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BIM und Energieberatung

Die Integration der Energieberatung in BIM wird immer wichtiger

Ernst Rosendahl

Energiefragen bestimmen zunehmend das politische Denken und Handeln. Ein großer Anteil davon betrifft die Bauwirtschaft: vom Einfamilienhaus bis zum Großprojekt der öffentlichen Hand, der Industrie oder des Gewerbebaus, von der Sanierung bis zum Neubau.

Hier hat sich inzwischen die Energieberatung als Teil der Planung oder als separate Dienstleistung etabliert und wird zunehmend gefördert, u. a. durch die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) im Rahmen des Moduls 2 Energieberatungen DIN V 18599. Gemäß Gebäudeenergiegesetz (GEG) stellt das ca. 1000-seitige Regelwerk der DIN V 18599 das verbindliche Energiemodell für energetische Berechnungen dar.

Wie das Architekturmodell (3D-Gebäude-Zeichnung), so verarbeitet auch das Energiemodell mit Gebäude-, Raum- und Bauteil-Geometrien Basisdaten der Architektur. Damit sind potenziell wichtige Voraussetzungen gegeben, um aus der Architektur über einen BIM-effizienten Arbeitsprozess ein benötigtes Energiemodell abzuleiten.

Wie sieht der Arbeitsprozess im Einzelnen aus? Welche Hindernisse müssen gegebenenfalls überwunden werden? Welche energetischen Nachweise gibt es? In welcher Planungsphase ist eine Energieberatung sinnvoll?

Pionierprojekte

Energieberatung kann schon im Wettbewerbsstadium sinnvoll sein, wenn es darum geht, die energetische Qualität der reinen Architektur als Bewertungskriterium für die Vergabe heranzuziehen. Praktiziert wurde dies bereits vor 20 Jahren bei den Bundesbauverwaltungen. So heißt es im Fazit eines Artikels im BundesBauBlatt 2/2004:

„Wegen der relativ hohen energetischen Unterschiede der Gebäudeentwürfe hat das Land NRW mit Hinblick auf Klimaschutz und Wirtschaftlichkeit für Neubauten mit mehr als 5000 m2 Hauptnutzfläche Energieprognosen verbindlich vorgeschrieben (Runderlass vom 20.08.2002).“

Rechnerische Grundlage für die Prognosen war das Regelwerk der VDI 2067-10/11. Für normierte bauphysikalische Eigenschaften weist das Regelwerk u. a. den Jahresbedarf für Heiz- und Kühlenergie nach. Die Architektur wurde näherungsweise mit geometrischen Eckdaten der Geschosse und transparenten bzw. nichttransparenten Hüllflächen dargestellt.

Die numerische Datenerfassung von Geschoss-Hüllflächen-Geometrien erfolgte manuell und dezentral bei den Wettwerbern in einem von der Bauverwaltung initiierten tabellarischen Erfassungstool, die anschließende Auswertung zentral bei der Bauverwaltung mit einem zum Tool passenden Berechnungsprogramm gemäß VDI 2067-10 (Energiebedarf von Gebäuden). Schnittstellen zwischen Architekturzeichnungen und normbasierten Energieberechnungen zum Einsparen der numerischen Datenerfassungsarbeit gab es damals noch nicht, wurden aber insbesondere in der Architektenschaft stark gewünscht.

Verbund Architektur und Berechnung heute

Mit dem Übergang vom 2D-Zeichnen im Grundriss zum objektorientierten 3D-Konstruieren eines Gebäudes und seiner darin enthaltenen Elemente und Anlagen schuf die Softwareentwicklung im CAD-Bereich die logischen Voraussetzungen, damit sich die objektorientierten Energiemodelle und andere Fachmodelle (Bauphysik, TGA usw.) über Import- bzw. Exportschnittstellen mit Architekturmodellen verbinden lassen. Erst dadurch wird effizientes Arbeiten als BIM-Arbeitsprozess möglich, am ehesten dann, wenn dem Architekturmodell die gleiche CAD-Software zugrunde liegt wie dem Energiemodell (Closed-BIM).

