Kran mit IoT DeviceArnim Spengler
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BIM-gestützte Echtzeitüberwachung von Fertigteilen

Datenerfassung und -auswertung bei BIM-Prozessen

Arnim J. Spengler , Dirk Schlüter

Die Bedeutung der automatisierten Datenerfassung und -auswertung für den BIM-Prozess wird noch immer unterschätzt. Mit zunehmender Digitalisierung der Baustellen wächst jedoch die Notwendigkeit, Daten in Echtzeit zu erfassen und zu verarbeiten. Welche Möglichkeiten sich dadurch bieten, zeigt ein Beispiel aus der Praxis.

Einleitung

Soll eine Baustelle durch automatisierte Systeme unterstützt werden, kommen u. a. digitale Echtzeitsysteme zum Einsatz. Das stellt die Bauindustrie vor neue Herausforderungen, und die Methode BIM spielt in solchen Systemen eine entscheidende Rolle.

Die Methode muss jedoch um weitere digitale Services und Sichtweisen ergänzt werden. Die BIM-Methodik fokussiert sich bisher im wesentlichen auf Planung, Bau, Betrieb und Rückbau von Bauwerken. Die Daten werden hierbei vorwiegend durch den Menschen erstellt. Das Erfassen von Sensordaten und dessen autonome BIM-basierte Auswertung hat noch nicht einen besonders hohen Stellenwert erfahren und ist mit den meisten aktuellen BIM-Systemen nicht möglich. Dass sich das Beschäftigen mit der Erfassung von Realdaten durchaus lohnt, möchte der folgende Artikel aufzeigen.

Im Folgenden wird exemplarisch der Vorgang beschrieben, wie die erforderlichen Daten auf der Baustelle aufgenommen, weiterverarbeitet und dann mit dem BIM-Modell verknüpft werden können. Als Beispiel dient die automatische Baustellenüberwachung der BuildersMind GmbH.

Grundsätzlich sind Echtzeitsysteme auf Basis von Sensordaten eine interessante Erweiterung der Methode BIM. Hier bildet das Modell die Grundlage, auf die alle aufgenommenen Datensätze und auf diese basiert aufbereiteten Daten referenzieren und so das Modell erweitern können. Bisher wird jedoch eher die manuelle Datenanreicherung des BIM-Modells hin zum As-Built-Modell bevorzugt.

Die automatisierte Datenerfassung bietet jedoch Vorteile:

  • Alle Projektbeteiligten haben jederzeit vollen Überblick über die aufzunehmenden Bereiche einer Baustelle.
  • Die Daten stehen schneller zur Verfügung. Transaktionen können schneller bearbeitet werden.
  • Der Mensch wird von der Dateneingabe entlastet und kann sich somit seinen übertragenen Primäraufgaben widmen.
  • Daten stehen sofort in der erforderlichen Qualität zur Verfügung, somit können die Daten leichter mit anderen Datenquellen verschränkt und verarbeitet werden.
  • Kopplung der Sensordaten an sog. Trigger ist möglich, das bedeutet dass wenn ein vorher festzulegendes Ergeinis passiert, individuelle Workflows angestoßen werden können.

Die aufgenommenen Daten können genutzt werden, um z. B. Bautagebücher vorauszufüllen, Prognosen zu erstellen, die Bauleitung zu entlasten, Plausibilitätskontrollen automatisiert durchzuführen oder mit ERP-Systemen gekoppelt Massen teilweise automatisch zu erheben.

BIM und Echtzeitüberwachung

Die Methode BIM erhebt den Anspruch, alle Bereiche entlang des Lebenszyklus von Assets zum Besseren zu verändern und effizienter zu gestalten. Hier sollte berücksichtigt werden, dass die Adaption alter Vorgehensweisen auf die neue Methodik nur als Anfang der Veränderungen zu verstehen ist.

Das BIM-Modell ist der Dreh- und Angelpunkt der neuen Systematik. Hierdurch können assetübergreifende Abfragen durchgeführt, neue Attribute hinzugefügt und Geometrien sowie die Taxonomie (hier der Aufbau) des Modells verändert werden. Es ist jedoch nicht möglich, sehr große Einzeldatensätze wie Sensordaten oder Algorithmen direkt im Modell zu speichern und zu bearbeite. Hierfür werden getrennte Subsysteme benötigt.

