
Listung für das Practitioner-Programm gestartet
Was ist der Inhalt der Weiterbildung? Wer ist die Zielgruppe? Gespräch mit Sarah Kristina Merz zum kommenden Zertifizierungsangebot von buildingSMART Deutschland
Frau Merz, Sie waren wesentlich an der Erarbeitung des Zertifizierungsprogramms von buildingSMART International und buildingSMART Deutschland beteiligt. Wie ist das Programm entstanden?
Das Gesamtprogramm Professional Certification Program entstand unter anderem durch eine Umfrage von buildingSMART International aus dem Jahr 2015, inwiefern die Branche eine weltweit einheitliche BIM Zertifizierung als relevant erachtet. Das Ergebnis war eindeutig, denn 85 Prozent der Befragten stimmten mit Ja. So wurde in einem international zusammengesetzten Expertengremium ein Rahmenlehrplan, zuerst für Grundlagenkenntnisse, erarbeitet. Hierzulande entstand die spiegelnde VDI/bS-MT Richtlinie 2552 Blatt 8.1.
So konnte nun in Deutschland – übrigens als erstem Land weltweit – bereits Dezember 2018 mit der Zertifizierung zu Professional Certification Foundation, vormals BIM Basis, begonnen werden.
Mittlerweile schauen wir allein national auf mehr als 5.000 zertifizierte Individuen – Tendenz stark steigend. Das liegt zum einen sicherlich an der Internationalität, also der Akzeptanz des Zertifikats in mittlerweile 16 Ländern bzw. Chaptern, zum anderen aber wohl auch daran, dass mehr und mehr öffentliche und private Auftraggeber in ihren Ausschreibungen ein Zertifikat als BIM-Eignungsnachweis fordern.
Doch schon bei der Erarbeitung der Foundation-Lehrpläne war das Ziel eine mehrstufige Weiterbildung und Zertifizierung. Das Thema BIM steht für eine große Dynamik in unserer Branche, und der Aspekt der überall zunehmenden Digitalisierung führt zu neuen Aufgaben, Verantwortlichkeiten und auch Berufsbildern.
Dementsprechend stellt der Foundation-Abschluss, also die kenntnisorientierte Zertifizierung, zwar den essenziellen ersten „Sprachkurs“ zu Terminologie und Methodenkompetenz dar, erfordert jedoch eine Vertiefung, um den neuen Rahmenbedingungen auch gerecht werden zu können.
Hierbei orientierte man sich sowohl bei buildingSMART als auch im VDI an der Definition von Kompetenz gemäß ISO 17024. Demnach beschreibt Kompetenz die Verbindung aus Kenntnissen und Fertigkeiten, um beabsichtigte Ergebnisse zu erzielen – oder anders gesagt: um Aufgaben erfüllen zu können.
Diese Aufgaben, bereits im nationalen VDI Standard 2552 Blatt 7 exemplarisch beschrieben, wurden ins Englische übersetzt und auf nationaler sowie internationaler Ebene durch Experten mit hierfür erforderlichen Kenntnissen und Fertigkeiten belegt.
Nach mehrjähriger Erarbeitung ist das Programm jetzt gelauncht: Professional Certification Practitioner. Der Schwerpunkt liegt hier – gemäß oben genannter ISO Norm – auf der Vermittlung anwendungsbezogener BIM-Kompetenzen, in seinen ersten Vertiefungen in den Bereichen BIM-Koordination und BIM-Management.
Welche Inhalte vermittelt werden, beschreiben neben dem buildingSMART-Rahmenlehrplan auch die beiden VDI/bS-Richtlinien 2552 8.2 Vertiefende Kenntnisse und 8.3. Fertigkeiten. Zum Beispiel, wohlgemerkt schwerpunktabhängig:
- Erstellung von AIA
- Überwachung und Freigabe von Leistungen
- Ausschreibung, Auswahl und Betreuung der CDE
- Sicherstellung der Konformität von Informationslieferungen mit AIA
- Erstellung und Veröffentlichung der Koordinationsmodelle
Diese Kompetenzen werden in Seminaren von mindestens 40 Unterrichtseinheiten à 45 Minuten mit einem hohen Übungsanteil unterrichtet. Die Aufteilung in Module und Seminardauer inklusive eventueller zusätzlicher Vertiefungen obliegt dabei den Schulungsanbietern.
Die Bewertung des Erlernten zur Zertifizierung erfolgt durch ein unabhängiges Gremium. Neben einer Onlineprüfung zählt auch das Absolvieren einer komplexen Fachaufgabe mit darauf aufbauendem Prüfungsgespräch.
