Typischer ISO-ReinraumKelvin RRS GmbH – Rendering: M. Spahn
 | Interview & Meinung, Planen, Bauen, Betreiben

BIM transformiert den Reinraum- und Laborbereich

Building Information Modeling bringt im Reinraum- und Laborbereich trotz der Tatsache, dass jeder Reinraum und jedes Labor eine Einzelanfertigung ist, zahlreiche Vorteile mit sich. Michael Spahn, Co-Autor des BIM Professional „BIM im Reinraum- und Laborbereich" und Senior BIM Manager bei der Kelvin Reinraumsysteme GmbH, spricht im Interview über diese Vorteile, nennt aber auch die noch zu bewältigenden Herausforderungen. Dabei wird deutlich: Der Aufwand lohnt und führt zu Mehrwert.

Herr Spahn, Building Information Modeling ist eine digitale Methode für die Zusammen- und Projektarbeit in der Bau- und Immobilienbranche. Wie lässt sich da eine Verbindung zum Reinraum- und Laborbereich herstellen?
Building Information Modeling (BIM) revolutioniert die Bau- und Immobilienbranche durch digitale Methoden zur effizienten Zusammenarbeit. Im Reinraum- und Laborbereich kann diese innovative Herangehensweise ebenfalls transformative Auswirkungen haben. Durch die Implementierung von BIM können Architekten, Ingenieure und Fachleute im Reinraum- und Laborbau präzise digitale Modelle erstellen, die nicht nur das Design, sondern auch Aspekte wie Raumluftqualität, technische Anforderungen und Sicherheitsstandards integrieren. 

Die Verbindung zwischen BIM und dem Reinraum- sowie Laborbereich liegt in der ganzheitlichen Planung und dem koordinierten Informationsaustausch. BIM ermöglicht es, alle relevanten Daten und Anforderungen in einem digitalen Modell zu erfassen, was zu einer verbesserten Zusammenarbeit und Kommunikation während des gesamten Bauprozesses führt. Dies ist besonders wichtig im Reinraum- und Laborbau, wo strenge Normen und Präzisionsanforderungen gelten.

 

Michael Spahn

Michael Spahn ist zusammen mit Dr. rer. nat. Andreas Schaller Autor des BIM Professional "BIM im Reinraum- und Laborbereich".

Welche Vorteile ergeben sich in der Lebenszyklusbetrachtung von Reinräumen und Laboren durch den BIM-Einsatz – für Planer, Hersteller und Nutzer?
Beginnend mit den Planern ermöglicht BIM eine umfassende und präzise Erfassung aller relevanten Informationen im Planungsprozess. Dies umfasst nicht nur das räumliche Design, sondern auch technische Anforderungen, Materialdaten, Energieeffizienz und Sicherheitsstandards. Diese umfassende Datenbasis ermöglicht eine fundierte Entscheidungsfindung und einen effektiven Informationsaustausch zwischen den Planungsbeteiligten. 

Für Hersteller eröffnet der Einsatz von BIM im Lebenszyklus bezugnehmend auf Reinräume und Labore die Möglichkeit, den Bauprozess zu optimieren und Kosten zu minimieren. Durch die digitale Darstellung des gesamten Bauprozesses können Hersteller frühzeitig potenzielle Herausforderungen identifizieren, Materialbedarfe genauer planen und die Produktion effizienter gestalten. Dies führt zu einer besseren Ressourcennutzung und letztendlich zu Kosteneinsparungen.

Für die Nutzer, welche in Reinräumen und Laboren letztendlich arbeiten, bedeutet der BIM-Einsatz im Lebenszyklus eine verbesserte Qualität und Effizienz. Digitale Modelle ermöglichen eine präzise Darstellung von Betriebsabläufen, technischen Systemen und Sicherheitsvorkehrungen. Dies unterstützt Nutzer bei der effektiven Verwaltung und Wartung.

