„Im BIM-Modell sollen automatisierte Checks durchgeführt werden“
Interview mit Prof. Dr.-Ing. Markus König von der Ruhr-Universität Bochum
Prof. Dr.-Ing. Markus König ist Mitherausgeber des im bSD Verlag erschienen Fachbuchs „BIM und Baugenehmigung“. Im Interview sprachen wir mit ihm über den Stand der digitalen Baugenehmigung in Deutschland, die dabei auftretenden Herausforderungen sowie die Unterschiede zwischen dem digitalen Bauantragsverfahren und dem BIM-basierten Prüfverfahren.
Herr König, zum Einstieg: Die Digitalisierung der Baugenehmigung und deren Einführung liegt bei den einzelnen Bundesländern, oder?
Ja, genau. Die Einführung ist Ländersache und sogar Sache der einzelnen Kommunen und Bauaufsichtsbehörden. Das Onlinezugangsgesetz (OZG) schreibt vor, dass Verwaltungsprozesse digitalisiert werden müssen. Das betrifft selbstverständlich auch den Bauantragsprozess. Deshalb haben sich die meisten Bundesländer zusammengeschlossen und beschlossen, eine einheitliche Abgabeplattform zu entwickeln. Damit kann eine einheitliche und effiziente Leistung angeboten werden. So ist schließlich die EFA-Lösung "Eine für Alle" entstanden. Mecklenburg-Vorpommern hat dabei die Leitung übernommen und gestaltet den Gesamtprozess. Außerdem wurde für diesen Prozess ein digitales Nachrichtenformat entwickelt, der XBau-Standard. XBau ist ein Standard, in dem festgelegt ist, wie Antragsnachrichten weitergeleitet und Antworten zurückgesendet werden.
Wie hängt dieser Prozess mit der Methode Building Information Modeling (BIM) zusammen?
Dieser Digitalisierungsprozess ist zunächst einmal unabhängig von BIM. Hier geht es darum, Daten und Nachrichten zwischen den Beteiligten digital auszutauschen. Früher wurde das Papier in die Behörde getragen, jetzt können über eine Onlineplattform PDF-Dateien eingereicht werden, welche dann in den Prozess hineingehen. Das ist der Kern eines digitalen Bauantragsverfahrens. Wir sprechen dabei noch nicht von einer digitalen Prüfung, sondern von einem digitalen Bauantragsverfahren.
Sie haben das OZG bereits erwähnt. Hätte das digitale Bauantragsverfahren danach nicht schon längst umgesetzt werden sollen?
Grundsätzlich ist dies richtig. Das föderalistische System in Deutschland führt jedoch zu einer gewissen Komplexität bei der Umsetzung. Im Hinblick auf die Digitalisierung von Verwaltungsprozessen gilt es, eine Vielzahl von Anforderungen zu berücksichtigen. Entsprechende Systeme müssen höchsten Standards in Bezug auf Sicherheit und Zuverlässigkeit genügen. Bedauerlicherweise kommt es bei solchen IT-Systemen sehr häufig zu Verzögerungen.
Wie kann man sich eine solche Einführung vorstellen?
Die Einführung ist von jeder Bauaufsicht auf Basis der einheitlichen Vorgaben zu planen und umzusetzen. Im Rahmen der Umsetzung ist die Auswahl einer geeigneten Software sowie die Anbindung an bestehende Systeme erforderlich. Ziel ist die Schaffung einer einheitlichen Abgabeplattform, die den Prozess der Steuererklärung widerspiegelt. Im Anschluss werden die Anträge an die zuständigen Kommunen weitergeleitet, wobei ebenfalls entsprechende Schnittstellen etabliert werden müssen. Diese Prozesse sind nun aufeinander abzustimmen. Vor dem Hintergrund der Komplexität ist eine gewisse Zeit für die Abstimmung erforderlich.
Bei all den unterschiedlichen Umständen und Voraussetzungen: Können Sie etwas zum allgemeinen Stand der Umsetzung sagen?