Oft ist das nicht der Fall, wenn der Architekt für sein Modell ein bestimmtes CAD-System einsetzt, der Fachplaner jedoch mit einem anderen CAD-System zum Kombinieren mit Gebäude- und TGA-Berechnungen arbeitet. Ein zielführender Weg kann hier eine Verbindung gemäß IFC-Standard sein.

Konzept des IFC-Standards

Der IFC-Standard ist ein offener, in der ISO 16739 definierter, weltweiter Standard zum Austausch von Gebäudedatenmodellen im Bauwesen und wird vom buildingSMART gepflegt (Open-BIM). Im betrachteten BIM-Arbeitsprozess exportiert die Architektursoftware zunächst relevante Daten in eine IFC-Export-Schnittstellen-Datei. Diese wird dann beim Fachplaner in seine Software, die ebenfalls den IFC-Standard unterstützt, importiert und daraus das Fachmodell generiert.

Wie erwartet, zeigt sich dann in der 3D-Visualisierung das gleiche Gebäude, wie es in der Architektursoftware erstellt wurde. Damit ist jedoch nicht automatisch sichergestellt, dass das Fachmodell automatisch auch für Energie-Anwendungen berechnungstauglich ist.

Dilemma des IFC-Standards

Mit dem Anspruch, die Architektur möglichst vollständig und detailliert nach individuellen Gestaltungsvorstellungen des Architekten abbilden zu können, weist der IFC-Standard eine Vielzahl von Objektklassifizierungen auf, die für Ansichten aller Art wichtig sind, aber in der Berechnung nicht benötigt werden, nicht eindeutig oder unzutreffend sind. Eine automatisierte Verknüpfung ist daher nur eingeschränkt möglich.

Völlig unmöglich ist eine automatische Abbildung von frei vom Architekten definierten allgemeinen Elementen oder textlich frei vergebenen Attributen, die keine Entsprechung im Regelwerk von Berechnungsnormen haben. Abhilfe schafft dann nur eine arbeitsaufwändige manuelle Anpassung oder Ergänzung der Gebäudedaten im Energiemodell. Oft ist ein Verzicht auf den IFC-Import und stattdessen eine komplette manuelle Neuerfassung der Daten im Energiemodell der einfachere Weg.

Spezielle IFC-Manager als Lösungsansatz

Inzwischen gibt es im Markt spezielle Tools, die auf die Belange des Energieberaters und TGA-Fachplaners zugeschnitten sind. Damit lassen sich IFC-Dateien aus der Architektur für Spezifika von Energie-, Bauphysik- und TGA-Anwendungen rationell oder mit vertretbarem Aufwand aufbereiten. Teils lassen sich IFC- auf benötigte Objekt-Klassen des eigenen Systems global (d .h.,  automatisiert) zuordnen, teils spezifisch mit einstellbaren Funktionalitäten.

Insbesondere kann der Fachplaner die allgemeinen – gegebenenfalls nach freien Attributen unterschiedenen – IFC-Elemente (ifcBuildingElementProxy) in der Tabelle einsehen und entscheiden, welche davon berechnungsrelevant bzw. welche zu löschen sind. Diese spezielle Arbeitsweise fördert in allen Planungsphasen Arbeitsprozesse, um den Stand der Architekturplanung rechnerisch mit Energieberatung und anderen Rechennachweisen zu begleiten.

