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 | Interview & Meinung

It's a Mans World – forever and ever?

Das Baugeschäft ist immer noch ein Männergeschäft – zum Schaden aller

Bianca Christina Weber-Lewerenz

Die Baubranche erstickt am eigenen Machogehabe. Mehr Frauen am Bau? Eher residiert in Rom eine Päpstin. Lohn des Gegockels: Niedrige Produktivität bei hohem Arbeitskräftemangel. Bianca Christina Weber-Lewerenz listet die fatalen Folgen der erzkonservativen Good-Old-Boys-Netzwerke auf – und hält ein leidenschaftliches Plädoyer für mehr Diversität.

Trotz guter Auftragslage sind Bauunternehmen anhaltendem Kostendruck und Fachkräftemangel ausgesetzt. Digitale Technologien und Künstliche Intelligenz (KI) verbessern die betriebliche Effizienz, bieten neue Geschäftsmodelle und sorgen für Ausbildungen neuer Qualifikationsanforderungen, die neuen Berufsbildern entsprechen. Die Bauwirtschaft stellt die Schlüsselbranche in Deutschland. Sie spielt eine wichtige volkswirtschaftliche Rolle, beispielsweise fügten Bauinvestitionen der deutschen Wirtschaft im Jahr 2020 mehr als 387 Mrd. Euro hinzu – der höchste Stand seit der Rezession 2008 (Quelle: Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e. V., 2021).

Rund zehn Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts werden für Baumaßnahmen verwendet. Im Jahr 2020 lag der Anteil der Bruttowertschöpfung des Baugewerbes in Deutschland bei rund 6,1 Prozent an der gesamtwirtschaftlichen Bruttowertschöpfung Deutschlands. Mit fast zwei Millionen Beschäftigten stützt das Bauwesen in der Corona-Krise die Gesamtwirtschaft, ist aber für 38 Prozent der gesamten globalen energiebezogenen CO2-Emissionen verantwortlich.

Energie und Klima, Digitalisierung und Fachkräftebedarf betreffen die Bauwirtschaft direkt. Die Branche könnte erheblich profitieren, wenn sie die strategischen Entscheidungsprozesse, Planungs- und Betriebsphasen effizienter umsetzt, indem sie sowohl digitale Technologien als auch Methoden der KI in unterschiedlicheren Umgebungen standardisiert, gepusht durch gesetzliche Regelungen. Kurzum, Vielfalt und eine neue Denkkultur sind essenziell für das zukunftsweisende Portfolio im Bauwesen, um die digitale Transformation ganzheitlich, erfolgreich und nachhaltig zu gestalten. Dennoch fehlt es am Erkennen von Potenzialen neuer Technologien, an Mut und Wille zu deren Anwendungen, an Diversität.

Die digitale Transformation ist nicht exklusiv männlich

Frauen stärken das öffentliche Vertrauen in KI, ihre Kommunikationsstärke, Transparenz und Netzwerkbreite sprechen als eigenständiges Merkmal für den Erfolg des weiblichen Führungspotenzials. Dies ist umso wichtiger in einer Branche wie dem Baugewerbe, die einen sehr hohen Anteil an der Wirtschaft hat, aber hinter Digitalisierung und KI, Vielfalt und Inklusion zurückbleibt. Das Baugewerbe gilt als traditionell konservative, männerdominierte Branche mit der Einstellung „Machen wir es wie immer“, „Es läuft doch“ und „Wir brauchen starken Mann vor Ort“.

Good-Old-Boys-Netzwerke und das Gatekeeping haben eine lange Tradition. In den vergangenen Jahren musste die Branche einen deutlichen Rückgang der Fachkräfte hinnehmen. Die digitale Transformation schafft die Voraussetzungen für disruptive Reformen und Veränderungen, um Frauen einzubeziehen, sie für das Studium von MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) zu gewinnen und neue Karrierewege zu bieten.