In der britischen PAS 1192, der DIN EN 19650 und der DIN SPEC 91391 werden Common Data Environments (CDE) genannt, die die Aufgabe haben, situationsbezogen weitere digitale datenbasierte Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen. Auch wenn CDEs derzeit eher als Arbeits- und Austauschplattform rund um das Modell verstanden werden, können und müssen diese hoch spezialisiert sein.

Hier leisten die DIN SPEC 91391 und die PAS 1192-2 große Hilfe, da sie vertiefend auf CDEs eingehen. Angelehnt an die britische PAS unterscheidet die DIN SPEC insgesamt drei Reifegradlevel. Hierbei ist das Reifegradlevel 3 das höchste, es wird jedoch nicht genauer auf das Level eingegangen und auf die Zukunft verwiesen. Genau dieses Level ist es jedoch, das für eine belastbare Echtzeitkommunikation notwendig ist.

Die DIN Roadmap hat diesen Umstand erkannt und spricht von sogenannten (BIM-)Leistungsniveaus im Bauwesen. Wenn moderne IT-Methoden genutzt werden sollen, also Künstliche Intelligenz (KI), Robotik oder eine ausgeprägte Maschine-Maschine-Kommunikation, gehört dieses zum Leistungsniveau 3 der Roadmap.

Die Roadmap gibt ebenfalls eine Einschätzung, wann dieses Leistungsniveau im Bauwesen erreicht werden kann, und nennt ein Zeitraum von drei bis sieben Jahren. Hierfür ist es notwendig, dass die BIM-Daten nicht wie bisher als zusammenhängende Informationscontainer gedacht, sondern in ihre Teilinformationen zerlegt und objekt- und kontextbezogen auf ihre Empfänger verteilt werden. Die Empfänger können andere CDEs, das Bauwerk selbst, Roboter oder eine KI sein, die diese Daten weiterverarbeiten und/oder prüfen, ob die Daten reagieren.

Nach außen hin muss sich hierbei für den Benutzer nicht viel verändern. Im Idealfall kann er die neuen Services einfach in seine BIM-Workflows integrieren, die dann effizienter ablaufen. Es ist jedoch zu erwarten, dass das Leistungsniveau 3 viele neue digitale Dienstleistungen hervorbringen wird, an die wir heute noch gar nicht denken. Oft ist es auch so, dass wir die neuen Dienstleistungen vor uns herschieben, da die BIM-Welt – vermeintlich – noch nicht so weit ist.

Neben der Speicherung der BIM-Daten – nicht mehr in sogenannten Informationscontainern, sondern objektbezogen in Datenbanken – sind es die Schnittstellen, die ein zukünftiges CDE ausmachen. Sie müssen mit einer Vielzahl verschiedener datenliefernder IKT-Systeme zurechtkommen können.

Systematik

Hier stellt sich die Frage, was auf IT-Seite aufgebaut und wie die BIM-Denkweise erweitert werden muss. Zuerst spielt es für digitale Subsysteme keine Rolle, dass große Ganze (z. B. genaue Kenntnisse über Anwendungsfälle oder Ziele) zu kennen. Hier arbeiten hoch spezialisierte Algorithmen, die situationsabhängig, kontextbezogen und weitestgehend autonom aktiv sind. Sie empfangen die Sensordaten, bereiten sie auf und senden sie an andere Subsysteme, CDEs, Datenbanken oder an den Menschen weiter. Im Extremfall entstehen so Kaskaden von digitalen Diensten, die sogar miteinander rückkoppeln können.

Abbildung 1 zeigt exemplarisch das Schema zur Echtzeitüberwachung des Einbaus von Betonfertigteilen. Hier ist zu erkennen, dass eine Middelware eingebunden ist. Sie hat die Aufgabe, die Daten vom IoT-Device

  • zu empfangen
  • zu erkennen
  • weiterzuverarbeiten und
  • dem CDE auf Objektebene zu senden

Bei BuildersMind werden auf Baustellenseite lediglich ein oder mehrere magnetische IoT-Devices zum Retrofitting von Baumaschinen eingesetzt. Diese sammeln diverse Sensordaten und senden sie in 0,5-Sekunden-Intervallen autonom, internetbasiert und gesichert zum Server. Der Server verarbeitet die Daten weiter und stellt sie dem CDE zur Verfügung. Sollte die Internetverbindung ausfallen, werden die Sensordaten auf dem Device gesammelt und in Informationscontainern versendet, sobald eine Internetverbindung besteht. Im Normalfall werden keine Container, sondern nur die Einzelinformationen ohne Metadaten gesendet. Der Server ergänzt dann die Metadaten, zu der auch eine Referenz zum BIM-Modell gehört. Erst jetzt ist aus einem losen Datenpaket eine weiterverarbeitbare Information geworden.

