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BIM im Reinraum- und Laborbereich

Die Planung von Reinräumen ist ideal für die BIM-Methodik

Michael Spahn

BIM ist eine Methode, in der einzelne Gewerke in einem Bauprojekt digital vernetzt miteinander zusammenarbeiten können. Speziell die hohen Anforderungen in Reinraumprojekten machen die BIM-Methode nahezu unverzichtbar.

Building Information Modeling (BIM) die Digitalisierung der Baubranche. Darunter versteht man die Planung, den Bau und den Betrieb von Gebäuden mittels digitalen – teilweise virtuellen – Gebäudeinformationen, bezogen auf den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes. 

Nun stellt sich die Frage, welchen Nutzen BIM in der Reinraum- und Laborbranche bietet. Dieser Artikel betrachtet dabei sowohl die Planung als auch die Ausführung, d. h., den Bauablauf mit BIM. Bereits mit Beginn der Planung ist ein gewisses Umdenken erforderlich, wenn man der BIM-Methodik folgt.

Bisher wurden 2D- oder 3D-Planungen nach der Bauphase meist nur archiviert und selten weiterverwendet. BIM-Modelle werden dagegen unter Berücksichtigung des Level of Detail (LOD), Level of Information Need (LOIN), Level of Information (LOI) und Level of Geometrie (LOG) über den ganzen Lebenszyklus eines Reinraums oder Labors benutzt.

Neben dem 3D-Modell werden auch Zeitangaben (4D), Kosten (5D), Simulationen (6D) und das Facility Management (7D) unter Hinzuziehung der VDI 2552 Blatt 3 berücksichtigt und können direkt mit dem Modell verknüpft werden. Daher ist es erforderlich, dass für die Abwicklung des Projekts z. B. Aspekte der Zeit- und Kostenplanung sowie die Messpunkte für spätere Qualifizierungsmessungen miteinbezogen werden müssen. Auch Informationen, die für spätere Wartungen relevant sind – wie Artikelnummern von Ersatzteilen – müssen berücksichtigt werden.

Bei größeren Bauvorhaben wie Gebäudekomplexen wird zudem die spätere Abtragung des Gebäudes, also der koordinierte Ablauf des Abrisses, im Modell hinterlegt. Um dies alles zu realisieren, wird das BIM-Modell mit den gewünschten Informationen versorgt und kann später beispielsweise dem Facility Management (FM) zur Verfügung stehen. Alle Informationen, wie z. B. Berechnungen, Datenblätter, Bauteilinformationen, Zeit- und Kostenabläufe sowie Bauablaufsimulationen sind demnach in einer einzigen Datei, einem BIM-3D-Modell, hinterlegt und können bei Bedarf für die weitere Planung, Umbaumaßnahmen oder Abtragung weiterverwendet werden.

Die Informationen, der zeitliche Aspekt des Datenaustauschs (Data Drop), die BIM-Anwendungsfälle und Ziele des Auftraggebers werden dabei zunächst in der Auftraggeber-Informationsanforderung (AIA) und anschließend im BIM-Projektabwicklungsplan (BAP) nach VDI 2552 Blatt 10 festgehalten. Der BAP wird außerhalb der BIM-Welt auch als Pflichtenheft bezeichnet und ist daher als vertragsgegenständliches Dokument anzusehen. Bei GMP-Projekten können zudem Punkte aus der User Requirements Specification (URS) in den BAP übernommen werden. Aus rechtlicher und technischer Sicht ist zu empfehlen, die AIA als BIM-Dokument und die URS als GMP-Dokument zu separieren und erst bei Erstellung des BAP die inhaltlichen Anforderungen beider Dokumente zusammenzuführen.

Der Nutzen von BIM für Projekte im Bereich Reinraum und Labore lässt sich daher wie folgt zusammenfassen:

  • Erreichen von Kostensicherheit der Bauleistungen durch modellbasierte Fortschreibung von Zeit- und Kostenplanungen
  • Erhöhung der Planungsqualität durch ein berechenbares 3D-Modell und die Anwendung der Baustandards
  • Optimalere Auslegung von technischen Anlagen
  • Vorfertigung von z. B. Leitungssträngen und Einspritzschaltungen aus dem 3D-Modell
  • Digitale Übergabe definierter Daten in den Betrieb und in die Instandhaltung
  • Unterstützung der Öffentlichkeitsbeteiligung
  • Weniger Nachtragsforderungen
  • Wiederverwendung des BIM-Modells bei Umplanung, Erweiterung, Abriss und dadurch Zeit- und Kosteneinsparung

BIM ≠ BIM

Ebenso wichtig wie der Einsatz von BIM ist die Definition von Open-BIM, Closed-BIM, Little-BIM und Big-BIM. Innerhalb der BIM-Landschaft wird zu Projektbeginn zwischen diesen Vorgehensweisen unterschieden. Aber weshalb wird bei der BIM-Methodik nochmal zwischen Closed-BIM und Open-BIM unterschieden?