Dennoch gibt es Vorurteile und fehlende Vorbilder, obwohl die Baubranche nicht auf die Qualifikation, das Know-how und das sozialkommunikative digitale High-Potential von Frauen verzichten kann. Um den technologischen Fortschritt, der neue Geschäftsmodelle ermöglicht, grundlegend neu zu denken und nachhaltig mit der Digitalisierung Schritt zu halten, sind alle Beteiligten gefordert, Best Skills, Diversity und Inclusion zu fördern. Somit beschleunigt der digitale Wandel das Zusammenwachsen dieser bisher getrennt arbeitenden Einheiten zusätzlich. Der Nachweis von harten Fakten wie der Steigerung der Wirtschaftlichkeit (ROI) und der Gesamtexzellenz in der digitalen Unternehmenskultur rationalisieren die Genderdiskussion.

Der Handlungsbedarf ist hoch: Steigerung des viel zu geringen Frauenanteils im Bauwesen, Begeisterung für mehr weibliche Studenten im Bauingenieurwesen (Abb. 1), hin zu mehr weiblichen Mandaten und Vorständen (Abb. 2) und Schließung der noch gravierenden Geschlechterlücken in KI-Berufsfeldern (Abb. 3).

Unternehmen, die die Gleichstellung der Geschlechter bei ihren Einstellungspraktiken und in ihrer Belegschaft priorisieren, erzielen 41 Prozent mehr Umsatz als diejenigen, die das nicht tun. McKinsey & Company stellte fest, dass Unternehmen mit unterschiedlichen Führungsteams mit 21 Prozent höherer Wahrscheinlichkeit als ihre Kollegen die Rentabilität übertreffen. Außerdem war die Wahrscheinlichkeit, dass sie Wert schaffen und liefern, um 27 Prozent höher (McKinsey & Company, 2020).

Laut einer McKinsey & Company Studie aus dem Jahr 2015 verdreifacht KI-gesteuerte Talentintelligenz sofort die Vielfalt des Talentpools und senkt gleichzeitig die Rekrutierungskosten um bis zu 60 Prozent; diverse Teams sind 35 Prozent profitabler und 1,7-mal innovativer. Interviewpools mit einer Diversität von mindestens 40 Prozent optimieren tendenziell die Einstellungsprozesse.

Das Handwerk braucht Mut, Innovationswille – und Diversität

KI ist das Ergebnis menschlicher Intelligenz, ermöglicht durch ihre enormen Talente und auch anfällig für ihre Grenzen. Daher ist es unerlässlich, dass alle Teams, die in Technologie und KI arbeiten, so vielfältig wie möglich sind. Vielfalt von Menschen bedeutet nicht nur das Offensichtliche in Bezug auf Demografie wie Rasse, ethnische Zugehörigkeit, Geschlecht und Alter, sondern Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten, Erfahrungen, Bildungshintergründen, kulturellen und geografischen Perspektiven, Denk- und Arbeitsweisen.

Die digitale Transformation birgt ein hohes Potenzial, um den Lebenszyklus von Bauprojekten wirtschaftlich und effizient zu gestalten und den größtmöglichen gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und den Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen zu ermöglichen. Das digitale Zeitalter erfordert jedoch die Stärkung strategischer Werte für ein integrativeres Umfeld und das Gemeinwohl. Gender Mainstreaming stellt die Antwort dar, da dieses Konzept der Gleichstellung der Geschlechter auf allen gesellschaftlichen und politischen Ebenen die Interessen von Frauen und Männern grundsätzlich und systematisch berücksichtigt.