Es lässt sich leicht nachvollziehen, dass allein durch die schiere Datendichte und die hohe Intervallrate normale CDEs der Reifegradlevel 1 bis 2 überfordert wären. In einem Entwicklungsprojekt (mit vielen Datenquellen) wurden so bereits 4,5 Gigabyte pro Minute gemessen, was zu neuen Herausforderungen führt.

Der Server arbeitet intern streng nach der BIM-Methodik. So wird das Modell in einem ersten Schritt semantisch analysiert und in IFC-Elemente zerlegt. Jedem Element eines BIM-Modells werden Methoden zugewiesen und so Objekte erzeugt. Hierdurch ist es möglich, dass jedes Element eines Modells individuell auf einkommende Informationen reagieren können.

In einer höheren Ebene wird das BIM-Modell in einer Ontologie repräsentiert, die jedoch stark um weitere Kontextinformationen ergänzt wurde. Das ist notwendig, damit moderne Algorithmen mit den Daten arbeiten können. Nach der Verarbeitung werden die Informationen zum einen auf dem zugehörigen Dashboard aufbereitet dargestellt und in diesem Beispiel an das Allplan BIMplus CDE oder ein ERP-System weitergegeben. Durch diese Systematik werden die normalen (BIM-, aber auch andere) Workflows einer Institution nicht wesentlich verändert.

Typische Systeme zur Echtzeitübertragung von Daten

Bei Sensordaten handelt es sich zuerst – nach DIN EN ISO 19650 – um sogenannte unstrukturierten Daten. Diese Daten können nicht direkt einem BIM-Element zugeordnet werden. Typischerweise kommt zur Datenübertragung von IoT-Devices der REST-Standard oder Informationsbroker zum Einsatz. Diese können die Daten synchron oder asynchron annehmen und an andere Subsysteme weiterreichen. Serverseitig gibt es dann viele verschiedene Möglichkeiten des Datenhandlings. Die Daten könnten vorstrukturiert in Datenbanken abgelegt, an Softwareagenten weitergeleitet und auf Abruf zwischengespeichert werden, oder sie dienen als sogenannte Trigger, um die Weiterverarbeitung anzustoßen. Bei BuildersMind kommt situationsabhängig ein Mischsystem zum Einsatz.

Die so erzeugten Rohdaten besitzen an sich noch keine Aussagekraft. Abbildung 2 visualisiert vier verschiedene Datenströme eines Baustellenkrans. Hier sieht man bereits, dass es ruhigere Phasen und Phasen mit ausgeprägter Aktivität gibt. Bei der Analyse dieser Daten neigt man zur Annahme, dass in den ruhigeren Phasen keine Aktivitäten stattfanden. Das muss jedoch nicht der Realität entsprechen. So kann der Kran langsam gefahren sein, eine Last wurde angeschlagen oder die Last wurde während des Einbaus gehalten (die Liste lässt sich weiterführen). Algorithmen müssen dieses erkennen, um verlässliche Annahmen treffen zu können.

In einem konkreten Beispiel wird die bereits beschriebene Systematik eingesetzt, um Fertigbetonbauteile zu erkennen. Zudem wurden bereits Schaltungselemente und Erdarbeiten überwacht. Das IoT-Device wird einfach magnetisch an die zu überwachende Maschine angeheftet und erkennt danach autonom- um welche Maschine es sich handelt (siehe Abbildungen 3 bis 5).

Die Middelware analysiert die Daten und kann – zusammen mit den BIM Daten – Informationen zum Projekt ableiten, z. B. Maschinenauslastung, Installationszeitpunkte der einzelnen Bauteile, Aufwandswerte, Massen, Unregelmäßigkeiten. Die Middelware visualisiert den aktuellen Projektfortschritt als 3D-Modell. Die Informationen werden an BIMPlus, in ein eigenes Modell, in eine Exceldatei oder als Auswertung weitergegeben (siehe Abbildung 6).

