
„Das Practitioner-Zertifikat wird zunehmend gefordert“
Exklusivinterview mit Alfred Waschl und Rasso Steinmann zum Practitioner-Programm von buildingSMART
Die Listung für das Practitioner-Programm ist gestartet. Wie geht es weiter? Wie groß ist der Bedarf? Warum ist die Zertifizierung gerade in dieser Zeit wichtig? Auf welchen Richtlinien baut sie auf?
Über diese und weitere Fragen sprachen wir in Teil 2 unserer Interviewserie zum kommenden Zertifizierungsangebot von buildingSMART mit Alfred Waschl, Geschäftsführer von buildingSMART Austria, und Rasso Steinmann, Vorstandsvorsitzender von buildingSMART Deutschland.
Herr Waschl, Herr Steinmann, wie schätzen Sie den Bedarf an einem Practitioner-Zertifikat für Österreich bzw. Deutschland ein?
Alfred Waschl: Der Bedarf bzw. die Marktanforderung ist in Österreich markant. Wir haben schon 38 Practitioner mit einer positiven Prüfung. Anfang Oktober 2022 treten weitere 26 an.
Rasso Steinmann: Deutschland war das erste buildingSMART-Chapter, das vor einigen Jahren aufgrund der großen Nachfrage das Foundation-Zertifikat ausgerollt hat. Das Zertifikat entspricht der Regelsetzung der VDI 2552 und damit dem anerkannten Stand der Technik. Schon zu Beginn wurde versprochen, dass ein darauf aufbauendes Zertifikat angeboten wird, und die Einlösung dieses Versprechens wurde zunehmend vehement gefordert. Das Practitioner-Zertifikat löst dieses Versprechen ein und entspricht ebenfalls der Regelsetzung der VDI 2552. Mit dem Foundation-Zertifikat kann man belegen, dass man über die BIM-Grundkenntnisse verfügt, mit dem Practitioner-Zertifikat zeigt man, dass man auch über die Qualifikation in der praktischen Anwendung von BIM verfügt. Drauf kommt es jetzt an, und deswegen wird dieses Zertifikat zunehmend gefordert.
Warum ist das Practitioner-Zertifikat gerade jetzt wichtig?
Alfred Waschl: Das hat mehrere Gründe. Der buildingSMART-interne Grund besteht darin, dass wir seit zwei Jahren eine Foundation-Ausbildung mit guten Geschäftserträgen haben, für die es keine Fortsetzung gibt. Der markttechnische Grund ist, dass immer mehr Ausschreibungen BIM-Know-how einfordern. Das dafür notwendige Wissen wird von Zertifizierern eingefordert. Dieser Zertifizierer muss buildingSMART heißen und nicht den Namen von irgendwelchen Beratungsunternehmen tragen, die möglicherweise nur regional agieren.
Rasso Steinmann: Mit dem zunehmenden Einsatz von BIM in der Praxis wird es auch zunehmend dringlicher, dass man sich auf die BIM-Kompetenz seiner Auftragnehmer und Partner verlassen kann. Das Practitioner-Zertifikat hilft hier Transparenz zu schaffen und das notwendige gegenseitige Vertrauen herzustellen.
Auf welchen inhaltlichen Vorarbeiten und nationalen Richtlinien baut das Programm auf?
Alfred Waschl: Österreich hat seit 2025 eine BIM-Norm, und von der ISO gibt es Qualitätsmanagementvorschriften, die in unserem BIMcert Handbuch penibel zusammengefasst sind. Dieses Buch ist auch die erfolgreiche standardisierte Basis für unser Ausbildungskonzept. Die erste Auflage ist nahezu ausverkauft, die zweite Auflage wird im ersten Quartal 2023 aufgelegt.
Rasso Steinmann: Sowohl bei buildingSMART International und Deutschland als auch in deutschen Verbänden und Kammern wurden die Inhalte erarbeitet, intensiv diskutiert und untereinander abgestimmt. Das Ergebnis dieser Harmonisierungsarbeit wurde der Regelsetzung im Rahmen der BIM-Richtlinienriehe VDI 2552 – Blätter 8.ff zugeführt. Diese Richtlinien sind die Basis für das Zertifikat.
Wie sieht die weitere internationale Kooperation in Mitteleuropa und in anderen Regionen aus?
Alfred Waschl: Die Zusammenarbeit in der DACH-Region funktioniert, wird monatlich intensiver und nach jedem Milestone effizienter und zielgerichteter. Von den anderen Regionen sehe ich keine zählbaren Ergebnisse und höre bedauerlicherweise meist nur Verzögerungsargumente.
Rasso Steinmann: Einerseits ist die Entwicklung der Qualifikations-Zertifikate ein internationales Thema von buildingSMART. Zunehmend rollen nun auch andere Länder das Foundation-Zertifikat aus, mit dem Ziel, darauf das Practitioner-Zertifikat folgen zu lassen. Zur Sicherstellung der Entwicklung dieser Zertifikate hat buildingSMART eine eigene Stabsstelle eingerichtet, die die internationale Abstimmung koordiniert und unterstützt. Es besteht momentan eine enge Kooperation zwischen den DACH-Chaptern von buildingSMART, weil hier die BIM-Aus- und -Weiterbildung inzwischen weit fortgeschritten ist. Andererseits wurde bei CEN eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die eine Harmonisierung von nationalen BIM-Zertifikaten auch in der europäischen Regelsetzung anstrebt.
Lesen Sie auch Teil 1 der Interviewserie: Listung für das Practitioner-Programm gestartet. Was ist der Inhalt der Weiterbildung? Wer ist die Zielgruppe? Gespräch mit Sarah Kristina Merz, Leiterin der Fachgruppe Zertifizierung bei buildingSMART Deutschland, zum kommenden Zertifizierungsangebot von buildingSMART Deutschland.