Mut und Innovationswille – beides erwartet man gerade vom Handwerk, wo viel Stärke, Selbstbewusstsein und Potenziale liegen. Vielfältiges Wissen und Können sowie unterschiedliche Stärken sind notwendig, um die Herausforderungen anzupacken. Sie sind der Schlüssel zum Erfolg und um Entscheidungen abzuwägen und Potenziale auszuschöpfen. Wo technische Machbarkeit und gesellschaftliche Verantwortung aufeinanderstoßen, entsteht ein Spannungsfeld. Der besonders hohe Fachkräftemangel, Attraktivitätsverluste von Unternehmern bei Bewerbern, der weiter zunehmende Druck im globalen Wettbewerb und der stärker notwendige fachübergreifende Dialog machen den Handlungsbedarf deutlich.

Mit Vielfalt im fachlichen und fachübergreifenden Know-how, durch diverse Backgrounds, Kommunikation, die Menschen mitnimmt, einer guten Mischung aus persönlichen und sozialen Stärken wird menschliche und technische Transformation mit Leben gefüllt und die digitale Ära nachhaltig gestaltet. Die digitale Ära birgt Chancen und Risiken. Diversität führt zum Erfolg.

Es bedarf viel Pflege und Behutsamkeit, um für sich herauszufinden, welche Technologie wie und wo den Menschen bzw. Unternehmen hilft, wo sie die Arbeit unterstützen und wesentlich erleichtern, wie sie zunutze gemacht werden können (und müssen), um neue Weg zu eröffnen. Bis heute mangelt es nicht an technischer Entwicklung, insbesondere im Bauwesen. Wir leben und arbeiten in einer komplexen Umgebung. Mehr Daten, mehr Technik, mehr Aufgaben, mehr Schnittstellen, mehr Fachkollegen. Wir widmen uns leidenschaftlich den täglichen Arbeitsthemen, aber auch der Gestaltung unserer gemeinsamen Zukunft. Denn wir Menschen gestalten unsere Umwelt, in der wir leben und arbeiten.

Dabei agieren wir in folgenden Spannungsfeldern: zwischen technisch Machbarem und ethischer Verantwortung, digitalem Wandel und humanem Wandel, innovativen Technologien und gesellschaftlichen Erwartungen.

Zwei Thesen seien genannt:

  • Digitalisierung führt nicht automatisch zu mehr Vielfalt
  • Die Technik löst auch nicht unsere gesellschaftlichen Probleme

Wir wollen Wert schaffen, wir wollen sinnvolle Technik, die uns Menschen unterstützt, wir wollen komplette Daten und von höchster Qualität, um KI diskriminierungsfrei zu gestalten. Gleichzeitig sind wir umgeben von einer komplexen Datenwelt und ständig neuen Anforderungen in einer wenig agilen Umgebung. Es fehlen Wissen (nicht nur im Baufach, auch über Fachgrenzen hinweg: Think outside the box) und qualifizierte Fachkräfte (bei 33,5 Prozent der Betriebe im Hochbau, im Tiefbau sogar 37,9 Prozent. Quelle: Bauindustrie Statistik, Sept 2021). Der demografische Wandel belegte im Oktober 2021: Es gibt mehr Rentner als Auszubildende und Studenten.

Viele Arbeitskräfte im Baugewerbe sind nicht gleichermaßen mit Digitalisierung und KI vertraut oder sich deren Potenziale, aber auch ungewollter Auswirkungen bewusst. Um die genannten Spannungsfelder zu entwirren, gibt es einen Schlüsselfaktor: Diversität und ein Wandel der Denkkultur.

Der Druck ist bereits vorhanden:

  1. Unternehmen müssen Nachweis über ihr gesellschaftliches Engagement liefern und darüber, wie sie ihrer Verantwortung und Inklusion nachkommen.
  2. Nur als attraktiver Arbeitgeber gelingt die Gewinnung neuer Fachkräfte mit neuem Wissen.
  3. Es gilt, das Vertrauen der Stakeholder, Mitarbeiter und Kunden zu bekräftigen, indem insbesondere immaterielle Werte in Geschäftsberichten ausgewiesen werden.

