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 | Interview & Meinung

Wie Stuttgart die BIM-Methode einführen will

Interview mit Günter Siebers, Leiter des Stadtmessungsamtes der Landeshauptstadt Stuttgart.

Für den politischen Newsletter von buildingSMART Deutschland, "das Berlin Briefing", haben wir Günter Siebers zur geplanten BIM-Einführung in der Stadtverwaltung Stuttgart interviewt. 

Herr Siebers, Stuttgart will bis zum Jahr 2030 Bauwerke digital planen, errichten und bewirtschaften. Das hat der Gemeinderat am 9. Februar 2023 beschlossen. Was verspricht sich die Stadt von der Einführung der Building Information Modeling-Methode?

Die Stadt erhofft sich, durch den Einsatz der BIM Methode in den Bereichen Klimaschutz, Digitalisierung und Wirtschaftlichkeit eine noch höhere Effizienz und Nachhaltigkeit zu erzielen.

Für den Klimaschutz werden Vorteile für Materialpässe, CO2-Bilanzierung, den Aufbau einer Kreislaufwirtschaft für Baustoffe sowie für die energetische Optimierung des Gebäudebetriebs erwartet.

Im Bereich Digitalisierung hilft die BIM-Methode, dank der Möglichkeit zum Verzicht auf analoge Workflows und Medienbrüche, bei der Transformation zur papierlosen Verwaltung. Darüber hinaus kann sie perspektivisch einen Beitrag zum Aufbau einer SmartCity Stuttgart mit diversen Digitalen Zwillingen leisten.

Wirtschaftlich erwartet die Stadt durch den Einsatz der Methode auf Projektebene der Baumaßnahmen eine höhere Planungssicherheit und Qualität, und damit Kosteneinsparungen aufgrund eines geringeren Korrekturaufwands in der Ausführung.

Außerdem soll die mit BIM erarbeitete Informationsgrundlage langfristig dabei helfen, die Betriebskosten der städtischen Liegenschaften zu senken, welche den mit Abstand größten Anteil der Lebenszykluskosten eines Bauwerks ausmachen.

Wie sieht die zeitliche und inhaltliche Umsetzung der Strategie in Einzelnen aus?

Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Stuttgart hat auf Vorschlag seiner Stadtverwaltung beschlossen, dass die BIM-Methode zur Planung, Errichtung und den Betrieb von städtischen Bauwerken bei den Ämtern und Eigenbetrieben der Stadt bis zum Jahr 2030 eingeführt werden soll. Das bedeutet, dass in den kommenden Jahren die Anzahl der mit BIM umgesetzten Projekte stetig steigen wird, um das Ziel 2030 zu erreichen.

Gleichzeitig muss eine Lösung für die meisten der vielen Gebäude des städtischen Bestands gefunden werden. Diesen Gebäudebestand gilt es, in Bezug auf die zur Verfügung stehenden Informationen, auf ein einheitliches digitales Level zu hieven. Ziel ist es ein Level herzustellen, das inhaltlich und technisch mit den Werkzeugen eines modernen Facilitymanagements kompatibel ist.

Zusammen betreffen diese Maßnahmen alle bauenden und bauverwaltenden Ämter und Eigenbetriebe der Stadt. Um hier agieren zu können, entwickelt jedes Amt bzw. jeder Eigenbetrieb seine individuelle Strategie zur Einführung und Etablierung der BIM-Methodik.

Die Organisation BIM.Stuttgart behält die Gesamtstrategie der Landeshauptstadt Stuttgart (LHS) im Auge und sorgt für die Koordination zwischen den einzelnen Ämtern und Betrieben. Innerhalb der Organisation BIM.Stuttgart werden gemeinsam die notwendigen Vorgaben, Muster und Standards in der Anwendung der BIM-Methode für die Stadt definiert und festgelegt.

Dabei orientieren sich die einzelnen Arbeitsgruppen ihrerseits so weit wie möglich an Vorgaben und Mustern von bundesweiten Plattformen wie BIM Deutschland, BIM4Infra oder kommunalen BIM-Vorreitern wie der Stadt Hamburg.

Welche Veränderungen kommen auf die Stadt in Bezug auf die Organisationsstrukturen zu? 