Derzeit hören wir wöchentlich Neuigkeiten aus Städten und Gemeinden, dass Anträge digital angenommen werden können. Für NRW kann ich sagen, dass es schon bei nicht wenigen Kommunen möglich ist, die Unterlagen als PDF-Plan einzureichen. Andererseits wurde festgestellt, dass das Angebot eher zögerlich angenommen wird bzw. noch nicht überall bekannt ist.
Woran liegt das?
Es besteht weiterhin Informationsbedarf, möglicherweise auch eine gewisse Skepsis gegenüber dem neuen Prozess. Bei den größeren Städten ist das Thema jedoch bereits seit einiger Zeit auf der Agenda oder wurde bereits umgesetzt. Bei kleineren Städten und Gemeinden kann es zu Verzögerungen kommen, insbesondere angesichts der Tatsache, dass in einzelnen Bauordnungsämtern nur wenige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig sind. Die Bundesländer stellen jedoch hilfreiche Informationen zur Verfügung und bieten Unterstützung an, was sehr positiv zu bewerten ist.
Sie selbst beschäftigen sich auch in einem aktuell laufenden Pilotprojekt mit der digitalen Antragstellung eines Bauantrags auf Basis eines 3D-Modells.
Genau, aber das ist ein anderes Thema, das man klar trennen muss. Auf der einen Seite gibt es den digitalen Kommunikationsprozess, bei dem Dateien über ein Portal eingereicht werden. In unserem Projekt geht es nun um die Einreichung und Prüfung von BIM-Modellen. Wir wollen also auch den Prüfprozess digitalisieren. Wenn ein BIM-Modell vorliegt, kann eine automatische Prüfung der Inhalte durchgeführt werden. Im Moment ist dieser Prüfprozess nicht möglich, weil man eine PDF-Datei bekommt, die vielleicht eingescannt ist, die der Computer nicht automatisch auswerten kann. Eine PDF-Datei muss wie ein Papierplan am Bildschirm betrachtet und geprüft werden. Das beschleunigt nur die Abgabe und die Kommunikation. Mit dem Projekt wollen wir nun auch die Prüfung beschleunigen. Am BIM-Modell sollen automatisierte Prüfungen durchgeführt werden.
Aus Ihrer Sicht: Fällt die Abgabe einer PDF-Datei dann überhaupt unter die Aspekte der Digitalisierung?
Wir sind gerade dabei, von der postalischen oder manuellen Einreichung zur digitalen Einreichung überzugehen. Das ist also eine Form der Digitalisierung. Jetzt müssen wir noch den Inhalt digital auswerten können. Deshalb unterscheide ich immer zwischen dem digitalen Nachrichtenaustausch und der digitalen Auswertung des Bauantrags.
Hamburg geht diesen Weg sehr konsequent. Von dort heißt es aber genauso, dass mit dem digitalen Prozess erst die Hälfte des Weges gegangen ist.
Hier arbeiten wir auch mit Hamburg zusammen. Auch dort wurde deutlich, dass in einem ersten Schritt die digitale Einreichung ermöglicht werden muss. Jetzt geht es darum, den Prüfprozess zu verbessern und zu automatisieren bzw. zu digitalisieren, um die Prüfung zu beschleunigen. Mit einem BIM-Modell können wir die Gebäudeklasse, die Abstandsflächen, die Einhaltung der Brandschutzanforderungen prüfen, weil all diese Informationen in einem BIM-Modell enthalten sind.
Welcher Art sind dabei die großen Herausforderungen: Sind es vorrangig rechtliche oder technische Fragestellungen, die es zu lösen gilt?
Natürlich sind Umformulierungen notwendig, z.B. Ansichten, Schnitte und Grundrisse sind nun alle in den BIM-Modellen enthalten. Das muss nur gewollt oder alternativ erlaubt sein. Das rechtlich zu regeln ist aus meiner Sicht nicht so schwierig.