Aktuelle Beispiele für Diversität und das erfolgreiche Gelingen fachübergreifenden Miteinanders für technische Innovation am Bau sind:

  1. Der deutsche Pavillon zur EXPO2021 in Dubai: alle Stärken gebündelt, divers, talentiert. Integrativ-Miteinander-Einander zugewandt Wissen und Stärken geteilt.
  2. Das weltweit erste adaptive Hochhaus der Universität Stuttgart, das zu Forschungszwecken genutzt wird, fachübergreifendes Wissen zusammenführt, z. B. aus Ingenieurbau und Maschinenbau: Hydraulikzylinder werden in Stützen integriert und sind Teil von 128 Messstellen, um u. a. Umwelteinflüsse auf das Gebäude messbar zu machen.

In der Berliner Erklärung bei der 68. Bundesingenieurkammer-Versammlung im Oktober 2021 wird festgestellt: „Ingenieurkompetenz ist ein unverzichtbarer Wert für die Gestaltung unserer Umwelt …Nachhaltigkeit …. ein Muss: den gesamten Lebenszyklus von Bauwerken zu betrachten ….“

Unter dem Motto „Stadt, Land, Bau – Wir können mehr als bauen!“ drehte sich beim Tag der Bauindustrie 2021 alles um Innovationskraft, Wertschöpfung, wie „Baustellen zu neuen Vorbildern werden“ (Baustelle für alle, European Green Deal).

Vielfalt ist ein Thema, das anregt, das berührt, in Schwingung versetzt. Wo steckt also die Vielfalt, die unseren Erfolg am Bau ausmacht?

  • Vielfalt sorgt für Ausgewogenheit und stiftet Werte
  • Vielfalt bedeutet viele Aspekte zuzulassen, zuzuhören, verlangt Achtsamkeit, Empathie, Respekt
  • Vielfalt hilft zu ausgewogenen Entscheidungen (= viele Stärken, sie ergänzen sich, brauchen einander, können nicht ohne einander)
  • Wissen aus vielen Fächern, fachliche Vielfalt, die zusammenkommt
  • Komplexität an Know-How, Daten, Menschen, Anforderungen, Erwartungen, ständig neue Technik und Möglichkeiten, Umweltgegebenheiten im Wechsel
  • Vielfalt an Schnittstellen, an denen wir dieses Wissen austauschen; in Zeiten von Digitalisierung und KI ist Diversität unabdingbar, um diese technologische Unterstützung des Menschen geschlechtsunabhängig zu gestalten
  • Neue Berufsbilder, neue Aufgabenfelder, neue fachliche und persönliche Qualifikationen, Anpassung der Curricula und Lehrkräftequalifikationen
  • Anpassung der Ausbildung: Lehrqualifikation, Zugang zur Bildung, Zugang zu Medien und digitalen Arbeitsmedien, Information
  • Schnittstellenkompetenzen (weit über Fachgrenzen hinaus), breit aufgestellte Netzwerke, Zusammenarbeit in diversen Teams (sich ergänzen, Perspektivwechsel)
  • Vorbilder, Role Models, Best Practices sind zur Genüge vorhanden (erfolgreiche Unternehmen, Forschungen, Innovationen werden von Frauen geführt = Statistiken belegen, wo und wie Frauen Motor und Schlüsselfaktoren für technische Innovationen und unternehmerische Erfolge sind)
  • Land und Kultur, aus der ich komme, Fachdisziplin, Können und Wissen, Stärken, Erfahrungswerte, Perspektiven und Betrachtungsweisen
  • Vielfalt stiftet ein Zusammenkommen an Können, an Stärken; gemeinsame Suche nach gangbaren Wegen und konkreten Ansätzen

Vielfalt verbindet uns und schenkt Vertrauen, stiftet gegenseitige fachliche Ergänzung und unterstützt lebenslanges Lernen. Vertrauen, Sicherheit, Bewusstsein, Aufklärung, das sind die Bausteine, um neue Technologien zu verstehen und anzuwenden. buildingSMART stellt sich den Herausforderungen unserer Zeit, indem es seinen Mitgliedern dazu konkrete Ansätze liefert und dabei stets praxisverbunden bleibt.

