„So wächst das Modell“
Interview mit Annette Broos und Tobias Rager von BIM@School
BIM@School ist ein Projekt von Fachberaterinnen und -beratern aus den Regierungsbezirken Stuttgart, Tübingen, Karlsruhe und Freiburg in Zusammenarbeit mit dem Kultusministerium Baden-Württemberg. Darin ging es darum, BIM-Wissen unter den Lehrenden mit dem Anspruch aufzubauen, die Beruflichen Schulen des Bundeslandes zum Vorreiter bei der Ausbildung mit BIM werden zu lassen. Wir sprachen mit Annette Broos, einer teilnehmenden Lehrerin, und dem Fachberater Tobias Rager über das BIM@School-Projekt.
Frau Broos, Herr Rager, wie kam es zum Pilotprojekt BIM@School und was verbirgt sich dahinter?
Tobias Rager: Wenn die BIM-Methode an unseren Schulen eine Rolle spielte, wurde das Thema eigentlich immer in Referaten von Lehrern oder Schülern abgearbeitet, jedoch nie konkret umgesetzt. Im April 2022 kam es dann aber zu dem Initial, BIM richtig anzupacken, um uns Lehrenden den Themenbereich gut zu erschließen. Dafür bekamen wir vom Kultusministerium grünes Licht.
Was steckt hinter einer solchen konkreten Umsetzung?
Tobias Rager: Ziel war es, das Projekt mit allen Schulen und Regierungsbezirken gemeinsam durchzuziehen. Dabei wurde uns auch klar, dass gerade die beruflichen Schulen BIM gut abbilden können, da in ihnen sämtliche Gewerke vorhanden sind: die Bauzeichner, Bautechniker, Zimmerleute, die Zimmerermeister. Kleinere Schulen und Berufsschulen, die diese Voraussetzungen nicht haben, galt es zu vernetzen.
BIM soll also in der Lehre umgesetzt werden?
Tobias Rager: Auf jeden Fall. Wobei es an Fachschulen einfacher ist, da wir dort nicht an den Rahmenlehrplan gebunden sind. Für die Bauzeichner hingegen ist es nicht so einfach, ein neues Fach anzubieten. Eine Lösung ist hierbei das Angebot eines Wahl-Pflicht-Fachs. Es galt somit auch zu klären: Wo brauchen wir BIM wie? Um hier eine Antwort zu bekommen, mussten wir auch mit der Wirtschaft in Kontakt kommen. Und es brauchte die Multiplikatoren an den Schulen, die entsprechend ausgebildet werden mussten und die das Thema unterstützen.
Wie lange braucht es für eine derartige Implementierung?
Tobias Rager: Wir rechnen für die Entwicklung einer regulären Maßnahme, also die Zeit, bis BIM wirklich standardmäßig an allen Schulen laufen muss, weil es vorgeschrieben wird, mit etwa zwei Jahren.
Ging es in dem Pilotprojekt auch darum, das Thema vom Hochschulbereich zu entkoppeln?
Tobias Rager: Auf jeden Fall. Erst bei der Eingliederung ins BIM Cluster Baden-Württemberg haben wir uns nach ähnlichen Konzepten umgeschaut. Sind dann aber auch schnell zu der Überzeugung gekommen, dass wir ein anderes Projekt wollen, es anders strukturieren möchten. So haben wir beispielsweise festgestellt, dass eine Zertifikatsausbildung aus didaktischer Sicht nicht der richtige Weg ist.
Sie wollen einen direkteren Praxisbezug?
Tobias Rager: Wir bilden einen BIM-Koordinationsprozess vollständig ab. Dabei sollen die Lehrenden direkt ins Machen kommen. Wenn sie einmal diese Reihe an Prozessen durchlaufen haben, haben sie ein gutes Verständnis für den Gesamtprozess. Und erst dann kommt der Zeitpunkt, die Zertifikate nachzuholen.
Zusammengefasst: Es ging in dem Projekt bislang darum, BIM unter die Lehrenden zu bringen?
Annette Broos: Ja, dies ist der erste Schritt. In der Abschlussveranstaltung zu dem Projekt sind aber bereits Ideen für Wege in die Lehre entstanden. So ist zum beispielsweise eine schrittweise Einführung in Teilen möglich, nicht direkt die Umsetzung des gesamten BIM-Prozesses. Zum Beispiel, dass die Bewehrungspläne digital erstellt werden und als IFC an die Stahlbetonbauer geschickt werden, welche dann die Bewehrung tatsächliche erstellen.
Was sind bei der Einführung der großen Herausforderungen?
