Mariel Gutierrez Anna Fernweh
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Es lohnt sich, Risiken einzugehen

Wie die Anwendung von Change Management ein BIM-Projekt voranbringen kann.

Mariel Gutierrez

Die Anwendung der Methode Building Information Modeling, BIM, hat sich mittlerweile in vielen Projekten etabliert. Häufig strauchelt man aber noch bei der Umsetzung. Obwohl Technologie und Software ausreichend zur Verfügung stehen, werden die festgelegten Ziele nicht vollständig erreicht. Um die Performance hochzuhalten und den Wandel nachhaltig einzuleiten, gilt es, alle Beteiligten mitzunehmen. Ein professionelles Change Management ist dabei unumgänglich. 

Eventuell haben Sie das auch schon erlebt: Ein neues BIM-Projekt landet auf Ihrem Schreibtisch. Dabei handelt es sich um ein Pilotprojekt, bei dem Sie Erfahrungen und Wissen über die BIM-Methode sammeln sollen. Sie stehen somit vor der Herausforderung, Ihre Kenntnisse über BIM zu erweitern. Gleichzeitig haben Sie den Anspruch, das Projekt in Ihrer gewohnten Qualität zu planen. Damit verbunden ist eine erhebliche emotionale Herausforderung – für Sie und ihre Mitarbeiter. Die internen Arbeitsprozesse und die gesamte Arbeitskultur müssen sich verändern bzw. anpassen.

Als BIM-Beraterin erlebe ich diese Situation häufig bei meinen Kunden. Die Herausforderungen der BIM-Methode überschatten die großen Chancen. Fehlendes Mindset oder die Scheu vor Veränderung bremsen die vollständige und professionelle Anwendung von BIM.

Das Projektteam ist meist sehr vielfältig. Unterschiedliche Kenntnisse, Meinungen und Erfahrungen mit BIM führen oft zu Konflikten, die sich nur mühsam beilegen lassen. Zu hohe Erwartungen können schnell zu Frustration und Ablehnung der BIM-Methode führen. Im besten Fall ist die Motivation für BIM zu Beginn sehr hoch. Doch nur selten hält sich dieser Zustand über die gesamte Dauer des Projekts.

Was ist Change Management? Oder: Das Pinguinprinzip.

Stellen Sie sich einen Eisberg vor, auf dem eine Gruppe von Pinguinen lebt. Wenn der Eisberg zu schmelzen beginnt, setzt ein Prozess ein, der einen Wandel erfordert. Diesen Prozess gilt es zu verstehen, um ihm entgegenzutreten. Mit der Pinguin-Analogie beschreiben der Wirtschaftswissenschaftler John Kotter und der Unternehmensberater Holger Rathgeber in ihrem Buch „Our iceberg is melting: changing and succeeding under any condtitions“ die Notwendigkeit von Change Management. 

Change Management beschäftigt sich mit der Unterstützung und Begleitung von Prozessveränderungen. Es umfasst alle Aufgaben, Maßnahmen und Prozesse, die auf einen umfassenden, interdisziplinären und tiefgreifenden Wandel abziehen und zur Implementierung neuer Strategien, Strukturen oder Methoden in den Organisationen führen.

Menschen stehen Veränderungen oft instinktiv skeptisch gegenüber. Gern wird an Bestehendem festgehalten – bekannt und bewährt. Das gilt für Mitarbeiter und Führungskräfte gleichermaßen. Veränderungen erzeugen Unsicherheit.

Wenn es um einen Wandel geht, durchlaufen alle Menschen ein ähnliches Muster von Gefühls- und Verarbeitungsschritten, wenn auch in unterschiedlicher Intensität. Die einzelnen Phasen von Schock über Abwehr und Frust bis hin zur Öffnung, Neuorientierung und wiedergewonnenen Stabilität lassen sich nicht einfach überspringen oder ignorieren. Vielmehr gilt, diese Phasen zu erkennen und aktiv zu begleiten. Der wichtigste Schritt in diesem Prozess ist die Einbeziehung der Betroffenen. Das vermittelt Sicherheit und schafft Vertrauen. 