Mit Blick auf die 2 Thesen: Digitalisierung führt nicht automatisch zu mehr Vielfalt. Die Technik löst auch nicht unsere gesellschaftlichen Probleme.

Die deutsche Bauhandwerkskunst und Ingenieurskunst gelten im Ausland als Vorbild. Diese weiterhin zu stärken, zu leben, vorzuleben – das strahlt auf unsere Partner in aller Welt. Dieses Bewusstsein, wie wir von außen geschätzt werden, welche Erwartung sich gleichermaßen an uns richten, wie wir uns am Bau als Gestalter unserer Welt immer wieder herausfordern, ist Motivator und Verantwortung zugleich, unser Können zu wahren und stetig auszubauen. Neue Technologien bieten eine historische Chance. Es gilt, den Ruf des Bauwesens unter Beweis zu stellen.

Strategien auf nationaler, europäischer und globaler Ebene treiben die Vielfalt, Geschlechterfragen, Inklusion zu mehr Innovation in der KI und im digitalen Wandel an. Statistiken der AllBright Foundation 2021 belegen, dass Corporate Governance Codes oder Ethikcodes nicht halb so wirkungsvoll sind wie eine Unternehmensführung, die diese Werte in einer diversen Unternehmenskultur vorlebt.

Die Bauwirtschaft, die als eine der konservativsten, männerdominierten Branchen gilt, ist das beste Beispiel für einen längst überfälligen dynamischen Restrukturierungs- und Handlungsbedarf in Bezug auf eine vielfältigere Umgebung. Wichtigster Katalysator ist Diversität in allen sozialen, digitalen und geschäftlichen Transformationsprozessen.

Calls for Action

Die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (2016) – UN SDGs

  • Frauenrechtskonvention der Vereinten Nationen (1981)
  • Die Päpstliche Akademie für das Leben in Rom (2020) – Rome Call for AI Ethics Guideline
  • Digitale Inklusionsstrategien von UNESCO, UNICEF, Weltwirtschaftsforum
  • Gleichstellungsstrategie 2020-2025 der Europäischen Union (Union of Equality)
  • Europäische Kommission (2020) Weißbuch über Künstliche Intelligenz – Ein europäischer Ansatz für Exzellenz und Vertrauen (weltweit erster Vorschlag für einen Rechtsrahmen für KI)
  • Europäische Kommission (2021) Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates: Harmonisierte Vorschriften zu KI (Gesetz über künstliche Intelligenz) und zur Änderung bestimmter Rechtsakte der Union
  • Europäische Digitalstrategie 2030
  • Enquête-Kommission des Deutschen Bundestages „Künstliche Intelligenz – Gesellschaftliche Verantwortung und wirtschaftliche, soziale und ökologische Potenziale“
  • Daten-Ethik-Kommission der Bundesregierung (2019) Gutachten zur Datenethik
  • KI-Strategie der Bundesregierung
  • Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur BMVI (2017) – Umsetzung der schrittweisen digitalen Planung und Konstruktion

Für den Erfolg im digitalen Zeitalter braucht es einen Ruck und disruptive Innovationen und Technologien – ermöglicht durch die fachübergreifende Vernetzung in einer offenen Unternehmenskultur, in der die Unternehmenslenker diese vorleben. Ausgewogene Entscheidungen und das volle Ausschöpfen von Potenzialen sind nur möglich, wenn die Vor- und Nachteile digitaler Methoden und KI abgewogen, für mehr Transparenz und Datenstruktur genutzt und als Chance begriffen werden. Beispielsweise um sich als Unternehmen ein Alleinstellungsmerkmal im globalen Wettbewerb zu schaffen. In Unternehmen ist die langfristige Personalförderung eines der Hauptaugenmerke und zählt zu den Ansätzen für die praktische Umsetzung von Diversität (siehe Call for Action).

