. FreeCAD macht das Gleiche für parametrische Festköpermodellierung, industrielles Design und computergestützte Fertigung. OpenSourceEcology stellt offene Hardware-Designs für die gebaute Umwelt zur Verfügung. Hierzu gehört auch das neueste Seed Eco-Home 2, ein nachhaltiges, modulares Open-Source-Design für ein 1.000 Quadratmeter großes Haus, das Sie für nur 50.000 USD in einer Woche mit einem Freund bauen können.

FreeCAD bietet parametrische Volumenmodellierung, ähnlich wie Autodesk Fusion 360 oder DS Solidworks. FreeCAD wird für das Design des OpenSourceEcology Seed Eco-Home2 verwendet.

Bildcredit: Dion Moult/AEC Magazine

Natives Open-BIM für alle

Durch die Zusammenführung von Open-BIM-Standards und Open-Source-Software können wir endlich damit beginnen, Daten an erste Stelle zu setzen und die volle Funktionalität des IFC-Schemas zu entfalten.

Bei Open-Source-Software wie IfcOpenShell, xBIM und IFC.js handelt es sich um Plattformen zur Entwicklung von nativen IFC-Tools. Mithilfe dieser offenen Datenplattformen konnten Start-ups bereits verschiedene neue Produkte für unsere Branche entwickeln. Darüber hinaus werden sie zunehmend in der Forschung und Lehre zum Thema Open-BIM übernommen und bieten die fortschrittlichsten Open-BIM-Funktionen, die derzeit auf dem Markt verfügbar sind. Damit ist IFC keine statische Momentaufnahme mehr. Modelle können weiterhin mit einfachen Skripten bearbeitet werden, die für alle frei zugänglich sind.

IFC.js zeigt ein dichtes Bewehrungsmodell mit 60 Bildern pro Sekunde in einem normalen Webbrowser. IFC.js ist insofern einzigartig, weil es ermöglicht, mit BIM-Servern im Web zu arbeiten, ohne dass ein Webserver benötigt wird.

Bildcredit: Dion Moult/AEC Magazine

Eine standardmäßige Open-Source-Software wie das BlenderBIM Add-on (das ursprünglich als Experiment beim australischen multinationalen Bau-, Immobilien- und Infrastrukturunternehmen Lendlease gestartet wurde) hat gezeigt, dass es auch Nutzern ohne Programmiererfahrung möglich sein kann, IFC-Modelle mithilfe einer grafischen Oberfläche nach individuellen Anforderungen zu erstellen.

Modelle können je nach Fachbereich direkt in einer einzigen IFC-Datenbank erstellt werden, ohne sie importieren oder exportieren zu müssen. Mit Blender kann auf sämtliche Funktionen von IFC zugegriffen werden, ohne dass es zu einem Datenverlust kommt. Die direkte Erstellung von IFC-Modellen ist also keineswegs komplex und ähnelt den bereits bekannten BIM-Tools.

Das kostenlose Erstellen und Bearbeiten von IFC-Modellen ist somit eine wirklich wegweisende Neuerung in unserer Branche.

Eine Kombination aus Open Data und Open Source bedeutet, dass alle Systeme, die zum Entwerfen, Implementieren, Betreiben, Prüfen, Analysieren und zur Erstellung von Prototypen unserer gebauten Umwelt verwendet werden, für alle zugänglich gemacht werden können. Dies gilt für führende Planungs- und Bauunternehmen sowie für kleinere Unternehmen, Einzelpersonen, gemeinnützige Organisationen und andere interessierte Bürger.

Open Source ist nicht nur eine einfache Softwarelizenz. Open Source ist eine Kultur, die Nutzern die Kontrolle über die Software zurückgibt. Bei der Open-Source Architecture Community (OSArch) handelt es sich um eine Dachorganisation, die aus der Gemeinschaft der Open-Source-Nutzer und -Entwickler in den Blender-, FreeCAD- und Open-BIM-Communities hervorgegangen ist.

Trotz ihres Namens deckt sie alle Fachbereiche ab. Über 100 Open-Source-Softwaresysteme werden derzeit dokumentiert. Das bedeutet, dass für uns eine ganze Welt mit neuen Technologien bereitsteht. OSArch zeigt, wie echte Zusammenarbeit, die sich der Verbesserung der Interoperabilität, Zugänglichkeit und Qualität von Daten verschrieben hat, funktionieren kann.

Vor zwei Jahren war es ziemlich schwierig, sich IFC-Daten auf einem Linux-Betriebssystem anzusehen oder Skripte zum Bearbeiten von Daten zu schreiben. Die Erstellung nativer IFC-Modelle war sogar gänzlich unbekannt. Jetzt kann IFC lokal auf jedem beliebigen Browser ausgeführt werden. IFC-Modelle sind editierbar, verschiedene Fachbereiche können ihre Datensätze parametrisch miteinander verschmelzen, und Nutzer beginnen endlich, die Qualität von Daten außerhalb ihrer Silos zu hinterfragen.

Dies ist das Ergebnis der ehrenamtlichen Arbeit engagierter Einzelpersonen, die viel Mühe in offene Standards und Open Source investieren: gemeinsam lernen, Code schreiben, sich auf Standards einigen, andere unterrichten und Forschungsergebnisse veröffentlichen. Wenn wir alle (d. h. Anbieter, Entwickler und Nutzer) zusammenarbeiten, können wir eine neue digitale gebaute Umwelt erschaffen, in der Informationen und Daten tatsächlich gewürdigt werden.

Weiterführende Links

IFC.js: https://ifcjs.github.io/info
xBIM: https://docs.xbim.net
IfcOpenShell: http://ifcopenshell.org
BlenderBIM: https://blenderbim.org/community.html
FreeCAD: https://www.freecadweb.org
OSArch-Community: https://osarch.org


Danksagung: Der Artikel entstand mit Unterstützung von Emma Hooper, Associate Director und Head of R&D bei Bond Bryan Digital

Der Artikel erschien zuerst im IFC Special Report, der von buildingSMART UK and Ireland und dem AEC Magazine erstellt wurde.

Autor/in

Dion Moult

Lendlease

Dion Moult ist Digital Engineering Manager bei Lendlease und Hauptentwickler des Blender-BIM-Add-on. Er ist seit über einem Jahrzehnt an einer Vielzahl von Open-Source-Projekten beteiligt. Zu seinen Projekten gehören u. a. die Gentoo-Linux-Distribution, das KDE-Projekt für Desktop-Umgebungen, FreeCAD für die parametrische Volumenmodellierung, Radiance für die Lichtsimulation, OpenStreetMaps/OpenStreetCam für GIS- und Computer-Vision-Datensätze und IfcOpenShell für BIM- und Open-Data-Tools für die gebaute Umwelt. (lendlease.com)