Symbolbild BaustelleBild: Adobe Stock
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Kabinett beschließt Bauturbo

In Deutschland soll schneller und einfacher gebaut werden. Dazu hat das Bundeskabinett am 18. Juni 2025 den sogenannten „Bauturbo“ beschlossen, einen Gesetzesentwurf zur Änderung des Baugesetzbuches.

Das Herzstück: § 246e

Konkret geht es um die neue Sonderregelung § 246e. Sie erlaubt weitreichende Abweichungen vom geltenden Bauplanungsrecht. Städte und Gemeinden können selbst entscheiden, ob und in welchem Umfang sie davon Gebrauch machen.

„Davon profitieren kommunale Planungs- und Genehmigungsbehörden, die Bauwirtschaft sowie Bürgerinnen und Bürger – insbesondere in verdichteten Siedlungsgebieten.“
Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, Verena Hubertz

In der Praxis können sie beispielsweise auf die Aufstellung eines Bebauungsplans verzichten. Ein Haus oder ein ganzer Straßenzug darf damit über die bisherigen Maßvorgaben hinaus aufgestockt werden – ohne vorherige Planänderung. Hintergrund: Bebauungsplanverfahren dauern oft sehr lange, in Großstädten im Schnitt fünf Jahre.

Bauturbo braucht BIM

Damit die neuen Spielräume die erwartete Wirkung entfalten können, sind nach Ansicht von buildingSMART Deutschland allerdings mehr als nur Gesetzesänderungen nötig. Digitale Bauwerksmodelle, automatisierte Prüfverfahren und strukturierte Informationsflüsse können dazu beitragen, Genehmigungsprozesse deutlich zu beschleunigen und sie gleichzeitig nachvollziehbarer, konsistenter und besser steuerbar zu machen. Voraussetzung dafür ist, dass diese Daten in offenen, standardisierten Formaten vorliegen und medienbruchfrei genutzt werden können – sowohl innerhalb der Verwaltung als auch im Zusammenspiel mit Planungsbüros, Prüfstellen und Bauunternehmen.

buildingSMART Deutschland sieht hier eine zentrale Aufgabe für den Staat: Er muss digitale Verfahren nicht nur zulassen, sondern auch gezielt fördern, einsetzen und zur Grundlage seines eigenen Verwaltungshandelns machen. Dazu gehört es, technische Standards verbindlich vorzugeben, digitale Prüfprozesse zu ermöglichen und die langfristige Nutzbarkeit der Daten sicherzustellen – etwa für Umnutzung, Nachverdichtung oder die strategische Steuerung von Infrastrukturen.

„Digitale Bauwerksmodelle sind mehr als technische Hilfsmittel – sie schaffen die Datengrundlage für fundierte Entscheidungen über die gebaute Umwelt. Damit daraus Mehrwert entsteht, braucht es Standards, Verbindlichkeit und den politischen Willen, sie auch einzusetzen.“
Prof. Dr.-Ing. Cornelius Preidel, buildingSMART Deutschland

Befristung bis 2030

Die Sonderregelung gilt laut Angaben der Bundesregierung zunächst bis Ende 2030. Bis dahin will das Bauministerium evaluieren, ob das Gesetz den Wohnungsbau wirksam beschleunigt hat.

Die Umwelt soll geschützt bleiben

Außerdem würden Umwelt- und Naturschutzrecht nach Aussage des Ministeriums weiterhin uneingeschränkt gelten. Der neue Paragraf dürfe nur angewendet werden, wenn es der Weiterentwicklung bestehender Bebauung diene – nicht auf der grünen Wiese. Ziel bleibe die Nachverdichtung, nicht die Zersiedelung.