Neue Ansätze zur Umsetzung von Diversität

  • Vorbildrolle von Frauen in den sozialen, digitalen und geschäftlichen Transformationsprozessen
  • Ermöglichen von neuen datengesteuerten Technologien und KI
  • Vielfältige, integrative Umgebungen = Grundlage für erfolgreiche, nachhaltige Wege
  • Überbrücken der derzeitigen Kluft zwischen Diskussion und praktischer Umsetzung
  • Verantwortungsvolle Führung, Diversitätsmandat, Ethikrat
  • Diverse Unternehmenskultur und Unternehmensführung, die Vielfalt vorlebt
  • Gesetzliche Regelungen in Ergänzung zu unternehmerischer Eigenverantwortung
  • Schlüsselkompetenzen, qualifiziertes Personal, angepasste Studienpläne
  • Anteil an der Wertschöpfungskette erhöhen
  • Ausgerichtet auf das Gemeinwohl und die Nachhaltigkeitsziele
  • Renommee im Ausland: Eine transparente und ethische KI – Made in Germany

Eine der Kernaufgaben im digitalen Zeitalter für Entscheidungsträger im gesellschaftlichen, politischen, sozialen und unternehmerischen Umfeld ist es, den Nutzen von KI zu erkennen und diesen verantwortungsbewusst und moralisch vertretbar zu operationalisieren. Die ethischen Komponenten der Diversität sind maßgeblich für die diskriminierungsfreie Gestaltung von KI. Fortschritt hilft Kreativität zu entfalten und Lebensqualität zu verbessern. Weil es in technischen Entscheidungsfindungsprozessen um das Bewerten und Abwägen von Vor- und Nachteilen, Chancen und Schaden geht, besitzen Diskriminierungsfreiheit und Gleichheit oberste Priorität. Für buildingSMART bedeutet es Auftrag und Ermutigung, dem Schlüsselfaktor Diversität stärker nachzugehen.

Ausblick und Wertakzente für die Baukultur 4.0

Vielfältige, integrative Arbeitsgruppen sorgen für Perspektivenvielfalt und damit für einen Qualitätsschub für Forschung und Entwicklung. Die grundsätzlich notwendige Diskussion rund um die Vielfalt und den humanen Wandel im Bauwesen könnte nicht besser eingebettet sein als im digitalen Transformationsprozess.

Technik schafft neue Gestaltungs- und Handlungsmöglichkeiten. Dabei gilt es, den sinnvollen Einsatz von KI zu lokalisieren, umzusetzen, zu kontrollieren, zu bewahren und zu schützen. Es ist von entscheidender Bedeutung, einen Rahmen von Regeln und bewährten Verfahren zu implementieren und durchzusetzen, dass bei der Einführung von KI-Tools durch Unternehmen eine klare Notwendigkeit besteht, transparent zu sein, wie die Algorithmen entworfen werden, und zu identifizieren, wer an der Ausarbeitung der Software beteiligt ist und wie sie funktionieren.

Es wird notwendig sein, eine Reihe von Grundsätzen der digitalen Ethik zu verabschieden, um Diversität und Gleichstellung der Geschlechter zu gewährleisten, den Datenschutz und Datensicherheit zu gewährleisten – weit über die allgemeinen Regelungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) hinausgehend, aber auch die Annahme transparenterer Maßnahmen zu fördern (z. B. der im Jahr 2021 verabschiedete IEEE Standard P7003 zur Vermeidung von Algorithmen-Bias, algorithmische Prüfung fairer, geschlechtsunabhängiger Behandlung).

