
Europäisches Patentamt entscheidet über die Patentierfähigkeit von BIM-Systemen
Nicht alle zum Patent angemeldeten BIM-Verfahren und -Systeme zur Erzeugung einer Benutzerschnittstelle sind patentfähig
Das Europäische Patentamt hat in einer Entscheidung vom 08.03.2022 (T 1290/18, GRUR-RS 2022, 12802) geurteilt, dass bestimmte zum Patent angemeldete BIM-Verfahren und -Systeme zur Erzeugung einer Benutzerschnittstelle nicht patentfähig sind.
Das in diesem Fall beschwerdeführende Unternehmen Viewpoint, Inc. begehrte die Erteilung eines Patents betreffend eines Verfahrens zum Betrieb eines Gebäudedatenmodellierungssystems mit Prioritätsdatum vom 20.09.2013. Umfasst von dem zum Patent angemeldeten Verfahren war u.a. ein BIM-Server, der eine über das Netzwerk zugängliche grafische Benutzeroberfläche erzeugt, die gleichzeitig eine dreidimensionale Darstellung eines Gebäudemodells, eine hierarchische Struktur von Gebäudemodelldaten und ein Construction Operations Building Information Exchange („COBie“)-Tabellenblatt anzeigt, welche wiederum untereinander eine assoziative Verknüpfung aufweisen.
Die zuständige Kammer des Europäischen Patentamts vertrat jedoch die Ansicht, dass dem zum Patent angemeldeten Gegenstand das zur Patentierfähigkeit notwendige Merkmal der Neuheit fehle.
Hierbei stellte die Kammer zunächst fest, dass es sich bei „BIM-Daten“ um eine digitale Darstellung der physischen und funktionalen Merkmale einer Einrichtung („facility“) handelt und eine gemeinsame Wissensressource für Informationen darstellt, die eine zuverlässige Grundlage für Entscheidungen während des Lebenszyklus der Einrichtung bilden. Demnach können BIM-Daten neben der Geometrie einer Einrichtung auch zusätzliche Informationen beschreiben, z.B. räumliche Beziehungen, Lichtanalysen, geografische Informationen sowie Mengen und Eigenschaften von Gebäudekomponenten wie z.B. Herstellerangaben. Im Vergleich zu bereits bekannten BIM-Softwaretools soll die verfahrensgegenständliche Anwendung es den Nutzern ermöglichen, dreidimensionale Gebäudemodelle zusammen mit anderen Daten, wie z.B. COBie-Daten, mittels eines Internetbrowsers aus der Ferne zu betrachten und mit ihnen zu interagieren.
Der zum Patent angemeldete Gegenstand weise jedoch keine Neuheit gegenüber dem Softwaretool des Unternehmens 4Projects auf, welcher in einem bereits am 09.04.2013 veröffentlichten Artikel namens „4Projects BIM in a browser“ in der Fachzeitschrift AECMAGAZINE beschrieben wird. Hierbei offenbarte besagter Fachartikel, dass die dort beschriebene Software ein COBie-Datenmanagementsystem für den gesamten Lebenszyklus unterstützt. Dieses System sei so konzipiert, dass es autorisierten Mitgliedern der Lieferkette ermögliche, COBie-Daten hinzuzufügen, zu bearbeiten, zu kategorisieren oder zu validieren, um ihre Genauigkeit sicherzustellen. Eine aus dem UK stammende COBie-Vorlage könne zusätzlich verwendet werden, um Informationen aus dem Industry Foundation Classes (IFC)-Modell zu extrahieren, die dann in einer Kalkulationstabelle dargestellt werden.
Interessanterweise wird in dem besagten Fachartikel auch erwähnt, dass das Unternehmen 4Projects von dem Unternehmen Viewpoint, Inc., also der Beschwerdeführerin des gegenständlichen Verfahrens, übernommen wurde. Da das Prioritätsdatum der vorliegenden Anmeldung (20.09.2013) nach der erfolgten Unternehmensübernahme liegt, erklärt dies wohl auch die offensichtliche Ähnlichkeit zwischen dem im Artikel beschriebenen Softwaretool und der verfahrensgegenständlichen Patentanmeldung.
Die Kammer des Europäischen Patentamts kam auf der Grundlage dieser Erkenntnisse zu dem Ergebnis, dass der von der Beschwerdeführerin zum Patent angemeldete Gegenstand gegenüber dem in der AECMAGAZINE-Ausgabe vom 09.04.2013 beschriebenen Softwaretool nicht neu sei und wies die Anträge zur Patentanmeldung daher zurück.