„Der Bauturbo verbindet beide Anliegen miteinander und zeigt: Schnelleres Bauen und Umweltschutz schaffen Lebensqualität – und sind vereinbar. Da ist uns eine gute, schnelle und pragmatische Einigung gelungen.“
 Bundesminister für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit, Carsten Schneider

Verbände: Wohnraum ja – aber bitte flächensparend und sozial gerecht

Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie begrüßt den Gesetzentwurf als erstes starkes Signal. Gleichzeitig stünden nun aber auch die Kommunen in der Verantwortung, die gewonnenen Freiräume wirtschaftlich angemessen und gesellschaftlich sinnvoll in Wohnraum umzusetzen, heißt es in der Pressemitteilung. Ebenso wird positiv hervorgehoben, dass der „Wohnungsbauturbo” nicht vor der Sommerpause in den Bundestag eingebracht werden soll.

Auch die Bundesarchitektenkammer begrüßt die Initiative der Bauministerin zu „Tempo, Technologie und Toleranz“. Sehr kritisch sieht die Kammer allerdings die geplanten Regelungen zu § 246e ohne Baugebot. Diese würden falsche Anreize für kurzsichtige Bauentscheidungen setzen. Andrea Gebhard, Präsidentin der Bundesarchitektenkammer, wird in einer Mitteilung wie folgt zitiert: „Sehr kritisch sehen wir die geplanten Regelungen zu § 246e ohne Baugebot, die falsche Anreize für kurzsichtige Bauentscheidungen setzen. Dass die Mindestzahl von sechs Wohnungen bei Wohnungsneubau im Außenbereich nicht in den Gesetzesentwurf aufgenommen wurde, halten wir für besonders fatal. Das führt zu einer Ausweitung von Flächen ohne Not und im schlimmsten Fall zur Vergoldung von Flächen ohne Wert für die Allgemeinheit. Das hat mit zeitgemäßem, sozial gerechtem Wohnungsbau wenig zu tun.“

Die Bundesingenieurkammer hingegen unterstützt die Maßnahmen zur Novellierung des Baugesetzbuches und den damit erhofften Bauturbo der Bundesministerin Verena Hubertz ausdrücklich. Zugleich wird angemerkt, dass ein Umdenken im Bauwesen, verlässliche finanzielle Rahmenbedingungen und der politische Wille zu Reformen bei Bund und Ländern nötig sind, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Handlungsfähigkeit des Staates in den Bereichen Wohnungswesen und Infrastruktur wieder zurückzugewinnen.

Ebenso begrüßt der Verband Beratender Ingenieure den Bauturbo, auch wenn die Änderung des BauGB nur ein erster Schritt sein könne. In einer Mitteilung heißt es: „Das Gesetz adressiert primär das Bauplanungsrecht, darüber hinaus wird der Wohnungsbau durch Bauordnungsrecht, Immissionsschutz und durch die Dauer der Genehmigungsverfahren gehemmt. Weitere Reformschritte sind daher erforderlich.“ Zudem wird angemerkt, dass die Regelung europarechtskonform ausgestaltet werden müsse. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 18. Juni 2023 (Az.: 4 CN 3.22) entschieden, dass das in § 13b BauGB vorgesehene beschleunigte Verfahren zur Aufstellung von Bebauungsplänen gegen EU-Recht verstößt. Es müsse dafür Sorge getragen werden, dass die vorgeschlagene gesetzliche Regelung auch in Kraft bleiben könne.

Der Gesetzesentwurf wird von Umweltverbänden kritisiert. So sieht der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND) in der Einführung der Sonderregelung für den Wohnungsbau einen Fehlanreiz mit „potenziell gravierenden Konsequenzen für die Siedlungspolitik“. Zudem widerspreche der „Bauturbo“ dem Ziel einer nachhaltigen Bodenpolitik, so der BUND in einer Stellungnahme. „Statt die Flächenneuinanspruchnahme zu reduzieren, wird sie weiter beschleunigt.“ Auch die Deutsche Umwelthilfe betrachtet den „Bauturbo“ als einen „besorgniserregenden Eingriff in die Prinzipien einer nachhaltigen Stadtentwicklung und kommunalen Selbstentwicklung“ und sieht darin eine „ernsthafte Bedrohung für Umwelt-, Klima- und Naturschutz“.