Leider ist es uns im Zusammenhang mit BIM noch nicht gelungen, hier eine gewisse Standardisierung zu erreichen. Wie sieht das BIM-Modell im Einzelnen aus? Wir müssen beschreiben, welche Namen zum Beispiel für Materialien verwendet werden sollen. Jeder weiß, welche Schraffur für Stahlbeton steht. Wenn wir in einem BIM-Modell für eine Wand die Bezeichnung Stahlbeton hinterlegen, dann schreibt das der eine groß, der andere klein. Für den Computer muss das aber immer einheitlich sein. Wir haben uns also noch nicht über die Inhalte und deren konkrete Benennung geeinigt. Das sind große Herausforderungen für die Prüfung. Wenn immer unterschiedliche Informationen ankommen, wird es schwierig.
Haben Sie Lösungsvorschläge?
In den Bundesländern Hamburg und Nordrhein-Westfalen sollen z.B. Modellierungsrichtlinien entwickelt werden, die festlegen, wie ein BIM-Modell für die Baugenehmigung auszusehen hat, damit es automatisiert geprüft werden kann. Auch wir haben in dem angesprochenen Forschungsprojekt eine Modellierungsrichtlinie entwickelt und darauf aufbauend automatische Prüfungen entwickelt. Wichtig ist also: Eine automatische Prüfung kann nur erfolgen, wenn die BIM-Modelle immer in der gleichen Struktur und mit den gleichen Beschreibungen eingehen. Diese Einheitlichkeit zu erreichen, ist die größte Herausforderung.
Können buildingSMART-Standards dabei unterstützen?
Hier sind die Industry Foundation Classes – kurz IFC – für die Übergabe der BIM-Modelle gesetzt. Ohne diesen Standard geht es nicht. Dann sprechen wir über die Konkretisierung der genannten Anforderungen mit dem neuen Standard IDS, mit dem festgelegt wird, wie und was zu prüfen ist. IDS steht für Information Delivery Specification. Das buildingSmart Data Dictionary (bSDD) wäre prinzipiell geeignet, um einheitliche Vorgaben zu publizieren, dass z.B. Tür mit „ü“ geschrieben wird. Allerdings hat sich das bSDD meines Wissens in Deutschland nicht wirklich durchgesetzt und die Informationen sind für die Bauantragsvorlagen nicht perfekt harmonisiert. Deshalb gehen wir hier wohl eher in Richtung des BIM-Portals des Bundes. Wir haben in dem bereits erwähnten Projekt die Begriffe, die in den Bauordnungen verwendet werden, herausgesucht und im BIM-Portal des Bundes veröffentlicht. Eine Harmonisierung und ein Abgleich mit anderen Vorgaben im Kontext von BIM-Projekten steht noch aus. Vielleicht ist es aber auch eher eine Aufgabe der öffentlichen Hand, entsprechende Vorgaben zu machen. Diese könnten dann theoretisch auch wieder im bSDD, im BIM-Portal oder an anderer Stelle veröffentlicht werden.
Stichwort öffentliche Hand: Wie schätzen Sie das vorhandene Digitalisierungs-Know-how in öffentlichen Verwaltungen ein?
Inzwischen bin ich sehr positiv überrascht. In fast jeder größeren Stadt treffen wir auf ein BIM-Team, dessen Mitglieder bereits eine Ausbildung absolviert haben. Das ist wirklich beeindruckend. Auch wenn die Teams nicht immer sehr groß sind, ist überall BIM-Know-how vorhanden, so dass wir in den letzten Jahren eine sehr gute Durchdringung erreicht haben. Selbst in kleineren Städten und Gemeinden hat man zumindest schon von BIM gehört oder beschäftigt sich mit der Methode. Alle sind sehr aufgeschlossen. Aber natürlich ist es insgesamt noch ein langer Weg.
Wenn die Verwaltungen BIM können, wie ist die Situation bei den Einreichenden?