Energetische und andere DIN V 18599-Nachweise

Aus dem Fachmodell können mithilfe des Tools sofort die geometrischen Eckdaten des Gebäudes mit seinen Geschossen, Zonen, Räumen und Bauteiltypen im Programm Energieeffizienz Gebäude DIN V 18599 / GEG abgeleitet werden. Voreinstellungen vereinfachen das Editieren aller zusätzlich benötigten Daten und Randbedingungen für Bauteildetails, Nutzungsart, Klima und TGA für Erzeugung, Speicherung, Verteilung und Übergabe im algorithmischen Modell der DIN V 18599. Alle offiziellen Nachweise lassen sich aus einem Projekt generieren:

  • Energieausweis DIN V 18599 / GEG
  • BAVA-Energieberichte für Wohn- und Nichtwohngebäude
  • Nachweis für die BEG-Förderung
  • eLCA-Schnittstelle für Ökobilanzen
  • Individueller Sanierungsfahrplan (iSFP)

Über 100 tabellarische und grafische Nachweise für Analysen, Dokumentation und Bauherrn-Beratung stehen zur Verfügung. Wichtige Ergebnisse werden auch ins Revit-Modell geschrieben.

Viele Energieberatungsoptionen

Nachweise in der Energieberatung beschränken sich nicht auf die o. g. offiziellen Dokumente, sondern sind so vielseitig, wie es der Bauherr wünscht bzw. der Fachplaner empfiehlt. Es gibt viele Möglichkeiten, ein Neubau- oder Sanierungsprojekt zukunftsorientiert zu konzipieren und zu planen. Eine zielführende Arbeitsmethode besteht darin, sinnvoll erscheinende bauliche, technische oder kombinierte Lösungsvarianten durchzurechnen und hinsichtlich Betriebskosten (u. a. für Energie) und Investitionskosten zu vergleichen.

Aus BIM-Sicht ist dabei entscheidend, dass alle Gebäudeberechnungsprogramme (DIN V 18599, Thermische Gebäudesimulation, Last-Berechnungen für Heizung und Kühlen) miteinander durchgängig verbunden sind. So lässt sich z. B. schnell und einfach berechnen, wie sich zusätzlicher Sonnenschutz auf Jahresheiz- und -kühlbedarf sowie die Auslegung der Wärme-/Kälteerzeugung auswirken.

Variantenvergleiche können baulich-technisch kombinierte Lösungen ebenso betreffen wie Einzelmaßnahmen, z. B. Wärmeerzeuger (siehe Abb. 5). Optional lässt sich jede Variante schnell und einfach auch dynamisch-betriebswirtschaftlich nach VDI 2067-1 / 6030 nach Kapitalwert-, Annuitäten-, Amortisations- oder Zinsfußmethode durchrechnen. Insgesamt liefert ein Variantenvergleich sachlich fundierte Entscheidungs-Grundlagen für den Bauherrn.

Fazit

Mit einer passenden Software, wie sie z. B. SOLAR-COMPUTER anbietet, lassen sich heute praktikabel und arbeitseffizient Eckdaten aus der Architektur für Rechenanwendungen in Fachmodellen aufbereiten – in frühen Planungsphasen ebenso wie in späteren Phasen.

Dabei spielt es aus BIM-Sicht keine Rolle, ob die Fachplaner im Architekturteam integriert sind oder extern einbezogen werden müssen. Frühes beratendes Einbeziehen von Fachplanern in die Architekturplanung kann gegebenenfalls vorhandene energetische Schwachstellen der Architektur aufspüren. Der Klimawandel und die dadurch bedingten politischen Vorgaben werden in Zukunft weiter verschärfte Bau- und Sanierungsvorschriften zur Folge haben. Das macht den Komplex BIM und Energieberatung zu einem immer wichtigeren Thema.

Autor/in

Ernst Rosendahl

Ernst Rosendahl

SOLAR-COMPUTER GmbH

Ernst Rosendahl gründete 1978 die SOLAR-COMPUTER GmbH. Das Unternehmen bietet Software für die Bereiche Energie, Bauphysik, Heizung, Sanitär, Klima, Lüftung, Gebäude- und Anlagensimulation, Wirtschaftlichkeitsberechnung und Datanorm an. Im Jahr 2008 übergab Ernst Rosendahl die Geschäftsleitung an seinen Sohn Felix Rosendahl. Ernst Rosendahl ist weiterhin im Unternehmen tätig. Er betreut u. a. laufende Softwareprojekte und Leistungen der SOLAR-COMPUTER GmbH. (solar-computer.de)