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IFC für den Infrastrukturbereich

Die vielleicht wichtigste Neuerung im Hinblick auf den IFC-Standard ist die Einbindung von Erweiterungen für Infrastrukturentitäten in IFC 4.3

Emma Hooper

Im Laufe der vergangenen Jahre wurde eine Vielzahl von Updates für IFC bereitgestellt. 2022 wird die mit Spannung erwartete IFC-Version 4.3 fertiggestellt, bei der es sich um eine wichtige Aktualisierung des IFC4-Schemas handelt.

Dies ist ein bedeutender Meilenstein in der Geschichte von IFC und das Ergebnis einer großartigen Teamleistung, an der viele verschiedene Länder und Organisationen beteiligt waren. Die Highlights des aktualisierten Standards sind:

  • ein agilerer Prozess und eine für den Endnutzer vollständige Transparenz des Live-Schemas während der Entwicklung
  • eine aktualisierte IFC-Dokumentation (online) mit viel klareren Definitionen und einer neuen Suchfunktion
  • Erweiterungen für Infrastrukturentitäten – die wichtigste Aktualisierung und der Schwerpunkt dieses Artikels

Wie für Gebäude stellt IFC auch für Infrastrukturelemente eine standardisierte digitale Sprache zur Verfügung, die über die gesamte Lebensdauer einer Anlage Anwendung findet. Das soll helfen, weltweit bestehende Unterschiede bei bestimmten Konventionen zu verringern (z. B. bei der Trassierung von Bahngleisen).

Auf diese Weise werden letztlich eine umfassendere Zusammenarbeit und ein größerer Wissensaustausch begünstigt – insbesondere bei internationalen Projekten. Darüber hinaus bietet IFC eine standardisierte Methode für den Austausch von Informationen und die Verwaltung von Prozessen.

Entgegen der allgemeinen Wahrnehmung ist Infrastruktur viel mehr als einfach nur ein einfaches Gebäude an einem bestimmten Ort. Denn sie ist es, die die vertikale Welt unserer Gebäude miteinander verbindet. Und genau darauf liegt ein weiterer wichtiger Schwerpunkt der Version 4.3: Die Integration von offenen Standards wie GIS in IFC.

Frühere Versionen des IFC-Schemas konnten bis zu einem gewissen Grad auch für Infrastrukturprojekte eingesetzt werden. Es war zum Beispiel möglich, IfcBuildingElementProxy anstelle von vordefinierten Entitäten zu nutzen. Dennoch waren grundlegende Aktualisierungen des Schemas erforderlich, um Infrastrukturelemente besser und einfacher einbinden zu können. Dazu gehören z. B. Trassierung, Entitäten mit spezifischen Beziehungen und eine Überprüfung der Gesamthierarchie, die zuvor stark auf Gebäude ausgerichtet war.

Aktueller Stand

Besonders wichtig war es, IFC-Alignment frühzeitig während des Projekts zu etablieren, um IFC erfolgreich auf den Infrastrukturbereich ausdehnen zu können und eine lineare Definition horizontaler Assets (wie z. B. der Mittellinie einer Straße, der Bordsteinkante oder eines Bahngleises) zu ermöglichen. Auf diese Weise können Nutzer Offsets für die entsprechenden Assets definieren, da nicht alle Infrastrukturelemente mithilfe von kartesischen Koordinaten (x, y, z) positioniert werden.

Dies ist zum Beispiel nützlich, wenn ein Ingenieur Stadtmöbel wie ein Straßenschild in einem festgelegten Abstand rechts von der Mittellinie der Straße platzieren möchte, anstatt die Koordinaten anzugeben. Wenn sich das Straßenprofil bewegt, können sowohl das Schild als auch andere Elemente wie Beleuchtung und Schranken anschließend auf Grundlage des Offset-Werts neu positioniert werden. Somit müssen die kartesischen Koordinaten nicht erneut berechnet werden.

Auf ähnliche Weise erweist sich die Nutzung einer Trassierungsdefinition in den Fällen als hilfreich, in denen sich lineare und vertikale Konstruktionen überschneiden, z. B. bei einer Straßen-/Eisenbahnbrücke.