Der Grundsatz von BIM ist auch das gemeinschaftliche Miteinander innerhalb eines Projekts. Die gesamtheitlichen Vorteile von BIM werden nur dann sichtbar, wenn gemeinsam am Projekterfolg gearbeitet wird, anstelle ausschließlich von persönlichen Vorteilen zu profitieren. Damit dies auf ein gemeinsames Modell übertragen werden kann, müssen passende Werkzeuge und definierte Schnittstellen zur Verfügung gestellt werden.

Am Beispiel von Open-BIM vs. Closed-BIM wird bei Open-BIM mit softwareneutralen Standards und Workflows gearbeitet. Jeder Projektbeteiligte entscheidet selbst über die Softwarelösung. Das gemeinsame Austauschformat ist z. B. IFC (Industry Foundation Classes) gemäß DIN EN ISO 16739.

Bei Closed-BIM wird ein Softwarehersteller für alle Projektbeteiligten vorgegeben, und alle müssen im Projekt mit den gleichen Vorgaben und Workflows arbeiten. Jedoch birgt die Vorgabe von Softwareherstellern Risiken, wenn Tools zum Einsatz kommen (beispielsweise bei Berechnungen für eine Statik), welche die Datenaustauschrichtlinien von Closed-BIM wegen fehlender Schnittstellen nicht einhalten können und somit eine nahtlose Übergabe in die vorgegebene Systemlandschaft nicht ermöglichen

Im Bereich Reinraum und Labore, wo beispielsweise mit vielen unterschiedlichen Tools zur Berechnung von Kälte- und Lüftungsleitungen, Raumdrücken und Leuchtdichteverteilung gearbeitet wird, muss die Entscheidung der jeweiligen Varianten mit Bedacht gewählt werden.

Die Software

BIM keine Software – aber spezielle Software wird benötigt, um BIM-Projekte umsetzen zu können. Gerade die Implementierung von Softwareprodukten in etablierte Firmenstrukturen stellt eine der größten Herausforderungen dar. Der Aufwand der Implementierung, Software- und Schulungskosten, neue Herangehensweisen und die Entwicklung eigener Bauteile sind dabei nur einige von vielen Punkten, die zwingend berücksichtigt werden müssen.

Dabei gilt der Grundsatz: „Je besser die internen Abläufe vor der Implementierung strukturiert werden, desto einfacher ist die Umsetzung“. Das ist für viele Projekt- und Planungsbeteiligte noch eine große Unbekannte. Wichtig ist der Antrieb, neue Wege zu gehen, wie auch der Gedanke an den Nutzen von BIM für das Unternehmen und das Projekt.

Neben der eigentlichen Hauptsoftware, die auch als Autorensoftware bezeichnet wird, sind, je nach Tiefe der geforderten Modellinformationen, noch weitere Tools für die Zusammenarbeit mit anderen Firmen notwendig. Gerade in Anbetracht der Tatsache, dass ein Bauvorhaben mit einer Vielzahl von Firmen und Nachunternehmern geplant und errichtet wird, müssen interdisziplinäre Regeln geschaffen werden.

Eine dieser Regelungen betrifft beispielsweise die Zusammenarbeit in einer Cloud, in der BIM-Sprache auch als CDE (Common Data Environment) gemäß DIN SPEC 91391 Teil 1 und 2 bezeichnet, in der das zentrale 3D-Modell hinterlegt und in regelmäßigen Abständen mit den Arbeitskopien der einzelnen Planer synchronisiert wird. Diese Vorgehensweise garantiert, dass alle beteiligten Gewerke zu jeder Zeit den aktuellen Planungsstand kennen und auch verwenden. Die CDE bietet demnach auch die Möglichkeit, Planunterlagen zur Prüfung und Freigabe einzureichen. Indes entfällt die konventionelle Freigabe mit Stift und Stempel, da eine Freigabe über die CDE als rechtsverbindlich angesehen werden kann und in vielen Fällen eine hohe Zeitersparnis darstellt.