Annette Broos: Wir haben einen Lehrplan, den wir erfüllen müssen, Prüfungen, auf die wir die Schülerinnen und Schüler vorbereiten müssen. BIM kommt in den Prüfungen nicht vor. Wir können also nicht alles umkrempeln und sagen: Wir machen jetzt nur noch BIM. Wir starten also mit kleinen Bausteinen, die einfach integriert werden können. Und dann kommt hoffentlich bald eine Anpassung des Lehrplans.
Wie war das Feedback ansonsten auf der Abschlussveranstaltung?
Tobias Rager: Alle waren rundum begeistert. Doch wir stehen nun vor der Frage: Ja, und jetzt? Denn alle Kolleginnen und Kollegen gehen nun mit einer motivierten Energie in den Unterricht, die nicht verpuffen soll.
Wie soll das funktionieren, die Weiterentwicklung benötigt ja bestimmt Zeit?
Tobias Rager: Wir haben zwei Bereiche identifiziert, die wir bedienen müssen: Erstens müssen wir zu den einzelnen Bereichen ganz konkret Fortbildungen anbieten – für die Vermessung, das Issue Management oder auch den CAD-Bereich. Zweitens müssen ganz konkrete Maßnahmen entwickelt werden. Bedeutet: Es müssen parallel die entsprechenden Fächer und Inhalte erarbeitet werden, damit diese in zwei Jahren regulär in allen Schulen Einzug halten können. Hierzu sind wir im Kontakt mit dem Kultusministerium, um nun ein zweites Projekt zu starten. Darin sollen die Lehrenden nicht wieder geschult werden, sondern die Lehrenden sollen BIM-Unterricht mit den Schülerinnen und Schülern machen. Das bedeutet aber, dass die Lehrenden Kapazitäten erhalten, um die Arbeitsunterlagen zu erstellen, die Arbeitsumgebungen zu schaffen usw. Das ist kaum möglich, sodass wir sagen: Wir stellen all das zur Verfügung: die Arbeitsunterlagen, die Lizenzen und Arbeitsumgebungen, wir geben Zeitplanungen vor und wir sagen, welche Schulen zusammenarbeiten, und wir bieten Sprechstunden für die Kolleginnen und Kollegen an. Ein Beispiel für ein solches Projekt: Die Bauzeichner bekommen zwei Monate Zeit zur Erstellung eines Hüllenmodells, das dann an die Technikerklassen weitergegeben wird; die Technikerklassen sind in der BIM-Koordinationsrolle, die das Modell an die Zimmerleute weitergeben, die den Holz-Anteil bedienen und das Modell dann wieder zur Prüfung an die Technikerklassen zurückgeben. So wächst das Modell.
Und welche Resonanz kommt aus der Wirtschaft von den Unternehmen?
Tobias Rager: Von denjenigen Unternehmen, die BIM anwenden, sind die Rückmeldungen gut. Doch all die Unternehmen aus dem ländlichen Bereich, deren Auszubildende zu uns kommen, sagen: Wie BIM, wir zeichnen doch 2D? Auch dies ist im Kontext der BIM-Einführung zu beachten. Dass wir mit BIM anfangen, finden aber prinzipiell alle gut.
Das Projekt ist somit eventuell auch der Start für manche Unternehmen, sich mit BIM zu beschäftigen?
Tobias Rager: Absolut. Und darüber freue ich mich sehr, da oftmals den Schulen ja starre Strukturen nachgesagt werden. Doch jetzt sind wir es, die die Wirtschaft etwas anstupsen.
Annette Broos: Wobei noch beobachtet werden muss, wie sich die Unternehmen tatsächlich beeinflussen lassen. Ich lasse bei den Bauzeichnern seit jeher schon in 3D zeichnen, doch in vielen Betrieben bleibt es nichtdestotrotz bei 2D.
Frau Broos, Herr Rager, vielen herzlichen Dank für das Gespräch.
Zu den Personen:
Annette Broos absolvierte erfolgreich eine Ausbildung zur Bauzeichnerin und ein Architekturstudium in Stuttgart. Anschließend arbeitete sich zehn Jahre als Architektin im In- und Ausland. 2014 wechselte sie als Studienrätin an die Technische Schule Aalen.
Tobias Rager ist Fachberater für Unterrichtsentwicklung. Im Rahmen dieser Tätigkeit gehört es zu seinen Aufgaben, den technologischen Wandel und auch den Wandel in der Arbeitswelt in die Ausbildung einfließen zu lassen und entsprechend die Lehre anzupassen. In seiner Funktion ist er zudem Vorsitzender des Landesfachteams in Baden-Württemberg, das für sämtliche Fortbildungen im Baubereich zuständig ist – an 30 bis 40 Schulen wird Bauen unterrichtet.