Wer ist an der Erarbeitung beteiligt?
Die Erarbeitung erfolgte auf mehreren nationalen und internationalen Ebenen. International sind die Ursprünge des Programms bei buildingSMART International zu finden. In der multinationalen Working Group zum Professional Certification Program wurde der kleinste gemeinsame Nenner an weltweit relevanten BIM-Kenntnissen definiert und in einem Rahmenlehrplan formuliert.
Auf nationaler Ebene wurden diese Arbeitsstände im VDI-Gremium der Richtlinien VDI/bS-MT 2552 8.1ff und in der deutschen Fachgruppe Zertifizierung (Weiterbildung) gespiegelt und weiter ausgearbeitet. Die deutschen Protagonisten setzen sich aus privatwirtschaftlichen BIM-Weiterbildungsorganisationen, Kammervertretern und Delegierten verschiedener Hochschulen zusammen – also einem breiten Spektrum aus der Aus-, Fort- und Weiterbildung.
Da Deutschland, gemessen an der Zahl der hierzulande zertifizierten Personen, gleichermaßen große Motivation besaß als auch einen gewissen Druck hatte, das Programm zeitnah von den Kenntnissen (Foundation) in die Kompetenzen fortzuführen, liegt die Leitung des International Committee zum Practitioner nun in deutscher Hand. Die weiteren Mitglieder der Working Group sind jedoch weltweit vertreten und können auf diese Weise ihre nationalen Erkenntnisse – gleich einem Normungsgremium – einbringen, spiegeln und in ihren Ländern umsetzen.
Neben den Experten aus Deutschland und den Mitinitiatoren von buildingSMART Österreich finden sich also auch in den ersten Vertiefungen zum Coordination Practitioner und zum Management Practitioner schon Input und Konsens aus weiteren Ländern wie beispielsweise Schweiz, China und USA.
Wer ist die Zielgruppe?
Die Zielgruppe hängt prinzipiell immer von der Vertiefung ab. Koordination betrifft Aufgaben aus Architektur und Ingenieurwesen, unabhängig von Hoch-, Tief- oder Infrastrukturbau. Die Fach- und Gesamtkoordination werden praktisch erlernt bzw. vertieft, ebenso wie der Umgang mit den projektrelevanten Dokumenten und Prozessen. Die Managementvertiefung fokussiert sich einerseits auf Aufgaben des strategischen BIM-Managements – auf Organisationsebene im Kontext der BIM-Implementierung und auf Projektebene bezüglich des BIM-Projektaufsatzes. Andererseits wird auch das operative BIM-Management im Projekt behandelt.
Aufgrund der starken Vertiefung bestehen auch einige Grundvoraussetzungen. Die wahrscheinlich Einfachste ist das Vorhandensein eines Foundation Zertifikats. Nur hierdurch kann ein weitestgehend homogener Wissensstand in Bezug auf Terminologie und Methoden gewährleistet werden. Darüber hinaus sollten Teilnehmende bereits eine gewisse praktische Berufserfahrung besitzen, im Falle der Koordination insbesondere auch Erfahrung im objektorientierten Modellaufbau sowie dem Export und Import im Open-BIM-Kontext.
Informationen zum Professional Certification Program von buildingSMART
buildingSMART International erkannte bereits vor mehreren Jahren dass erfolgreiches Arbeiten mit BIM nicht nur offene Software-Standards benötigt, sondern auch Standards für die berufliche BIM-Weiterbildung. Aus dieser Erkenntnis heraus ist das Professional Certification Program von buildingSMART International entstanden, das in der BRD von buildingSMART Deutschland umgesetzt wird.
Das Programm umfasst bisher zwei Stufen:
Stufe 1
Die erste Stufe wird seit 2018 angeboten und heißt Professional Certification Program – Foundation. Sie vermittelt bzw. zertifiziert BIM-Basiswissen.
Stufe 2
Seit Juli 2022 können sich Weiterbildungsanbieter für die Listung zur Aufbaustufe Professional Certification – Practitioner bewerben. Der Schwerpunkt von Stufe 2 liegt auf der Vermittlung von anwendungsbezogenen BIM-Kompetenzen für die Bereiche BIM-Koordination und BIM-Management. Ein Foundation-Zertifikat aus Stufe 1 ist Voraussetzung für die Teilnahme an Stufe 2.
Weitere Informationen zum Professional Certification Program
Übersicht über alle zertifizierten Anbieter