Screenshot aus Software Solibri, Vollack, 2022Vollack
 | Planen, Best Practice

Digitale Schlitz- und Durchbruchsplanung 

Aus der gemeinsamen Perspektive der Architektur- und Tragwerksplanung

Florian Keim, Klaus Teizer, Michael Müller

Mit der digitalen Schlitz und Durchbruchsplanung haben kleine, unscheinbare und bunte 3D-Körper Einzug in unsere Fachmodelle erhalten. Klein, unscheinbar und gleichzeitig mit großer Wirkung!

Hierzu ist auf Initiative und Mitwirkung von buildingSMART das Blatt 11.2 „Schlitz- und Durchbruchsplanung“ in Form eines Leitfadens zum Erstellen und Prüfen der Fachmodelle in der Richtlinienreihe VDI/bS 2552 „Building Information Modeling“ entstanden. Mit dem Leitfaden kommen wir von einem reinen zweidimensionalen, langatmigen Prozess des „Pläne Übereinanderlegens“ hin zu einem modellgestütztem Planungsprozess. So lassen sich nicht nur Geometrien und anfallende Kollisionen prüfen, sondern auch Unterschiede im semantischen Verständnis der unterschiedlichen Fachdisziplinen erkennen und beseitigen.

Die Richtlinie 2552 gibt Halt

Die Richtlinienreihe 2552 besteht derzeit aus 11 Blättern und beschreibt Grundlagen und zahlreiche praktisch umsetzbare Anwendungsfälle. Zu den grundsätzlichen Vereinbarungen gehören die Blätter eins bis sieben. Ab Blatt 9 „BIM – Klassifikation“ beginnt die praktische Umsetzung, welche in den Blättern 11 und folgend mit deren Unterblättern die Beschreibung standardisierter BIM-Anwendungsfälle mittels sogenannten IDMs (Information Delivery Manuals) vornimmt. Darunter fällt auch das Blatt 11.2 Schlitz und Durchbruchsplanung.

BPN Modell der Schlitz- und Durchbruchsplanung in Anlehnung an die VDI/bS 2552 Blatt 11.2

Bildcredit: Vollack, nach BPN Modell der Schlitz- und Durchbruchsplanung VDI/bS 2552 Blatt 11.2 

Das Blatt 11.2 „Schlitz- und Durchbruchsplanung“ beschreibt im Allgemeinen ein Workflow bzw. Ablaufplan, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Planungstiefe bestimmte Informationen vorhanden und durch die Planungsbeteiligten übergeben werden müssen. Im Speziellen wird in diesem Blatt definiert, wie erforderliche Bauteile in den Fachmodellen zu benennen und klassifizieren sind. Der in vier Hauptschritten unterteilte Workflow schafft das gemeinsame Miteinander in einem verschwendungsärmeren Planungsprozess für eine digitale Schlitz und Durchbruchsplanung.

Verschwendungsarmer Ablauf in vier klaren Schritten

In der herkömmlichen 2D-CAD-Planung werden Schlitze, Durchbrüche und Nischen durch Linien, Schraffuren und Symbole im Dokument gekennzeichnet. Im Zuge von Planungsänderungen müssen diese Kennzeichnungen durch die Planungsbeteiligten manuell angepasst werden. Aus eigenen, früheren Erfahrungen ist dies zeitaufwändig und fehleranfällig. Der größte Nachteil der zweidimensionalen Planung liegt im Fehlen der dritten Dimension. So können durch fehlende geometrische Überprüfung der Höhenangaben Missverständnisse entstehen. Diese Fehlerquellen führen auch in der oftmals baubegleitend stattfindenden Planung zu weiteren Unstimmigkeiten in den ausführenden Einzelgewerken und Mehraufwänden beziehungsweise Zusatzkosten. 

Der größte Unterschied von der herkömmlichen zur BIM-basierten Vorgehensweise wird deutlich im Ablaufplan erkennbar. Erst mit der Koordination und Abstimmung der vorgesehenen Durchbruchsvorschläge in den Gewerken der Technischen Gebäudeausrüstung (TGA), werden diese in den Fachmodellen der Architektur und Tragwerksplanung mit aufgenommen.