Den Vorteilen stehen die Herausforderungen gegenüber. Welche Herausforderungen gilt es im Zusammenspiel von BIM und Reinräumen bzw. Laboren noch zu regeln?
Im Zusammenspiel von Building Information Modeling (BIM) und Reinräumen beziehungsweise Laboren gibt es trotz der zahlreichen Vorteile tatsächlich auch einige Herausforderungen zu bewältigen. Eine zentrale Herausforderung liegt in der Komplexität und Spezifik der Anforderungen im Reinraum- und Laborbereich. Diese Umgebungen erfordern höchste Präzision in Bezug auf Sicherheitsstandards, Reinheitsklassen, technische Anforderungen und spezialisierte Ausstattung. Die Adaption von BIM auf diese hochspezialisierten Anforderungen erfordert eine kontinuierliche Anpassung und Erweiterung der digitalen Modelle, um alle relevanten Aspekte angemessen zu berücksichtigen. 

Ein weiteres Hindernis liegt in der Integration von verschiedenen Fachdisziplinen und deren Softwarelösungen. Im Reinraum- und Laborbau arbeiten oft Architekten, Ingenieure, Fachplaner und weitere Experten zusammen, die unterschiedliche Softwaretools und Standards nutzen. Die nahtlose Integration dieser verschiedenen Systeme in einem BIM-Modell erfordert eine effiziente Kommunikation und Standardisierung, um Informationsverluste zu vermeiden und die Zusammenarbeit zu erleichtern.

Die Verfügbarkeit von qualifiziertem Personal, das mit BIM und den oben erwähnten Anforderungen des Reinraum- und Laborbaus vertraut ist, stellt ebenfalls eine Herausforderung dar. Die Schulung von Fachleuten auf den neuesten Stand der BIM-Technologie und gleichzeitig in den hochspezialisierten Anforderungen des Reinraum- und Laborbaus kann zeit- und ressourcenintensiv sein.

Ein weiterer Punkt betrifft die Datensicherheit und Vertraulichkeit, insbesondere in Laboren, in denen häufig sensitive Forschungsdaten behandelt werden. Die Implementierung von BIM erfordert klare Richtlinien und Sicherheitsmaßnahmen, um sicherzustellen, dass sensible Informationen geschützt sind und die Integrität der Forschungsprojekte gewährleistet ist. Gerade im Hinblick auf Projekte mit höchst sensiblen Daten, muss beim Thema Datensicherheit noch einiges an Arbeit in den jeweiligen Gremien aufgewendet werden. 

Als besonders herausfordernd stellen Sie in Ihrem Buch die Verbindung von BIM und der Good Manufacturing Practice, GMP, dar. Was gilt es hier zu beachten und wie gelingt die GMP-konforme Planung mit BIM?
Die Verbindung von Building Information Modeling (BIM) und der Good Manufacturing Practice (GMP) stellt zweifellos eine anspruchsvolle Aufgabe dar, insbesondere in den Bereichen, in denen die Produktion von Arzneimitteln, medizinischen Geräten oder anderen pharmazeutischen Produkten stattfindet. Die Einhaltung der GMP-Richtlinien ist von entscheidender Bedeutung, um die Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit dieser Produkte zu gewährleisten. 

Da ist das Thema Dokumentationsanforderungen: Die GMP legt großen Wert auf eine umfassende Dokumentation aller Prozesse und Entscheidungen. Bei der Verwendung von BIM müssen die digitalen Modelle nicht nur das räumliche Design, sondern auch alle relevanten Daten zu Materialien, technischen Systemen und Sicherheitsvorkehrungen enthalten. Es ist wichtig sicherzustellen, dass alle Informationen in den BIM-Modellen lückenlos dokumentiert und nachvollziehbar sind.

Dann das Thema Validierung von BIM-Modellen: GMP erfordert eine umfassende Validierung von Produktionsprozessen. Dies gilt auch für die digitalen Modelle, die in BIM erstellt werden. Eine genaue Überprüfung und Validierung der BIM-Modelle ist notwendig, um sicherzustellen, dass sie den GMP-Standards entsprechen und zuverlässige Grundlagen für die Planung und den Betrieb bieten. Derzeit gibt es noch keine standardisierte Methode, welche BIM-Modelle gemäß der GMP-Richtlinie validiert. Intern bei uns gibt es schon vielversprechende Vorgehensweisen. 