Warum Change Management für BIM-Projekte?

BIM bringt nicht nur einen Wandel in der Technologie mit sich, sondern auch in der Mentalität. BIM als wesentlicher Teil von Bauen 4.0 gilt als Revolution in der Welt des Bauwesens. Neben der Anwendung und Einführung neuer digitaler Möglichkeiten dienen vor allem die Standardisierung, Optimierung und Normalisierung von Prozessen der Steigerung der Produktivität. Diese Verbesserung der Prozesse ermöglicht es den Büros, ihr integrales Management zu optimieren. Sie erlangen außerdem eine größere Kontrolle über die Ausführung und Planung der Arbeiten sowie die Automatisierung sich wiederholender und mechanischer Prozesse.

BIM bringt nicht nur einen Wandel in der Technologie mit sich, sondern auch in der Mentalität.

Dazu ist es jedoch notwendig, den Wandel in der Organisation durch Umstrukturierung, Neuausrichtung, Qualitätsprogramme und kulturelle Erneuerung einzuleiten. Das Fundament hierfür bilden die Mitarbeiter. Ein strukturierter und ganzheitlicher Ansatz, wie er beim Change Management gelebt wird, ist für den Erfolg und die nachhaltige Etablierung von BIM in Unternehmen ausschlaggebend.

Wie kann man Change Management in BIM-Projekten anwenden?

Kotter beschreibt in seinem Werk „Leading Change“ einen achtstufigen Prozess für erfolgreiche Veränderungen. Auf dieser Grundlage lässt sich die Struktur für die Implementierung von BIM wie folgt darstellen:

  1. Ein Gefühl der Dringlichkeit schaffen
    Die Digitalisierung ist nicht mehr wegzudenken – auch nicht in der Baubranche. Auf der einen Seite besteht die Nachfrage der Kunden, die die Vorteile der BIM-Methode und der daraus resultierenden Informationen erkannt haben. Auf der anderen Seite besteht die Notwendigkeit, in einem Markt, der sich immer schneller verändert, wettbewerbsfähig zu bleiben. Diese beiden Motive beschreiben die Dringlichkeit für die Einführung von BIM.
  2. Schaffung einer Gruppe für Veränderungen
    Die für den Wandel zuständige Gruppe wird durch die neuen BIM-Rollen vertreten. Unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu verschiedenen Unternehmen oder Fachdisziplinen muss eine optimale Arbeitsatmosphäre zur Zusammenarbeit geschaffen werden – zum Beispiel durch gemeinsame Mindsets.
  3. Entwicklung einer Vision und einer Strategie
    Jedes BIM-Projekt definiert in seinen Auftraggeber-Informationsanforderungen (AIA) die Ziele und im BIM-Abwicklungsplan (BAP) die Strategie, mit der diese erreicht werden sollen. Die theoretische Befassung gilt es, in der Praxis umzusetzen und in der Gesamtorganisation zu leben. Eine klare Definition der Vision in den AIA sowie eine prägnante, praxisorientierte Entwicklung des BAP tragen zu einem besseren Verständnis und zur Motivation des Teams während des Projekts bei.
  4. Vermittlung der Vision des Wandels
    Um das Team zu motivieren, dem Strategieplan zu folgen, ist Kommunikation unerlässlich. Übergeordnete Projektkommunikation, aber auch bilaterale Absprachen in kleinen Gruppen, in denen Fragen und Zweifel geklärt werden, ohne dass sich jemand unwohl fühlt, sind unverzichtbar. Eine große Bedeutung kommt hierbei den Führungskräften zu. Nur Kommunikation kann das Team bei der Stange halten.
  5. Förderung breit angelegter Aktionen
    Mit der BIM-Methode finden wir uns in einem Projekt mit neuen Strukturen, Systemen und Rollen wieder. Das Team muss befähigt werden, Barrieren zu beseitigen – sowohl in Bezug auf Fähigkeiten und Wissen als auch bei strukturellen und gedanklichen Barrieren. Veränderungen zu vollziehen ist definitiv für jeden eine andere Herausforderung. Man muss Mut für neue Ideen und Aktivitäten haben und diese auch zulassen. Es lohnt sich, Fehler zu machen.
  6. Kurzfristige Erfolge erzielen
    Im Projekt sind die Leistungsphasen die großen Meilensteine. Um Fortschritte jedoch frühzeitig sichtbar zu machen und damit auch die Vorteile neuer Prozesse zu zeigen, gilt es, auch kleinere Ziele zu definieren. Erfolge werden dadurch schneller sichtbar und steigern die Motivation.
  7. Gewinne konsolidieren und weitere Änderungen einführen
    Bei BIM-Projekten ist es notwendig, schrittweise vorzugehen. Der BAP sollte die Gesamtvision des Projekts als Ganzes widerspiegeln, doch der Prozess muss in Etappen ablaufen. Auf diese Weise können Änderungen in der Arbeitsmethodik maßvoll eingesetzt und die neuen Vorteile schrittweise realisiert werden. Durch kleine Schritte ist es möglich, Fortschritte zu erkennen und so die erworbenen Veränderungen zu festigen.
  8. Verankerung der neuen Ansätze in der Kultur
    Die gesammelten Erfahrungen sind im Unternehmen nachhaltig einzusetzen und in der Struktur zu verankern. Change Management befasst sich mit der gesamten Unternehmensstruktur. Deshalb müssen die gewonnenen Erkenntnisse nicht nur im Rahmen des Projekts erhalten bleiben, sondern auch auf Unternehmensebene umgesetzt werden. Durch Lessons Learned und interne Kommunikation kann das gesamte Unternehmensteam vorbereitet werden – denn das nächste BIM-Projekt kommt bestimmt.