Das Beispiel zeigt, dass Sensorwerte heute und vor allem zukünftig ein hohen Stellenwert im Bauwesen einnehmen. Ihre Verarbeitung kann jedoch sehr anspruchsvoll sein. Hier ist der sogenannte Kontext wichtig, d. h., die Hintergründe, warum, wo und was die Sensoren an Daten aufgenommen haben. Dem aktuellen Trend nach KI-Algorithmen im Bauwesen folgend, wurden im Beispiel zuerst neuronale Netze zur Datenauswertung trainiert, was bereits vielversprechende Ergebnisse lieferte. Final zu gebrauchen waren die so erzeugten Informationen jedoch nicht wirklich.

Im Bauwesen sind wir um genaue Aussagen bemüht, und wir sind es gewohnt, klare Informationen aus einem IKT-System zu erhalten. Normalerweise kennen KI-Algorithmen jedoch keine hundertprozentige Genauigkeit, sondern geben Wahrscheinlichkeiten zurück. Hier ist es die Aufgabe der Weiterverarbeitung, bei den Ergebnissen der KI-Algorithmen die Genauigkeit zu erhöhen, die Daten situationsgerecht auszuwerten und richtig weiterzunutzen. Die Feststellung, dass eine Wand mit 76 Prozent Wahrscheinlichkeit fertiggestellt wurde, kann z. B. nicht in Abrechnungen verwendet werden. Auch hier spielen der Kontext und die Verschränkung mit anderen Daten eine wichtige Rolle, um die Genauigkeit zu erhöhen.

Auf IFC-Ebene kann es Probleme bereiten, dass Modelle verschieden aufgebaut sein können. So ist es in der Praxis vorgekommen, dass Fertigteildeckenplatten in einem Modell als IfcSpatialElement und ein einem anderen Modell als ifcBeam definiert wurden. Unabhängig davon, welche Bezeichnung aus Sicht der BIM-Methode richtig ist, sind es für Algorithmen verschiedene Elemente. Wurde ein Algorithmus auf ifcBeams für Deckenelemente angelernt, und im gleichen Modell sind ifcBeams z. B. Unterzüge, kann dies zu Fehlbewertungen in anderen Modellen führen.

Fazit

Es ist noch viel Entwicklungsarbeit zu leisten, bis sensorbasierte und Echtzeitsysteme auf dem Markt in nennenswerter Anzahl verfügbar sind. Auch müssen sich BIM-Verantwortliche in die andere Systematik des Datenhandlings eindenken. Die erforderlichen (Grundlagen-)Technologien sind am Markt verfügbar.

In der Praxis werden die Mehrwerte bereits erkannt. Das Interesse an und das Verständnis von den neuen Möglichkeiten wächst. Oft existiert eine Grundangst gegenüber intelligenten Algorithmen und einer ausgeweiteten Datenhaltung, der in Gesprächen begegnet werden muss.

Auch sind öfter Aussagen zu hören wie “Wir setzen doch gerade erst BIM ein, bitte nicht noch etwas neues” oder “Es läuft doch gerade gut, wir machen erstmal weiter wie bisher”. Bei diesen Aussagen ist zu bedenken, dass die Welt nicht schläft und dass gerade neue Technologien ein Potenzial haben, sehr schnell alte Strukturen zu ersetzen. Welche Möglichkeiten und Herausforderungen die Einführung einer neuen Denkweise bringen kann, zeigt BIM deutlich.

Quellen 

Autor/innen

Arnim J. Spengler

Arnim J. Spengler

Universität Duisburg-Essen

Arnim J. Spengler M.Sc. ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Duisburg-Essen, beratender Ingenieur und Gründer und CTO des Construction Tech-Startups BuildersMind. Er beschäftigt sich seit der Jahrtausendwende mit Internettechnologien, insbesondere der Programmierung, und wissenschaftlich mit den Themenfeldern der Robotik und dem Einfluss digitaler Methoden (z. B. BIM oder der künstlichen Intelligenz) aus baubetrieblicher Sicht. (arnim-spengler.de)
Dirk Schlüter

Dirk Schlüter

Universität Duisburg-Essen

Dr.-Ing. Dirk Schlüter ist seit 2016 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Baubetrieb und Baumanagement (IBB) der Universität Duisburg-Essen. Am IBB beschäftigt er sich mit neuen Technologien im Bauwesen. Forschungsschwerpunkte sind insbesondere das Maschinelle Lernen und die Methode Building Information Modeling (BIM). (uni-due.de/baubetrieb)