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Künstliche Intelligenz praktisch nutzen

Wie kann der Einsatz von KI auf dem Bau optimiert werden?

Stefan Kaufmann

Trotz des zunehmenden Einsatzes digitaler Methoden hat die Baubranche immer wieder mit Herausforderungen wie Zeit- und Kostenüberschreitungen zu kämpfen. Neben der digitalen Planung mit BIM kann der Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) das Potenzial der Digitalisierung weiter optimieren.

Eine Studie des McKinsey Global Institute (MGI, 2018) hat das wirtschaftliche Potenzial künstlicher Intelligenz über Länder und Branchen hinweg unter die Lupe genommen. Darin wird prognostiziert, dass durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz bis 2030 ein zusätzlicher globaler Wertschöpfungsbeitrag in Höhe von 13 Billionen US-Dollar möglich wäre. Ein riesiges wirtschaftliches Potenzial also, das in einigen Branchen bereits genutzt wird. Spezifische Prognosen für die Baubranche gehen davon aus, dass der Markt für künstliche Intelligenz bis 2026 rund 3,7 Mrd. Euro ausmachen wird.

Die Notwendigkeit, Projekte mit weniger Ressourcen erfolgreich durchzuführen, hat dazu geführt, dass künstliche Intelligenz und insbesondere das sogenannte maschinelle Lernen immer mehr genutzt werden. KI-Methoden – wie beispielsweise das generative Design – werden heute bereits in der Entwurfsphase genutzt. Es schafft in einem Bruchteil der bisher benötigten Zeit Tausende Entwurfsvarianten, aus denen der Designer zur weiteren Ausarbeitung wählt, um den Kundenanforderungen gerecht zu werden.

In Zukunft könnte der Einsatz von KI bei der Planung manuelle Aufgaben auf ein Minimum reduzieren, sodass Planungsdienstleistungen schneller, flexibler und qualitativ hochwertiger angeboten werden können.

Keine andere neu aufkommende Technologie hat derzeit wohl ein vergleichbares Potenzial, um die Wertschöpfungskette Bau zu verändern, wie die KI. Da Daten dank BIM eine immer wichtigere Rolle im Entwurfs-, Bau- und Betriebsprozess spielen, ist die Nutzung der Möglichkeiten der KI zur weiteren Effizienzsteigerung und Erfüllung der Nutzeranforderungen der nächste logische Schritt in der Entwicklung der AEC-Branche (Architecture, Engineering und Construction).

Erste Projekte zeigen bereits, welche Potenziale im maschinellen Lernen stecken.

DeepLinkage: Pläne und Modelle verschmelzen zu einer gemeinsamen graphischen Datengrundlage

Obwohl immer mehr Planer, Bauunternehmer und Facility Manager vom Nutzen von BIM überzeugt sind und ihre Digitalisierungsstrategie daran ausrichten, bleibt die vollständig modellbasierte Arbeitsweise aller Beteiligter über den gesamten Bauwerkslebenszyklus auf absehbare Zeit noch eine Vision. Von Projektpartnern wird das Bauwerk graphisch wahlweise dreidimensional oder Mittels Plänen beschrieben. Die manuelle Sicherstellung der Konsistenz der Bauwerksdaten ist ein erheblicher Zeit- und Kostenfaktor. Inkonsistenzen und Risiken werden in Kauf genommen.

KI könnte hier in Zukunft Lösungen bieten. Im Rahmen eines dreijährigen Forschungsprojekts am Leonhard Obermeyer Centers der Technischen Universität München (TUM) ist, unterstützt von Allplan, ein KI-gestütztes Verfahren entwickelt worden, das Objekte auf Plänen erkennt und ähnlich wie im BIM-Modell semantisch beschreibt. Das Ergebnis sind smarte Pläne, die die Grundlage für automatisierte Konsistenzprüfungen mit Plänen und BIM-Modellen bilden.