Die Kelvin Reinraumsysteme GmbH nutzt die Möglichkeiten einer CDE, um mit allen Planungsbeteiligten zu kommunizieren und Planfreigaben zu erwirken. Angesichts der Tatsache, dass es nach wie vor Planungsbeteiligte gibt, die noch keine BIM-fähige Software nutzen, deren Fachkompetenzen jedoch für das Bauvorhaben zwingend erforderlich sind, bietet das Unternehmen die Möglichkeit einer kollaborativen Umgebung, in der z. B. auch IFC-Dateien (Industry Foundation Classes) von Nachunternehmern oder anderen Planungsbeteiligten implementiert werden können.

IFC-Dateien können mittlerweile durch sehr viele nicht BIM-fähige Softwareprodukte ausgeben werden. So werden native 3D-Modelle aus der Autorensoftware mit IFC-Modellen vereint, um beispielsweise Clash Detections durchzuführen und Modellierungsregeln zu prüfen. Insbesondere in Reinräumen und Laboren, wo eine sehr hohe Technikdichte herrscht, können Kollisionen und Änderungen so direkt und ohne Zeitverlust über die CDE für die jeweiligen Planungsbeteiligten z. B. über das BIM Collaboration Format (BCF) angegeben und verständlich dargestellt werden.

Die BIM Rollen

BIM verlangt neue Aufgaben und Zuständigkeiten für alle Projektbeteiligten, diee sich auch in entsprechenden Namensgebungen widerspiegeln. So wird unter anderem von BIM-(Gesamt)Koordinatoren, BIM-Managern und BIM-Konstrukteuren gesprochen.

Die gebräuchlichsten BIM-Rollen werden in der VDI 2552-7 und DIN EN 19650-1 noch als Informationsmanager und Informationskoordinator geführt. Oft – jedoch nicht immer – verstecken sich darin die gewohnten Vorgehensweisen der Projektabwicklungen, nur eben in Verbindung mit der BIM-Methodik.

Eine strikte Trennung der Aufgaben im Sinn der BIM-Rollen ist gerade bei kleineren Projekten schwer umzusetzen. Dort hat eine Person möglicherweise auch zwei BIM-Rollen inne. Das nachfolgende Diagramm und die Tabelle zeigen die vereinfachte Rollenverteilung und deren Aufgaben in einem Reinraum-BIM-Projekt.

Vertragsgestaltung

Bei der konventionellen Vertragsgestaltung muss zukünftig die BIM-Methodik berücksichtigt werden. Denn gemäß den oben beschriebenen BIM-Rollen ergeben sich oft neue Aufgabenfelder, die in vertragsrelevanten Dokumenten aufgenommen werden müssen und deshalb auch neue Vergütungsregelungen hervorrufen können. Es gibt jedoch keine unüberwindbaren Herausforderungen bei der Vertragsgestaltung mit BIM auf Basis des geltenden Baurechts, da die notwendigen Anpassungen in die Verträge eingearbeitet werden können.

Überdies gibt es bei jedem BIM-Projekt den BAP, der die Ziele des Auftraggebers widerspiegelt und auf dessen Basis die Honorierung und die Preisgestaltung berechnet werden kann. Dennoch ist eine Anpassung der geltenden VOB/A, VOB/B und VOB/C im Sinn der BIM-Methodik sehr zu begrüßen, um bei schwierigen Rechtsangelegenheiten Sicherheiten zu signalisieren und zu schaffen.

Bei der Anwendung der HOAI müssen, wie auch bei der VOB, zusätzliche Dokumente zum Ingenieurvertrag, sogenannte Besondere Vertragsbedingungen (BIM-BVB), niedergeschrieben und als BIM-Rahmenbedingungen angesehen werden, da die HOAI, wie die VOB, methodenneutral verfasst ist.

Über die rechtlichen Folgen von Planungs- und Ausführungsfehlern mit BIM, aber auch über die Urheberschaft von BIM-Komponenten und BIM-Modellen muss gesprochen werden, um zu klären, inwiefern hier die bisherigen Rechtsgrundlagen greifen. Gegebenenfalls müssen Zusätze in die Verträge oder die BIM-BVBs aufgenommen werden.

Gerade bei der Haftung von BIM-Bauleistungen auf Grundlage eines komplexen BIM-Modells ist zu hinterfragen, inwiefern die Zuständigkeiten der BIM-Rollen haftbar sind. Zum Beispiel gibt es weitreichende Konsequenzen bei der Einordnung von Leistungen in das Dienst- oder Werkvertragsrecht bei der Haftung der Projektbeteiligten. Verschuldensunabhängig haftet demnach der Auftragnehmer nur bei erfolgsbezogenen Werkverträgen.