Eine Brückenkonstruktion ist ähnlich wie ein Gebäude, in dem es Stützmauern und Balken gibt, um die Decke zu stützen – doch all diese Konstruktionselemente müssen zwangsweise dem Profil der Straße/Schiene folgen, die sie stützen. Wenn ein Ingenieur beschließt, die entsprechende Straße/Schiene zu versetzen, dann wird durch die Verwendung einer gemeinsamen Trassierung auch die Brücke an die neue Position der Straße/Schiene versetzt.

Im Vergleich zur ursprünglichen Version 4.1 wurden für IFC-Alignment im Zuge der Entwicklung von IFC 4.3 einige wesentliche Updates bereitgestellt, um neue Elemente wie z. B. Überhöhungen, Segmente sowie die horizontale und vertikale Trassierung einzubinden (siehe „Weiterführende Links“).

Der Infra-Arbeitsraum leitete darüber hinaus eine Reihe weiterer Kooperationsprojekte mit Branchenspezialisten, Eigentümervertretern, Softwareanbietern und buildingSMART-Experten. In der frühen Definitionsphase der Anforderungen an die Infrastrukturerweiterungen wurde IFC Rail als wichtiger Bereich identifiziert und infolge umfassender Bemühungen der Eigentümer in einen separaten Railway-Arbeitsraum ausgegliedert. Nichtsdestotrotz arbeiteten diese beiden Arbeitsräume weiterhin gemeinsam an der Definition einheitlicher Schema-Elemente (z. B. Böschungen oder Entwässerungselemente).

Ein letztes Erfordernis bestand darin, auch die vertikalen Erweiterungen zu modifizieren. Im Rahmen eines solchen Updates wurde z. B. IfcBuilding in der Hierarchie nach unten verschoben und durch die neue Entität IfcFacility ersetzt (siehe Abbildung „IFC-Erweiterungen“).

IFC-Erweiterungen

IFC-Erweiterungen

Bildcredit: Emma Hooper/AEC Magazine

Erst der Anfang

Trotz der bisher geleisteten Arbeit steht das Projekt noch ganz am Anfang. Es gibt noch viel Entwicklungspotenzial. Aktuell wird weiter am Projekt IFC Tunnel sowie an einer verbesserten Interoperabilität zwischen IFC und dem Bereich der Geotechnik gearbeitet, um auch die XML-Daten aus geotechnischen Modellen (insbesondere OGC Geoscience Markup Language – GeoSciML) nutzen zu können. Darüber hinaus wird an der Anpassung von Eigenschaften und dem Aufbau von Datenwörterbüchern sowie an weiteren Erweiterungen gearbeitet.

Um IFC 4.3 (hoffentlich bis Herbst 2022) als buildingSMART-Standard etablieren zu können, läuft gerade ein abschließendes Projekt zur Entwicklung der Basis-MVDs (Modellansichtsdefinitionen), die es dem IFC-Schema ermöglichen, bestimmte Austauschanforderungen zu erfüllen. Dies soll eine konsequente Implementierung innerhalb von Softwareanwendungen und anschließend eine Zertifizierung der jeweiligen Anwendung für das Schema ermöglichen.

Am Entwicklungsprozess von IFC 4.3 waren auch einige Softwareanbieter beteiligt. So verfügt Autodesk Civil 3D beispielsweise über eine Beta-Unterstützung für den Import und Export mit IFC 4.3. Diese kann aktualisiert werden, sobald das MVD-Projekt abgeschlossen und entsprechend zertifiziert ist, um den vereinbarten Austauschanforderungen gerecht zu werden.

3D-Modelle in Autodesk Civil 3D

3D-Modelle in Autodesk Civil 3D

Bildcredit: Autodesk

Bevor Kunden IFC 4.3 sicher für den Projektinformationsaustausch einsetzen können, muss jedoch die ISO 16739-Zulassung erworben werden. Dieser Prozess ist derzeit im Gang und soll bis 2023 abgeschlossen sein.

Die IFC 4.3-Erweiterung ist das Ergebnis umfangreicher gemeinschaftlicher Bemühungen, die dazu geführt haben, dass sich einige Eigentümer in Europa und China bereits auf die Übernahme des Standards vorbereiten. Im europäischen Eisenbahnsektor waren beispielsweise ÖBB aus Österreich und SBB aus der Schweiz sehr aktiv. In China beabsichtigt das Rail BIM Institute, in Schnellfahrstrecken von über 30.000 km Länge zu investieren, die in einem viel kürzeren Zeitraum fertiggestellt werden sollen, als es bisher möglich war.