 Fazit

Schritt zu halten in der Digitalisierung, gilt als eine der größten Herausforderungen. In unterschiedlichsten Unternehmen erkannte ich als externe BIM-Beraterin immer ähnliche Problemstellungen bei der Einführung und Umsetzung von BIM. Meistens stoße ich auf eine gewisse Zurückhaltung und Unwissenheit. Unstrukturierte und unzureichende Umsetzungsstrategien erschweren den Prozess noch mehr. Unzufriedenheit und Demotivation des Teams können das ganze Projekt zum Scheitern bringen. Ohne Erstellung einer Gesamtstrategie und die Mitwirkung aller Beteiligten einfach loszulegen, hat sich oft als kontraproduktiv erwiesen.

 Aus meiner Erfahrung als BIM-Managerin halte ich es daher für äußerst wichtig, sowohl die Interessen des Auftraggebers als auch die des Teams zu kennen. Das Verständnis für die verschiedenen Standpunkte und Erfahrungen hilft mir, für jedes BIM-Projekt den richtigen Weg zu finden. Schwierigkeiten oder Hindernisse im Prozess nehmen eine wichtige Stellung ein, denn nur, wenn man sie berücksichtigt, kann man sie lösen und im Projekt vorankommen. Dabei ist die Kommunikation der wichtigste Schlüssel zum Erfolg.

Literatur
John P. Kotter: Leading Change, Verlag Franz Vahlen, 2011
John P. Kotter und Holger Rathgeber: Das Pinguin-Prinzip, Verlag Droemer Knaur, 2017

 

Autor/in

Mariel Gutierrez

Mariel Gutierrez

Mariel Gutierrez ist in Argentinien geboren und aufgewachsen und studierte an der Universität von Coruna in Spanien Architektur. 2018 schloss sie den Master in BIM-Management ab und spezialisierte sich auf BIM. Mit ihrem Unternehmen marielgutierrez | architektur | bim bringt sie BIM und innovative Technologien zu AEC-Unternehmen. Mariel Gutierrez ist Teil des Koordinierungskreises von buildingSMART Deutschland in Stuttgart und Regionalleiterin von Women in BIM (WIB). (mg-ar.de)