Use Case

Nach Theorie folgt nun das Praxisbeispiel eines aktuellen Bauvorhabens der Kelvin Reinraumsysteme GmbH.

Die Rijksuniversiteit Groningen (RUG) baut zu Ehren des Nobelpreisträgers Prof. Dr. Ben Feringa ein neues Forschungsgebäude mit über 62.000 m² Nutzfläche, einer Gesamtlänge von 260 Metern und einer Breite von 63 Metern für die technische Ausbildung und Forschung im Beta-Bereich. Damit fördert die Universität ihr Bestreben, weiterhin zu den wichtigen internationalen Forschungsbereichen wie Chemieingenieurwesen, (Nano-)Technologie, Materialforschung und Astronomie beizutragen.

In den Reinräumen und Reinraumlaboren des Gebäudes können Themenbereiche der Raumfahrt, Nanotechnologie, Halbleitertechnik und Lithographie erforscht werden. Die Kelvin Reinraumsysteme GmbH ist als Generalunternehmer für die Reinräume und Reinraumlabore sowie für deren technischen Ausführung und Realisierung verantwortlich.

Neben vielen Forschungsräumlichkeiten werden in dem neuen Gebäude u. a. Reinräume für die Nutzergruppen Zernike&Stratingh und SRON gebaut. Der über 1000 m2 große Zernike&Stratingh-Reinraum wird dabei in der Laborebene größtenteils aus Glaselementen erbaut, so dass von außen das Arbeiten im Reinraum, aber auch die Technik im Plenumbereich betrachtet werden können.

Das komplette Gebäude und insbesondere die Reinräume und Reinraumlabore werden von Beginn an mit der BIM-Methode geplant und realisiert. Anfangs wurden die Rahmenbedingungen mittels AIA (Auftraggeber Informationsanforderung), BAP (BIM Projektabwicklungsplan) und IDM (Information Delivery Manual) gesetzt. Anschließend ging es in die Planung und damit auch in die zentrale Zusammenarbeit mit anderen Projektmitgliedern.

Dabei wurden selbst erstellte Prozesse wie MVD (Model View Definition) und IDM (Information Delivery Manual) sowie eigener intelligenter BIM-Content eingesetzt. Über spezielle Softwarelösungen können Bauablaufsimulationen erstellt und Kollisionsprüfungen innerhalb der Gewerke durchgeführt werden. Die CDE unterstützt alle Projektbeteiligten, gemeinsam an einem zentralen Ort zusammenzuarbeiten.

Bei der technischen Klärung wird der IFC-Standard in Verbindung mit BCF (BIM Collaboration Format) verwendet. Was früher unhandliche Excel-Listen waren, kann seit der Einführung durch BCF genauer und detaillierter dargelegt werden. Im Bereich Reinraum und Labore ist es aufgrund einer oft enormen Installationsdichte wichtig, einen Bezug zum Modell und somit auch zur Realität herzustellen.

Für alle verplanten Komponenten in den Reinräumen und Reinraumlaboren werden im BIM-Modell Datenblätter hinterlegt, auf die das Reinraumpersonal, die Servicetechniker bei der Wartung, das Facility Management, der Nutzer oder der Bauherr mit jedem internetfähigem Gerät wie Tablet, Smartphone oder Laptop zugreifen können.

 

BIM im Labor- und Reinraumbereich

Dieser Artikel ist ein Auszug aus dem Buch „BIM im Labor- und Reinraumbereich“ von Michael Spahn und Andreas Schaller. Das Buch erscheint im 2. Quartal 2022 im bSD Verlag. 

BIM im Labor- und Reinraumbereich

Autor/in

Michael Spahn

Michael Spahn

OverLab GmbH

Michael Spahn begann 2014 als Konstrukteur und Planer bei der Kelvin GmbH. Dort kam er mit BIM im Bereich Reinraumtechnik in Berührung. 2021 war er Mitgründer der OverLab GmbH. Das Unternehmen bietet die ganzheitliche Planung und Ausschreibung von Reinräumen und Laboratorien mit BIM in den Leistungsphasen 1-9 sowie die Beratung von Firmen und öffentlichen Bauherren zu diesen Themen an. Michael Spahn ist zertifizierter BIM-Manager und Mitglied der BuildingSMART-Projektgruppe IFC 4Lab. Er engagiert sich für die ganzheitliche Umsetzung von BIM in Deutschland, insbesondere für den Bereich Reinraum und Labore (over-lab.de).