Durch die Übernahme von standardisierten Definitionen von Schienenelementen, über die IFC 4.3 verfügt, können die bisher bestehenden Risiken dank einer verbesserten Kohärenz und eines zuverlässigen Informationsaustauschs verringert werden.

Auch in Großbritannien gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Nutzung von IFC 4.3 im Infrastrukturbereich. Bisher wurde die Version IFC 2x3 erfolgreich an größeren Infrastrukturprojekten wie Hinkley Point C und High Speed 2 (HS2) getestet. Mit der Einführung von infrastrukturspezifischen Definitionen können die Vorteile, die in dieser Testphase aufgezeigt wurden, sogar noch weiter gesteigert werden. Da Infrastrukturprojekte häufig im Rahmen von Kooperationen und Frameworks umgesetzt werden, besteht hier für die Infrastruktur-Community das große Potential, IFC effizient nutzen und gemeinsam weiterentwickeln und verbessern zu können.

In den nächsten 18 Monaten wird die Version IFC 4.3 einschließlich ISO-Zertifizierung offiziell vorgestellt. Das soll die Grundlage bilden, um die Testphase des IFC 2x3-Schemas zu verlassen und mithilfe von IFC 4.3 neue wegweisende Infrastrukturprojekte umzusetzen.

IFC-Zeitstrahl

Die folgenden Daten geben einen groben Überblick darüber, wie viel Arbeit in den Projekten steckt und wann die verschiedenen Aufgaben beendet wurden.

2011 – Das Projekt „IFC für den Infrastrukturbereich“ nimmt Form an

2013 – Der buildingSMART InfraRoom wird gegründet

2015 – IFC-Alignment wird entwickelt und als Version IFC 4.1 veröffentlicht

2016 – Die Zusammenarbeit mit dem Open Geospatial Consortium (OGC[LK1] ) ermöglicht eine Angleichung der IFC- und GIS-Schemata (insbesondere OGC LandInfra / InfraGML)

2017 – IFC-Alignment wird als Version IFC 4.1 v1.1 aktualisiert

2017 – Es wird damit begonnen, die Teile des bestehenden IFC-Schemas zu aktualisieren, die gemeinsame Definitionen mit Infrastrukturelementen besitzen

2017 – Der buildingSMART Railway Room (Railway-Arbeitsraum) wird eingerichtet

2018 – Es wird ein gemeinsames Schema erstellt, um die IFC 4.3-Infrastrukturerweiterungen zu harmonisieren

2022 – Für IFC 4.3 werden IFC-Erweiterungen entwickelt, darunter IFC Rail, IFC Road, IFC Bridge und IFC Ports & Waterways (an der IFC 4.4-Erweiterung IFC Tunnel wird derzeit gearbeitet)

2022 – Der IFC 4.3-Standard von buildingSMART International wird endgültig etabliert

2023 – ISO 16739 Release 3-Status für IFC 4.3 erwartet

Weiterführende Links

IFC-Alignment: www.tinyurl.com/alignment-IFC
IfcBridge: www.tinyurl.com/ifc-bridge
IfcRailway: www.tinyurl.com/ifc-rail-project
IfcRoad: www.tinyurl.com/road-IFC
buildingSMART InfraRoom: www.tinyurl.com/InfraRoom 
buildingSMART Railway Room: www.tinyurl.com/IFC-railway

Wenn Sie mehr über die technischen Aspekte von IFC im Infrastrukturbereich erfahren möchten, finden Sie in folgendem Whitepaper hilfreiche Informationen: www.tinyurl.com/IFC-infra


Danksagung: Der Artikel entstand mit Unterstützung von Marek Suchocki, Global Business Development Executive bei Autodesk, und Lawrence Chapman, Lead Information Manager bei HS2.

Der Artikel erschien zuerst im IFC Special Report, der von buildingSMART UK and Ireland und dem AEC Magazine erstellt wurde.

Autor/in

Emma Hooper

Emma Hooper

Bond Bryan Digital

Emma Hooper ist Spezialistin für digitale Informationen bei Bond Bryan Digital. Sie ist Mitglied des BSI-Ausschusses (British Standards Institute), der die Standards für digitales Bauen entwickelt, sowie Autorin der ISO 19650-Leitlinie, Botschafterin der UK BIM Alliance und Mitglied des buildingSMART UK & Ireland-Ausschusses. (bondbryandigital.co.uk)