Aufmaß in BestandScan eines BestandsgebäudesArchitekturbüro steffen wurster, Bolanden
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Aufmaß im Bestand

Von der Punktwolke zum digitalen Gebäudemodell

Tim Westphal

Das Planen im Bestand erfordert ein exaktes Aufmaß des Gebäudes. Welcher 3D-Scanner ist geeignet, wie hoch sind die Kosten, wie werden die Daten verarbeitet? Der Beitrag zeigt praxistaugliche Lösungen – in sieben Schritten vom Laserscan zum 3D-Bestandsmodell.

Im Neubaubereich unterstützen moderne, digitale Planungstools Architekten und Ingenieure seit Jahren dabei, Fachplanungen wie TGA und Statik mit der Architekturplanung des entwerfenden Architektur- oder eines übergeordneten Generalplanungsbüros abzugleichen – und kritische Fehlerpunkte früh im Projekt dank vielfältiger Parameter ausfindig zu machen. Durch einen digitalen Planungsabgleich werden darüber hinaus Zeit gespart, das Qualitätsmanagement im Projekt erleichtert und Folgekosten minimiert, die sonst im Rahmen einer baubegleitenden Planung entstehen.

Digitale laserbasierte Aufmaße sind die exakte und sinnvolle Grundlage für alle anschließenden Planungen. 

Wie verhält es sich aber, wenn der Bestand die Grundlage einer Planung ist? Wie lassen sich exakte Dimensionen, Maße, Höhen, konstruktive oder statische Abhängigkeiten von der Umgebungsbebauung oder der Topographie rund um das Bauwerk ermitteln? Ein detailliertes Aufmaß des Bestands ist hier die einzige Möglichkeit, um alle relevanten und vorhandenen Rauminformationen zu bündeln und anschließend in Bestandsplänen auszugeben. Digitale laserbasierte Aufmaße sind die exakte und sinnvolle Grundlage für alle anschließenden Planungen.

Lange war das qualifizierte Aufmaß die Domäne spezialisierter Ingenieure in den Vermessungsbüros. Das ändert sich jedoch aktuell, denn Laserscanner sind erschwinglich geworden. Je nach Ausstattung und Hersteller sind Geräte ab 16.000 Euro erhältlich, die eine notwendige Profiqualität bieten. Hinzu kommt eine Software, die die Aufmaßdaten (Punktwolken) referenziert und für die Übergabe ins büroeigene Planungsprogramm vorbereitet. Sie kann angemietet werden und belastet das eigene Budget nur punktuell. Darüber hinaus lassen sich bei Dienstleistern bundesweit tageweise Laserscanner mieten, was die Kosten bei gelegentlichen Aufmaßen überschaubar hält.

Welches System? Besser mieten oder kaufen?

Alexander Maier von zeit + raum aus Mainz vermietet und verkauft Laserscanner. Für ihn ist vor allem die Vermietung digitaler Scansysteme zu einem wichtigen Standbein im eigenen Büro geworden. Er unterscheidet die verschiedenen Systeme und Aufgabenbereiche grundsätzlich:

„Wir arbeiten durchweg mit Punktwolken-Laserscansystemen. Hier unterscheiden wir zwischen Kleingeräten, mit denen man schnell einen Raum durchläuft und aufmisst, z. B. mit dem Leica BLK Go. Außerdem bieten wir Laserscanner auf dem Stativ an. Ein gutes Einstiegsmodell ist hier zum Beispiel der Leica BLK 360; hinzu kommen Geräte vom Hersteller Faro. Beim Leica BLK 360 liegt man aktuell bei ca. 16.000 Euro in der Anschaffung, bei Geräten von Faro bei ungefähr 35.000 Euro.“

Je nach Modell erzeugen die Laserscanner über die Punktwolke hinaus ergänzende 360°-Fotos, die sich für die Dokumentation eines Projekts nutzen lassen.

Neben den mobilen oder stationären Laserscan-Systemen gibt es Flugdrohnen mit integriertem LiDAR-Scanner. Bei ihnen wird aus der Drohne heraus vom überflogenen Gelände eine Punktwolke erstellt, die vor allem für das Außenaufmaß eines Gebäudes, die Gebäudehülle oder einen Scan der Umgebungsbebauung sinnvoll ist. Damit lässt sich im Nachgang beispielsweise überprüfen, wie gut ein Gebäudeentwurf in die Bestandsbebauung integriert ist oder sich im Gelände einfügt. Je nach Modell erzeugen die Laserscanner über die Punktwolke hinaus ergänzende 360-Grad-Fotos, die sich für die umfangreiche Dokumentation eines Projekts nutzen lassen.

Vom Gebäudeaufmaß zum Bestandsmodell in sieben Schritten

Soweit die Theorie. Doch wie sieht die konkrete Umsetzung aus, wenn von einem Bestandsgebäude ein detailliertes 3D-Bestandsmodell entstehen soll? Im Wesentlichen sind es sieben Schritte, die durchlaufen werden, erklärt Vermessungsexperte Alexander Maier.