Institut für Künstliche Intelligenz im Bauwesen

Das Potenzial der KI weiterzuentwickeln und in die Praxis umzusetzen, steht auch im Mittelpunkt des an der TUM gegründeten „TUM Georg Nemetschek Institute Artificial Intelligence for the Built World (GNI)“, einem weltweit einzigartigen Institut für KI im Bauwesen. Es soll als Schnittstelle zwischen Forschung, Lehre und Innovation zur Anwendung von KI im gesamten Lebenszyklus von Gebäuden und Infrastrukturbauwerken dienen. Maßgeblich unterstützt wird es dabei in den nächsten zehn Jahren mit rund 50 Mio. Euro Fördergeldern von der Nemetschek Innovationsstiftung.

Am GNI entsteht IT-Technologie der nächsten Generation, die sowohl für die Digitalisierung im Allgemeinen als auch für die AECOM-Branche (Architecture, Engineering, Consulting, Operations und Maintenance) im Speziellen von strategischer Bedeutung sein werden. Durch die Nutzung von Big Data, Datenanalysen und maschinellem Lernen wird sich KI für die gebaute Umwelt als Schlüsseltechnologie im Planen, Bauen und Nutzen etablieren.

Maschinelles Lernen unterscheidet sich dabei grundlegend von den Methoden, mit denen die Bausoftwareindustrie in den vergangenen 60 Jahren Lösungen entwickelt hat. Während mit BIM Bauwerksinformationen hoch strukturiert werden, hilft KI, auch unstrukturierte Daten zum Beispiel in Bauplänen, Sprache oder Sensordatenreihen höchst effizient zu verarbeiten.

Probleme, die vor 15 Jahren technisch noch als unlösbar galten, wie das sichere Fahren autonomer Baustellenfahrzeuge, können mit Hilfe von maschinellem Lernen heute gelöst werden. KI wird daher selbstverständlich in Zukunft auch in Bauprojekten breit eingesetzt. Sie erhöht, unbemerkt vom Anwender, auf vielfältige Art den Wert und die Qualität der Bauwerke.

Aktuell forschen am GNI drei interdisziplinäre Teams:

1. Künstliche Intelligenz für die automatische Erstellung von digitalen Zwillingen der gebauten Welt

Digitale Gebäudedaten sind entlang der Lieferkette auf viele Orte verteilt und werden beispielsweise durch digitale Pläne, Modelle, Punktwolken, Raumbücher und Stadtmodelle auf unterschiedliche Arten beschrieben. Das Konzept des „Single Point of Truth“ stellt beim Verwalten von Bauwerksdaten daher keinen praktikablen Ansatz dar. Ziel des Projekts ist es nicht, einen einzigen monolithischen digitalen Zwilling zu schaffen, sondern ein System von miteinander verknüpften Zwillingen in verschiedenen Maßstäben. Es soll Stadt-, Stadtteil-, Gebäude- und Elementmodelle nahtlos integrieren sowie diese aktuell und konsistent halten.

Zu diesem Zweck forschen die Wissenschaftler des GNI an einem Multiskalen-, Multisensor- und Multimethoden-Ansatz, der terrestrische, luft- und raumgestützte Erfassung, verschiedene Sensoren (sichtbare, thermische, LiDAR, Radar) und Verarbeitungsmethoden kombiniert.

Das Schlüsselkonzept dieses Vorschlags stellt einen bahnbrechenden Fortschritt dar. Die Innovation liegt in der Ableitung von Gebäudeinformationen und der intelligenten Verschmelzung der daraus resultierenden Informationen durch KI-basierte Methoden. Dabei werden Informationslücken geschlossen und die Vollständigkeit, Genauigkeit und Zuverlässigkeit der resultierenden digitalen Zwillinge erhöht.

Um den Prozess zu vereinfachen und die Ergebnisse zu verbessern, soll mit Hilfe von maschinellem Lernen Expertenwissen über Design und Konstruktion von Gebäuden integriert werden. Als Test- und Demonstrationsszenario dient die Münchner Innenstadt, ein Gebiet rund um den zentralen TUM-Campus, in dem bereits große Datensätze über den Gebäudebestand verfügbar sind.