Im standardisierten Planungsprozess nach VDI 2552 Blatt 11.2 erhält der Architekt im ersten Schritt die Durchbrüche als Vorschläge von den TGA-Fachplanungen. Jetzt nicht mehr als Symbol in einem zweidimensionalen Plan, sondern als sogenannter ProvisionForVoid (Durchbruchsvorschlag) in Form von einfachen dreidimensionalen Volumenkörpern. Diese Körper werden idealerweise als separates Durchbruchsmodell mit entsprechender Attribuierung der Durchbruchsvorschläge übergeben. 

Aus eigenen Erfahrungen führen wir – im Gegensatz zum vorgesehenen Ablauf in der Richtlinie – den zweiten und dritten Schritt zusammen aus. 

Statt einer getrennten Prüfung nach Fachdisziplin hat es sich als praktikabler herausgestellt, ein gemeinsames Koordinierungs- und Prüfmodell vorzusehen. Damit werden Abhängigkeiten der unterschiedlichen Prüfungen direkter sichtbar, Lösungen können besser gefunden werden und das gemeinschaftliche Sammeln der Prüfergebnisse und Hinweise ist eine direkte Koordination möglich.

In ersten Prüfungen werden gegebenenfalls nur einfache geometrische Unstimmigkeiten geprüft, in einer fortgeschrittenen Phase können detaillierte Prüfungen stattfinden. Als Beispiel dienen hierzu Durchbrüche in Gipskartonwänden: In einer reinen zweidimensionalen Planung stehen Aufwand und Wirkung der Prüfung in keinem sinnvollen Verhältnis. Durch geschickt angelegte Prüfregeln können wir mit wenig Aufwand Durchbrüche in Abhängigkeit der Metallständer prüfen, ohne dass eine Aufwändige Modellierung der Metallständer nötig ist.

Der Durchbruch könnte mit dem Trockenbauständer neben der Tür kollidieren

Bildcredit: Screenshot aus Software Solibri, Vollack, 2022

Die aufgetretenen Fehler und Hinweise werden im Schritt vier mittels des BCF-Formats (BIM-Collaboration Format) an die jeweiligen Fachplanungen zur Bearbeitung weitergebenen. Erfahrungsgemäß ist hier ein regelmäßiger Termin zur direkten Abstimmung mit allen Planungsbeteiligten sehr hilfreich. Die Schlitz- und Durchbruchsplanung kann zudem bestens in einen leanen Planungsprozess als wöchentliches Arbeitspaket mit aufgenommen werden. Ein frühzeitiges Einbinden der Planungsbeteiligten und das Aufdecken fachtechnisch problematischer Bereiche ermöglicht spätere Störungen proaktiv zu vermeiden. Der so entstandene Workflow „Erstellen-Sammeln-Prüfen-Ändern“ ist ein iterativer und skalierbarer Prozess, der für ganze Projekte, Bereiche sowie Geschosse oder für einzelne Durchbruchsvorschläge durchgespielt werden kann.

Der Weg ist standardisiert und praxiserprobt

Der standardisierte Ablauf ist in der Richtlinie in Form eines IDM (Information Delivery Manual) übersichtlich beschrieben und praxiserprobt. Jeder Schritt ist mit den Informationsanforderungen beschrieben und für alle Planungsbeteiligten im gemeinsam definierten BAP vorgegeben. Aus der Perspektive von Architekten, TGA- und Tragwerksplanern ist diese Vorgehensweise ein logischer, produktivitätssteigender Weg. Zudem steigt im Zuge der weiteren Projektdetaillierung der Informationsgehalt der Schlitz- und Durchbrüche mit weiteren Attributen und Qualitäten an.

Vergleich herkömmlicher Projektablauf BIM Projektablauf. Bild links nach Heinz-Michael Ruhland, Allplan; Bild Mitte nach Patrick MacLeamy, 2004; Bild rechts André Borrman, 2015

Bildcredit: Transformation der Unternehmensprozesse im Übergang von der traditionellen auf die BIM-gestützte digitale Planung, S. 31 Masterthesis von Laura Obhof, Hochschule Karlsruhe, 11. Juli 2018. 

Das Tragwerksbüro Müller Baukonstruktion und die Vollack Gruppe setzten den Prozess der digitalen Schlitz- und Durchbruchsplanung in einem ersten BIM-Projekt im Jahr 2020 erfolgreich um. Nach der Devise „Einfach machen“ haben beide Planungspartner anhand der oben beschriebenen Vorgehensweise und auf Basis der Normenrichtlinie VDI 2552 die digitale Zusammenarbeit organisiert und die Arbeitsschritte praktisch implementiert.