  1. Der Laserscan mit 360-Grad-Fotos vor Ort am Projekt. Ein Scan dauert dabei pro Laserstandort drei bis vier Minuten. Beim Aufmaß sind stets verschiedene Standorte im und am Gebäude zu wählen. Die hierbei entstehenden Punktwolken werden in einem späteren Schritt (siehe Punkt 3) referenziert und einander zugeordnet.
  2. Die Übertragung der Scandaten aus dem Scanner oder vom Tablet auf den Bürocomputer. Je nach Datenmenge dauert dieser 15 Minuten oder länger.
  3. Die Aufbereitung der Scan-Rohdaten in einer Registrierungssoftware. Hier werden die einzelnen Scannerstandpunkte automatisch berechnet, zusammengeführt und überprüft.
  4. Das Erzeugen einer offenen e57-Datei und deren Export in die individuell genutzte BIM-Software.
  5. Das Einlesen und Positionieren der e57-Datei in die individuell genutzte BIM-Software.
  6. Die Nachmodellierung der Punktwolke in der Planungssoftware und der Aufbau als bauteilorientiertes BIM-Gebäudemodell.
  7. Die Nutzung des Gebäudemodells für die weitere Planung (Umbau, Revitalisierung, Erweiterung) bzw. die direkte Übergabe in das CAFM-System als Grundlage für den nachfolgenden Gebäudebetrieb.

Durchgängige Revision in der gesamten Bauphase

Das Ziel eines laserbasierten Bestandsaufmaßes ist die Überführung eines Bauwerks in ein bauteilbasiertes Gebäudemodell – als qualitätsvolle Basis für jede weitere Projektplanung. Eine möglichst exakte Planungsbasis zu haben war immer der Wunsch von Architekten und Ingenieuren. Hier unterscheidet das simple Handaufmaß nicht grundsätzlich vom lasergestützten Aufmaß.

Neu ist aber die Qualität der Lasermessergebnisse auf der einen und die Bandbreite der Einsatzmöglichkeiten eines 3D-Bestandsmodells auf der anderen Seite. So kann das Bestandsmodell für alle weiterführenden Planungen, den Gebäudebetrieb und eine umfassende Bestandsdokumentation genutzt werden, ebenso wie für die exakte Verortung von technischen Einbauten oder eine kontinuierliche Revision des „Es war“-, des „Soll“- und des „Ist“-Standes über den gesamten Projektverlauf hinweg.

Das digitale Aufmaß darf nicht als As-built-Modell verstanden werden.

Das Architekturbüro steffen wurster aus Bolanden in Rheinland-Pfalz leiht seit mehreren Jahren immer wieder Laserscansysteme bei zeit + raum. Steffen Wurster sieht vor allem die Genauigkeit des Aufmaßes und die einfache und stetige Überprüfung zwischen dem Entwurfs- und Bestandsmodell als die größten Vorteile für seine Arbeit. Vor allem für größere Projekte bietet es sich an, in wichtigen Projektphasen (also z. B. nach Abschluss der Rohbauarbeiten) weitere Zwischenaufmaße vorzunehmen.

Konsequent fortgeführt bis in die Ausbaugewerke hinein, erhalten die Planenden ein Aufmaß, das aus vielen Ebenen bestehend die gebaute Situation perfekt abbildet. Dennoch darf es nicht als As-built-Modell verstanden werden. Vielmehr sind hier verschiedene Punktwolken übereinandergeschichtet, die sich jeweils zu- und abschalten lassen. Das Facility Management kann so im nachfolgenden Gebäudebetrieb mithilfe einer AR-Anwendung – bildlich gesprochen – hinter die Wandverkleidung schauen und technische Gebäudeausrüstungen, Schächte oder ummantelte Konstruktionselemente wie verdeckte Pfeiler, Stützen und Unterzüge virtuell sichtbar machen.

Die Bauherren stärker für den Nutzen sensibilisieren

Für die Bauherrenschaft, das stellen sowohl Alexander Maier wie Steffen Wurster heraus, bietet das Bestandsaufmaß und ein den Baufortschritt begleitendes Aufmaß vor allem für den Gebäudebetrieb enorme Vorteile. Doch ist hier weitere Aufklärungsarbeit nötig, weiß Steffen Wurster:

„Der Nutzen des Bestandsaufmaßes und des Gebäudemodells steht beim Bauherrn bisher nicht im Vordergrund. Sicher wird sich das in den kommenden Jahren ändern. Aktuell ist es aber vor allem für uns wichtig – und das nicht nur bei Sanierungsvorhaben. Für Neubauten verwenden wir es genauso, um beispielsweise die Umgebung oder Außenanlagen digital aufzunehmen. Ergänzende Sonnenstandstudien lassen sich daraus ebenso leicht erarbeiten; wir können in unserer Software modellieren und die umgebende Bebauung, Bäume oder die Topographie direkt in den Entwurf einbinden. Die nötigen Daten sind ja mit dem digitalen Aufmaß einfach da. Also nutzen wir sie!“

Autor/in

Tim Westphal

Tim Westphal

Selbstständiger Journalist und Berater 

Tim Westphal studierte Architektur an der FH Wismar (Diplom). Arbeit für Architekturmagazine und Volontariat in der Architekturfachbuchabteilung des Callwey-Verlags München, von 2003 bis 2016 Fachredakteur bei der Fachzeitschrift Detail in München. Seit Sommer 2016 als selbstständiger Journalist und Berater tätig.