Da müssten wir wahrscheinlich die Architektenkammern fragen. Aber wir wollen ja keine Exklusivität, wir sollten im Prinzip beide Wege zulassen: diejenigen, die BIM-basiert arbeiten und diejenigen, die weiterhin konventionell arbeiten wollen. Ich glaube einfach, wenn mehr Leute BIM-basiert einreichen, erreichen wir eine Effizienz, die dann auch den anderen zugute kommt. Insofern können wir uns nur wünschen, dass in Zukunft mehr Anträge digital bzw. BIM-basiert eingereicht werden, weil dann insgesamt eine Beschleunigung spürbar wird.
Wenn es zu den automatisierten Prüfungen kommen wird, wird dann auch Künstliche Intelligenz (KI) zum Einsatz kommen?
Künstliche Intelligenz ist ein sehr schwammiger Begriff. Wir haben ein Regelwerk und Bauordnungen. Am besten ist es, diese Vorgaben als Wenn-Dann-Bedingung abzubilden. Dafür eignen sich zum Beispiel datenbasierte KI-Verfahren wie Deep Learning eher nicht. Ich kann mir so etwas wie einen Chatbot als Assistenten vorstellen, aber eine Genehmigung würde ich aktuell keiner KI überlassen. Wir haben die einzelnen Schritte des Genehmigungsprozesses digital abgebildet und jeder dieser Schritte ist abrufbar und kontrollierbar, um Entscheidungen zu überprüfen oder nachzuvollziehen. Das kann man mit KI nicht so einfach machen, weil KI oft eine Blackbox ist. Und wir als Menschen sind auch noch nicht so weit, solche Prozesse komplett einer KI zu überlassen. Außerdem frage ich mich, ob für Prozesse, die klar definiert sind, solche maschinellen Lernverfahren überhaupt geeignet sind.
Ihr Pilotprojekt ist auf zwei Jahre angelegt. Werden Sie und Ihr Team in dieser Zeit zu einer Lösung kommen?
Wir sind sogar optimistisch, noch schneller zu sein. Bereits Ende 2024 erwarten wir erste Ergebnisse und haben uns einiges vorgenommen. Unsere Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen, Ina Scharrenbach, unterstützt uns dabei. Nicht nur durch die Förderung des aktuellen Projektes, sondern auch durch einen intensiven Wissens- und Erfahrungsaustausch mit Kommunen und politischen Vertretern. Ich hoffe, dass in naher Zukunft auch eine erste BIM-Unterstützung für das Bauprotal NRW möglich wird. Beispielsweise könnte eine Abgabe von BIM-Modellen und eine einfache Vorprüfung auf Vollständigkeit realisiert werden. Die Genehmigungsbehörden können dann auf qualitativ hochwertige BIM-Modelle zurückgreifen und diese im Rahmen ihrer Prüfprozesse berücksichtigen.
Herr König, vielen herzlichen Dank für das Gespräch!
Zur Person
Prof. Dr. Markus König forscht und lehrt als Professor an der Ruhr-Universität Bochum seit Oktober 2009. Sein akademischer Werdegang begann mit einem Abschluss in Bauingenieurwesen mit Schwerpunkt Angewandte Informatik an der Leibniz Universität Hannover, wo er am Institut für Bauinformatik seine Promotion zur kooperativen Gebäudeplanung abschloss. Im Anschluss hatte er die Junior-Professur für Theoretische Methoden des Projektmanagements an der Bauhaus-Universität Weimar inne und nahm aktiv an zahlreichen Forschungsprojekten zum Thema BIM teil. Als Vorsitzender des Arbeitskreises Bauinformatik (2012-2016) spielte er eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung des ersten nationalen BIM-Curriculums für deutsche Universitäten, als Herausgeber veröffentlichte er unter anderem das Buch "Building Information Modeling: Technologische Grundlagen und industrielle Praxis". Für seine „Verdienste bei der Entwicklung und Einführung des digitalen Bauens in Deutschland“ erhielt er den Preis der Bauindustrie Niedersachsen-Bremen im Jahr 2017 und die Konrad-Zuse-Medaille im Jahr 2020.
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