Ethisch vertretbare Produkte sind regelmäßig wettbewerbsfähiger, und der verantwortungsvolle Umgang mit Digitalisierung und KI lässt sich nur durch Diversität bewerkstelligen. Die Menschen, die das Bauingenieurswesen mit Leben füllen, sind gefordert, radikal umzudenken, innovativen Technologien offen zu begegnen, fachliche persönliche Kompetenzen daran auszurichten und neu aufzubauen. Der Diskurs über die Gestaltung der Unternehmensverantwortung in der digitalen Gesellschaft erfordert eine neue Qualität der Auseinandersetzung. Die Umsetzung dieser Voraussetzungen stellt die Schlüsselkompetenz in Deutschland dar.

Wie unterstützt die Technik uns Menschen nachhaltig und in unseren wertebasierten Entscheidungen im Bauwesen? Worum geht es uns? Wie gestalten wir am Bau eine digitale Transformation, die Sinn stiftet, Arbeit sicherer macht und Prozesse effizienter?

Alte Fragen, die – im Zuge der digitalen Transformation – insbesondere die humane, d. h. die menschliche Transformation unter die Lupe nehmen. Im Bauwesen fehlt diese Debatte gänzlich. Im Zuge ihrer Forschungsarbeit führt die Autorin diese Debatte erstmals ein (Weber-Lewerenz, 2020, 2021). Sie geht über den dominierenden finanziellen Fokus hinaus, indem sie Wegweiser für die sinnvolle und wertegeführte Digitalisierung und KI ableitet. Diese bieten Orientierung im Denken und Handeln, befähigen zu einer deutschen Vorbildrolle und zum Qualitätssiegel des deutschen Bauwesens im In- und Ausland.

Trotzdem bedarf es eines radikalen Umdenkens. Besorgniserregend sind die im Bauwesen noch immer stark verankerte traditionell konservative Haltung, das Zögern sowie die fehlenden gesetzlichen Regelungen zur verpflichtenden Nutzung digitaler Methoden. Diese sind nach wie vor das größte Hemmnis für effizienterer Bauwerkslebenszyklen, Fortschritt und die Gewinnung von Fachkräften. Die Zeit ist überfällig, das Vertrauen der Gesellschaft wiederherzustellen und zu zeigen, dass Bauwerke professionell und erfolgreich errichtet werden können. Mehr Mut und Wille zu Innovation würde der Bauwirtschaft insgesamt wieder zu einem positiven Ruf verhelfen.

Danksagung

Die Autorin Bianca Christina Weber-Lewerenz dankt allen interviewten Experten für diese Forschung, die zur Gründung der Exzellenzinitiative für menschgeführte, nachhaltige KI im Bauwesen beigetragen haben. Für die großartige Zusammenarbeit dankt sie dem Fraunhofer-Institut IAO, der European Association for REsearch on SERVices (RESER), der buildingSMART-Initiative und allen Unternehmen, die die Ethik- und Diversitätsdebatte als Erfolgsmotor im Bauen für digitale Innovationen auffangen.

 

BIM und KI in Wissenschaft und Unternehmenspraxis

Bianca Christina Weber-Lewerenz veröffentlichte im Buch „BIM und KI in Wissenschaft und Unternehmenspraxis“ den Beitrag „KI im Kontext zu Ethik, gesellschaftlichen Werten und Grundsätzen“.

BIM und KI in Wissenschaft und Unternehmenspraxis

Autor/in

Bianca Christina Weber-Lewerenz

Bianca Christina Weber-Lewerenz

Selbstständige Bauberaterin

Dipl.-Ing. (FH) Bianca Christina Weber-Lewerenz ist als selbstständige Bauberaterin tätig. Mit ihrer 2020 gegründeten „Exzellenzinitiative für eine menschgeführte, nachhaltige KI in der Bauindustrie“ ist sie Vertreterin einer wertebasierten KI am Bau. Sie ist u. a. Mitglied im Verband deutscher Unternehmerinnen (VdU), Spitzenfrauen Baden-Württemberg, VDI, Women in AI & Robotics und Women in AI Ethics. (bwl-engineering.com)