Die wesentlichste Änderung der Organisationsstruktur war die Gründung der Organisation BIM.Stuttgart. Diese trat mit der Unterschrift des Oberbürgermeisters Dr. Frank Nopper am 18. Januar 2023 in Kraft.

BIM.Stuttgart besteht aus Vertretern der Ämter und Eigenbetriebe, die die Aufgabe übertragen bekommen haben, eine einheitliche BIM-Strategie für die LHS zu erarbeiten und umzusetzen. Darunter fallen die oben bereits erwähnte Koordination der einzelnen Mitgliedsorganisationen sowie die Festlegung verbindlicher Regelungen und Vorgaben rund um die Anwendung der BIM-Methode innerhalb der Stuttgarter Stadtverwaltung.

Welche Rolle spielt Open-BIM beziehungsweise die Standards und Lösungen von buildingSMART in der BIM-Implementierungsstrategie?

Als kommunale Verwaltung kommt für uns nur der Open-BIM Ansatz und damit die Verwendung des von buildingSMART entwickelten offenen IFC-Standards in Frage.

Hier bauen wir auf die allgemeine Akzeptanz für das Datenformat IFC in einer möglichst aktuellen Version als auch auf die Praxistauglichkeit dieser Lösung.

Die Vorgabe bestimmter, herstellerspezifischer Software-Werkzeuge, die für einen Closed-BIM Ansatz Voraussetzung sind, ist auch mit unserer Vergabepraxis nicht vereinbar.

Was könnten aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen bei der Einführung von BIM sein?

Die hohe Komplexität, da BIM sehr viele Aspekte und Bereiche des Planen, Bauens und Betreibens berührt und wir als Stadtverwaltung mit all diesen Bereichen umgehen müssen.
Es sind viele städtische Organisationen und mit ihnen viele LHS-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter, aber auch sehr viele externe Projektbeteiligte wie Planungsbüros, Firmen der Bauwirtschaft sowie Dienstleister des Facility Managements betroffen.
Alle müssen frühzeitig informiert und mitgenommen, gegebenenfalls geschult und weitergebildet werden. Es gilt, sich dem Ziel schrittweise zu nähern und nach jedem Schritt, falls nötig, nachzusteuern und das weitere Vorgehen anzupassen.

Das alles zu synchronisieren, den Überblick zu behalten und auf jede Entwicklung angemessen zu reagieren, und alles in Abstimmung mit einer Vielzahl von Personen, ist eine durchaus vielschichtige und anspruchsvolle Aufgabe für uns als Stadtverwaltung.

Wie bereitet die Landeshauptstadt ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf den Wandel zum digitalen Planen, Bauen und Betreiben vor?

Zu Beginn ist das wichtigste eine transparente Kommunikation. Die richtigen Informationen in der passenden Art und Weise an die betreffenden Personen zu vermitteln, ist der erste wichtige Schritt. Die Methode selbst muss erläutert werden, warum sie eingeführt werden soll, und wie sich die Umstellung auf die Aufgaben und Abläufe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auswirkt. Idealerweise lässt sich so eine motivierende und engagierende Atmosphäre und Dynamik erzeugen.
Wo nötig, werden Schulungskonzepte erarbeitet, fehlendes Know-how und Fertigkeiten aufgebaut und die Kolleginnen und Kollegen entsprechend ihrer individuellen Voraussetzungen an neue Aufgaben herangeführt.

Wie ist die Resonanz auf die BIM-Implementierungsstrategie bei Ihren Kolleginnen und Kollegen aus anderen Städten?

Wir stehen ganz am Anfang der Entwicklung und werden erst in den kommenden Wochen und Monaten erste Erfahrungen gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen sammeln. Insgesamt kann man vielleicht von einer „reserviert-positiven Erwartungshaltung“ sprechen, die man zwischen den Zeilen des recht heterogenen Flurfunks herauslesen kann.

Herr Siebers, wir danken Ihnen herzlich für das Interview.

 

Das Interview ist im Politischen Newsletter von buildingSMART Deutschland („Das Berlin Briefing“) erschienen. Der Newsletter erscheint alle drei Monate und bringt vor allem Nachrichten aus der Politik und der öffentlichen Verwaltung.