Dabei verlief die modellbasierte Abstimmung zwischen Architektur und Tragwerksplanung von Beginn an durch das gemeinsame Verständnis unkompliziert und in sich stimmig ab. Die Grundlage hierfür bildete der BIM-Abwicklungsplan (BAP). Wichtig für den praktischen Erfolg ist es auch, die TGA-Fachplaner von Beginn an mit einzubinden. Aus früheren Erfahrungen ergeben sich Schwierigkeiten, Missverständnisse und Mehraufwände in der modellbasierten Kommunikation unter allen beteiligten Fachplanern immer dann, wenn die entsprechenden Vorgaben und Angaben im BAP unklar definiert sind oder sogar schlichtweg ignoriert werden.

Durchbruchsverbotszone Statik, Abb. Screenshot Allplan, Müller Baukonstruktion 

Bildcredit: Müller Baukonstruktion

Der durch die digitale Standardisierung entstehende Prozess lässt eine oftmals (theoretische) Diskusion über die Aufwandsvorverlagerung entstehen. In der Praxiserprobung stimmte die heute gängige Beauftragungspraxis nach HOAI nicht mehr mit der Planungspraxis überein.

Mittlerweile sind die ersten Projekte nach der neuen Arbeitsweise abgeschlossen und mit den fachbeteiligten Planern im Nachgang ausgewertet worden. Aus diesen persönlichen Erfahrungen wurde der BAP und die darin digital beschriebenen Arbeitsschritte weiter verfeinert und praktisch optimiert. Davon profitieren alle nachfolgenden Projekte und auch im besonderen Maße auch die Planungsbeteiligten. Mittels der oben beschriebenen Vorgehensweise und durch die Aufwandsvorverlagerung ist neben der messbaren Produktivitätssteigerung auch eine signifikante Erhöhung der Planungsqualität zu beobachten.

Somit führt die Digitalisierung der Schlitz- und Durchbruchsplanung zu Freude und Lust statt Leid und Frust. Mit diesen Grundlagen eröffnen sich jetzt die nächsten Möglichkeiten und ergeben sich neue Ideen in der Anwendung offener Standards. So können bereits in frühen Planungsphasen für eine noch detailliertere Kostenschätzung weitergehende Anforderungen wie Brandschutzqualitäten besser gefasst und berücksichtigt werden. Ganz im Sinne „best for project“ werden zeit- und kostenaufwändige Fehl- und Umplanungen mittels einem digitalen Wissens- und Informationenmanagement faktisch ausgeschlossen.

 

Lesen Sie auch: Schlitz- und Durchbruchsplanung

Heft 2.02 der bSD Schriftenreihe mit einem VDI-lizensierten Nachdruck des Richtlinienentwurfs VDI/bS 2552 Blatt 11.2:2020-11

Autor/innen

Florian Keim

Florian Keim

BIM-Manager und Dozent, Vollack-Gruppe

hat sich während der Bauzeichner-Lehre in Konstanz und dem anschließenden Architekturstudium auf BIM und Bausoftware spezialisiert. Er ist im BIM-Kernteam und in der Region SÜD der Vollack Gruppe als BIM-Manager sowie als Lehrbeauftragter für Darstellungsmethodik an der Hochschule Karlsruhe tätig. 

Klaus Teizer

Klaus Teizer

Geschäftsführer, Vollack Gruppe

war nach dem Bauingenieurstudium in Karlsruhe und Wien viele Jahre im Bau- und Projektmanagement und im Bereich Technik + Innovation aktiv. Heute ist er in der Vollack Gruppe als Geschäftsführer tätig. Er ist Lehrbeauftragter am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und an der Hochschule Karlsruhe. Er engagiert sich bei buildingSMART Deutschland und German Lean Construction Institute (GLCI).  

Michael Müller

Michael Müller

Geschäftsführer, MBK

Michael Müller nach dem Bauingenieurstudium in Biberach an der Riss viele Jahre bis heute in der Tragwerksplanung tätig. Nach den erfolgreichen Weiterbildungen zum zertifizierten BIM Professional und dem MBA im Bereich Unternehmensführung Bau gründete er 2020 das Büro MBK in Nagold. (MBK)