Ein weiteres Thema ist das Änderungsmanagement: GMP erfordert ein strenges Änderungsmanagement, um unvorhergesehene Auswirkungen auf die Produktqualität zu vermeiden. Bei der Nutzung von BIM müssen Änderungen am digitalen Modell sorgfältig dokumentiert und nachverfolgt werden. Dies gilt insbesondere, wenn während des Bauprozesses Anpassungen vorgenommen werden. Hier ist sicherzustellen, dass die GMP-Richtlinien weiterhin eingehalten werden.

Thema Nr. 4 ist die Zusammenarbeit und Schulung: Die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Fachleuten im GMP-Bereich und der BIM-Expertise erfordert eine klare Kommunikation und Schulung. Es ist entscheidend, dass alle Beteiligten ein gemeinsames Verständnis für die GMP-Anforderungen und die Verwendung von BIM entwickeln, um Missverständnisse zu vermeiden und eine effektive Zusammenarbeit sicherzustellen.

Und auch Cybersecurity ist ein Thema: Da BIM als Modell auf digitalen Daten basiert, ist die Sicherheit der digitalen Modelle von zentraler Bedeutung. In der GMP-konformen Planung müssen angemessene Maßnahmen getroffen werden, um die Vertraulichkeit und Integrität der Daten zu gewährleisten. Ebenso ist sicherzustellen, dass keine unbefugten Änderungen vorgenommen werden können.

Wie bewerten Sie den Aufwand der BIM-Einführung für Planer und Hersteller von Reinräumen und Laboren?
Die Einführung von Building Information Modeling (BIM) in den Bereich der Reinräume und Labore ist zweifellos mit verschiedenen Herausforderungen und Aufwänden verbunden. Einhergehend mit der immer gleichen Frage: „Welcher Mehrwert ist damit verbunden?“. Der Reinraum- und Laborbereich kann mit einem kleinen elitären Kreis verglichen werden. BIM wird sich durchsetzen – keine Frage! Jedoch nicht so rasant und wachsend wie in der Immobilienbranche oder im Infrastrukturbereich. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass Reinräume zumeist Einzelanfertigungen darstellen, die immer wieder aufs Neue geplant werden. Ein „Recycling“ von Zeichnungen und Modellen ist kaum gegeben.

Demnach gilt für Planer: Die Einführung von BIM erfordert von Planern eine Investition in die Schulung von Mitarbeitern und die Anpassung von Arbeitsprozessen. Es geht darum, eine BIM-Kultur zu etablieren, bei der die Planer die Vorteile der digitalen Modelle für die umfassende Planung und Zusammenarbeit verstehen und nutzen können. Zudem müssen spezielle Anforderungen des Reinraum- und Laborbaus in den BIM-Prozess integriert werden, was zusätzliche Expertise erfordern kann. Der initiale Aufwand ist daher nicht zu unterschätzen.

Für Hersteller gilt: Hersteller im Reinraum- und Laborbau müssen sich auf die Integration von BIM in ihre Produktionsprozesse vorbereiten. Dies beinhaltet die Investition in BIM-fähige Software, die Schulung des Personals und die Anpassung der Produktionsabläufe, um den neuen digitalen Anforderungen gerecht zu werden. Dieser Übergang kann zu Anfangsverzögerungen und erhöhtem Aufwand führen, zahlt sich jedoch langfristig durch effizientere Prozesse und mögliche Kosteneinsparungen aus.

Das Buch zum Interview

Das Buch "BIM im Reinraum- und Laborbereich – eine Transformation in die richtige Richtung!" ist bei uns im bSD Verlag erschienen und kann hier bestellt werden. Darin beschäftigt sich Michael Spahn zusammen mit Andreas Schaller mit den Grundlagen von BIM in Reinräumen und Laboren, insbesondere bei Planung, Ausschreibung, Ausführung, Qualifizierung und Wartung. 

Autoren: Michael Spahn und Andreas Schaller
1. Auflage März 2023
17 cm x 24 cm, broschiert, 234 Seiten