2. Künstliche Intelligenz für intelligente Planung und Prüfung von Zement und Beton

Zement und Beton gehören zu den am häufigsten verwendeten Materialien in unserer gebauten Umwelt. Sie sind frei formbar und bei richtiger Verarbeitung besonders wartungsarm und langlebig. Ihre Verwendung verursacht enorme CO2-Emissionen, nicht nur wegen der großen Menge der jährlich verarbeiteten Materialien, sondern auch wegen des hohen Energieverbrauchs bei Herstellung und Transport. Daher ist es von größter Bedeutung, effiziente Entwurfs- und Prüfverfahren zu entwickeln, die die Langlebigkeit und bestmögliche Nachhaltigkeit von Bauteilen aus diesen Materialien gewährleisten.

Aussagen über die Verschlechterung der Betonqualität während der Nutzung des Bauwerkes können anhand der Charakteristik des Luftporensystems getroffen werden, das insbesondere Gas- und Feuchtigkeitstransportmechanismen im Bauteil beeinflusst. Dazu sollen anhand von Fotos der Betonoberfläche mit Hilfe von Methoden der KI die Porengröße ermittelt werden. Durch die Vorhersage der Leistungsfähigkeit von SCM-haltigen Komposit-Zementen soll die Anwendung solch umweltfreundlicher Materialien in Zukunft erleichtert und ein signifikanter Beitrag zu nachhaltigem Bauen geleistet werden.

3. Intelligente Infrastrukturwartung mit Deep Reinforcement Learning

Die Instandhaltung ziviler Infrastruktursysteme, einschließlich der Verkehrs-, Energie- und Wassernetze, ist für die Gesellschaft mit hohen Kosten verbunden. Gegenwärtig basiert die Planung von Instandhaltungsmaßnahmen (einschließlich Inspektionen) hauptsächlich auf einer Kombination aus festen Regeln und Ad-hoc-Optimierung. Eine Verbesserung der Instandhaltungsprozesse durch den Einsatz von digitalen Methoden ist eine Herausforderung, da der Zustand der Infrastrukturkomponenten mit erheblichen Unsicherheiten behaftet ist und eine große Anzahl von Parametern, Wechselwirkungen und Einschränkungen, einschließlich Zuverlässigkeits- und Sicherheitsanforderungen, besteht.

Die Planung der Infrastrukturinstandhaltung gehört in den Bereich der sequenziellen Entscheidungsfindung, bei der Entscheidungen unter Unsicherheit nacheinander getroffen werden. Solche Optimierungsprobleme sind anspruchsvoll. In den vergangenen Jahren hat sich jedoch das Deep Reinforcement Learning (DRL) als immer leistungsfähiger für die Lösung dieser Problemklasse erwiesen. DRL nutzt tiefe neuronale Netze und scheint sich gut für die Anwendung auf die Planung der Infrastrukturwartung zu eignen. Um den Weg der wissenschaftlichen Fortschritte in die Praxis zu beschleunigen, ist geplant, mit Infrastruktureigentümern und -betreibern zusammenzuarbeiten und die entwickelten Methoden an Gas- und Straßennetzen zu demonstrieren.

Autor/in

Stefan Kaufmann

Stefan Kaufmann

ALLPLAN

Stefan Kaufmann durchlief nach seinem Studium der Architektur mit Fokus auf BIM verschiedene Stationen im Laufe seiner akademischen Karriere an der TU München und als Geschäftsführer des Leonhard Obermeyer Centers (LOC). Seit 2018 ist Stefan Kaufmann als Product Manager BIM Strategy and New Technologies bei der ALLPLAN GmbH tätig. Stefan Kaufmann ist Mitglied des Advisory Board des buildingSMART Deutschland e.V. (allplan.com)