RA Eduard Dischke (ganz links im Bild) | Bild: buildingSMART Deutschland
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"Eine Vielzahl von Rechtsfragen tun sich auf"

Interview mit Eduard Dischke

Auf dem buildingSMART International Standards Summit im norwegischen Lillestrøm sprachen wir mit Eduard Dischke, einem der stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden von buildingSMART Deutschland und Justiziar beim Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW, im Anschluss an den Workshop BIM@Law über die Herausforderung der Rechtsbranche in Bezug auf BIM. 

Herr Dischke, was sind derzeit die entscheidenden Rechtsfragen in Bezug auf BIM-Projekte?
Wir stehen dabei noch am Anfang. Und es gibt eine Vielzahl von Fragestellungen, die gerade bei BIM-Projekten besonders hochkommen. Weil: Die Zusammenarbeit der Beteiligten sollte enger sein, die Projekte stehen unter Zeitdruck, oft sind es hochrangige Projekte mit entsprechenden Kosten. Vor diesen Hintergründen tun sich eine Vielzahl von Rechtsfragen auf. Als Vertreter eines öffentlichen Bauherrn fange ich mal mit dem Vergaberecht an. Hier muss schon gefragt werden, was überhaupt ausgeschrieben werden darf und wie spezifisch dürfen wir ausschreiben. Zum Beispiel dürfen in Ausschreibungen keine Produktdaten genannt werden. Doch wie legt man das fest, wenn es nur eine begrenzte Anzahl von Herstellern gibt, die die benötigten Produkte überhaupt herstellen? Oder: Können wir uns vielleicht auch auf Closed-BIM fokussieren und sagen: „Nein, wir möchten, dass alle dieselbe Software benutzen“, da es bei uns ein Standard ist oder für das Projekt hilfreich ist? Oder ist der öffentliche Bauherr nicht sogar gezwungen, Open-Bim auszuschreiben, um die Produktneutralität tatsächlich zu gewährleisten?

Darüber hinaus geht es um Nutzungsrechte an dem Modell. Gerade haben wir in dem Workshop gehört, dass es natürlich verschiedene Interessen zwischen Bauherren- und der Planer-Seite gibt. Möchte der Bauherr die Daten tatsächlich auch für den Betrieb nutzen, ist es eine ganz andere Fragestellung, als wenn er sie „nur“ für Visualisierungszwecke nutzen möchte. Letzteres ist in der Regel kein Problem. Will er die Daten aber für weitere Zwecke nutzen, dann muss das ausgehandelt werden. Inklusive der Frage: Kann man die Daten dafür überhaupt nutzen oder braucht es dafür nicht ganz andere Daten? Und: Ist das alles im vereinbarten Preis inkludiert.

Welche dieser Fragen sind schon im deutschen Recht abgebildet?
Erstaunlich wenig. Was dringend gebraucht würde, woran aber auch gearbeitet wird, wäre eine Überarbeitung der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure. Da haben wir nur spartanisch, in einem kleinen Abschnitt, überhaupt etwas über BIM stehen. Und das ist im Grunde nichtssagend. Es muss also tatsächlich etwas getan werden, wenn das als Standardplanungsmethode wirklich etabliert werden soll. Geplant ist, dass BIM-Leistungen in die HOAI kommen, versehen mit einem Preisschild, sodass man sich zukünftig daran halten kann. Das ist kein verbindliches Recht, die HOAI ist durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für unverbindlich erklärt worden, aber es gibt immer noch sehr viele, die sich daran halten oder zumindest daran orientieren und für ihre Ausschreibungen nutzen. Wenn wir die Definition von BIM-Leistungen und deren Vergütungsfrage in der zukünftigen HOAI geregelt hätten, dann wäre das aus meiner Sicht ein Durchbruch.

In dem Workshop wurden in Bezug auf BIM und Recht zudem die Bereiche Performance und Prozesse, Copyright und Speicherorte sowie das Thema Haftung als Handlungsfelder identifiziert. Trifft dies auch auf Deutschland zu?
Ja. Die Haftungsfrage ist bei uns in Deutschland aber derzeit eher noch theoretischer Natur mangels tatsächlicher Streitfälle. Zum einen sind die Projekte noch nicht so weit oder aber man gibt sich noch Zeit, die Methode auszuprobieren, ohne sich darüber zu streiten. Aber ich prognostiziere, dass dies in Zukunft auch in Deutschland kommen wird. Die Fragen, die derzeit in der Vertragsgestaltung aufgeworfen werden, ploppen spätestens dann auf, wenn sie in der Gestaltung der Verträge nicht gelöst wurden. Ein Beispiel: Ein Fachplaner sagt, dass ihm ein Modell übergeben wurde, in dem es bereits einen Fehler gibt. Er fragt: „Was mache ich jetzt, hafte ich für einen Fehler, den ich nicht gemacht habe? Hafte ich, weil ich der letzte in der Kette bin und das Projekt schließlich übergebe?“ Da machen sich manche Fach- und Objektplaner große Sorgen, dass da im Sinne einer Gesamtschuld etwas auf sie zurückfallen könnte. Das muss man daher heute schon lösen, und dies geschieht am besten durch eindeutig vertragliche Regelungen. Dafür gibt es Muster, die aber auch angewendet werden müssen.

Welche Rolle kann buildingSMART bei der Rechtsgestaltung zu BIM spielen?
Als nationales Chapter buildigSMART Deutschland können wir natürlich etwas leisten. Dabei haben wir die deutsche Rechtsordnung zu betrachten. Innerhalb von buildingSMART Deutschland haben wir die Fachgruppe Recht, die genau solchen Fragen nachgeht. Zum Beispiel werden wir Anfang 2024 direkt von dem Anwalt, der an dem Gutachten zur neuen HOAI mitwirkt, erfahren, wie weit man ist und wann wir damit rechnen können, dies als geschriebenes Gesetz sehen zu können. Wir gehen aber auch Haftungs- und vergaberechtlichen sowie urheberrechtlichen Fragen nach.

Seit einigen Jahren tauschen wir uns zudem auf internationaler Ebene aus – vor allem mit schweizerischen, österreichischen und niederländischen Kollegen, mit den skandinavischen Ländern. Dabei müssen wir beachten, dass jedes Land seine eigene Rechtsordnung hat. Sich auszutauschen und voneinander zu lernen, zu erfahren, wie war deren Herangehensweise – auch in Bezug auf öffentliche Baugenehmigungen, da können wir jedoch alle voneinander lernen. An diesem Austausch sollten wir bei buildingSMART International weiterarbeiten. Trotz aller Rechtsunterschiede sind Gemeinsamkeiten festzustellen, von denen wir wirklich profitieren können.

Auch die EU-Verordnungen in Bezug auf Produkte werden rechtlich zukünftig eine immer wichtigere Rolle spielen?
Natürlich. Das ist ein ganz entscheidender Faktor, der tatsächlich alle EU-Länder treffen würde. Da können wir gemeinsam draufschauen und unsere Einschätzungen abgeben. Da können wir dann sogar unseren Finger heben und deutlich machen, dass es unter Umständen nicht im Sinne der Bau- und Immobilienbranche ist, nicht im Sinne der Anwender. Es wäre sehr weise von der EU, da auch auf buildingSMART-Knowledge zuzugreifen.

Herr Dischke, vielen herzlichen Dank für das Gespräch!