AIA – endlich verständlichMartina Mellenthin Filardo, Judith Krischler
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AIA – endlich verständlich

Eine kurze Einführung in die typischen Inhalte von Auftraggeber-Informationsanforderungen

Martina Mellenthin Filardo , Judith Krischler

Während der modellbasierten Planung von Bauwerken nach der Methodik des Building Information Modeling (BIM) werden technische Vorgaben benötigt, die in herkömmlicher Art manuell in die verwendete Modellierungsumgebung übertragen werden müssen. Im Zuge der Digitalisierung werden daher sogenannte Auftraggeber- bzw. Austausch-Informationsanforderungen (AIA) verfasst, in denen die Anforderungen an den semantischen und geometrischen Informationsgehalt des zu liefernden Modells definiert werden.

Grundlagen

Bei der Arbeitsmethodik des Building Information Modelling (BIM) handelt es sich um eine ganzheitliche modellbasierte Methode zur Unterstützung von Planung, Ausführung und im Betrieb von Bauwerken. Man kann BIM auf Deutsch als Gebäudedatenmodellierung bezeichnen.

Auftraggeber-Informationsanforderungen enthalten die auftraggeberseitigen Vorgaben an den BIM‐Prozess, die vor Projektstart formuliert werden.

Da in Deutschland das Konzept des Lastenhefts gemäß VDI-Richtlinie 2519 bereits etabliert ist, können AIA in etwa einem BIM-Lastenheft gleichgestellt werden. Das Äquivalent zu einem BIM-Pflichtenheft ist der BIM-Abwicklungsplan (BAP). Im Englischen werden AIA Employer's Information Requirements (EIR) und BAP BIM Execution Plan (BEP) genannt.

AIA-Dokumente sind sinnvollerweise Bestandteil der Ausschreibungsunterlagen. In Vergabeverfahren kann sich daher die Nutzung eines Vor-BAP anbieten, da diese bei der Findung von geeigneten Bietenden dienlich sein können. Der Vor-BAP kann bei Zuschlagserteilung einfach weitergeführt werden.

Die DIN-Normreihe 19650 „Organisation und Digitalisierung von Informationen zu Bauwerken und Ingenieurleistungen, einschließlich Bauwerksinformationsmodellierung (BIM) – Informationsmanagement mit BIM“, zusammengesetzt aus drei Teilen, definiert unter anderem Begriffe und Grundsätze, Informationsanforderungen, Prozesse der Informationsbereitstellung sowie dessen Planung.

In Teil zwei wird der Informationsmanagementprozess anhand von AIA und BAP erläutert. In der Normreihe werden unterstützende Anhaltspunkte zur Erstellung und Verwendung von AIA- und BAP-Dokumenten gegeben. Weiterhin werden dort, unter anderem, Hinweise zur Fähigkeits- und Kapazitätsprüfung des Teams gegeben.

Eine weitere relevante VDI-Richtlinie ist die 2552 Blatt 10 „Building Information Modeling – Auftraggeber-Informations-Anforderungen (AIA) und BIM-Abwicklungspläne (BAP)“ (2021). Sie beschreibt die Grundlagen und Zusammenhänge von AIA und BIM-Abwicklungsplan (BAP) und inwiefern diese aufeinander abgestimmt werden müssen. Sie behandelt unter anderem Ziele, Prinzipien, Struktur und Inhalte sowie Methodik zur Erstellung der genannten Dokumente.

Inhalte von Auftraggeber- Informationsanforderungen

Im Folgenden werden ausgewählte Inhalte von AIA-Dokumenten dargestellt und erläutert.

Die bereitgestellten (digitalen) Unterlagen in einer AIA definieren bzw. dokumentieren die vom Auftraggebenden (AG) übergebene Unterlagen für die Erfüllung der in den AIA definierten (BIM-)Anwendungsfälle. Dabei können sowohl digitale als auch analoge Unterlagen übergeben werden.

Dies erleichtert u. a. den Auftragnehmenden die Übersicht über noch zu beschaffende Unterlagen (z. B. Vermessungsdaten, Planungen Dritter, Katasterdaten …). Zudem gibt es Auskunft über die Qualität der vorliegenden Daten und hilft den Bietenden, einzuschätzen, ob und wie viel Aufbereitungsaufwand betrieben werden muss.

Der Fertigstellungsgrad, auch als Reifegrad verstanden, drückt die Entwicklungsstufen von Bauteilen bzw. Objekten innerhalb eines Bauwerksinformationsmodells aus. Im englischen Sprachgebrauch Level of Development (LOD) genannt, nicht zu verwechseln mit dem Level of Detail, der vor allem verwendet wird, um den Detaillierungsgrad digitaler Stadtmodelle zu beschreiben.

Der LOD wird zukünftig durch das Level of Information Need (DIN EN 17412) ergänzt.

Die geometrische Genauigkeit (LOG) und der Informationsgrad (LOI) werden weiterhin in der DIN EN 17412-1 „Building Information Modelling – BIM-Definitionsgrade – Konzepte und Definitionen“ dargestellt. Sie werden außerdem von der Dokumentation (DOC) ergänzt. Zusammen drücken sie den Grad des Informationsbedarfs, in Englisch Level of Information Need (LOIN), aus. Dieser soll den Fertigstellungsgrad nicht ersetzen, sondern eine weitere unterstützende Formalisierung darstellen. Die eile 2 und 3 dieser Normreihe befinden sich in Entwicklung.

In Typ- und Attributtabellen (TAT), auch als Objekt- und Attributlisten (OAL) bekannt, werden semantische Modellanforderungen sowie Anforderungen der geometrischen und alphanumerische Granularität definiert. Dort werden typischerweise die zu modellierenden Objekte, dessen Attribute, Objekttypen, Verbindung zu IFC und gegebenenfalls Werte erfasst.

Koordinaten- und Höhensysteme sowie die Definition eines Nullpunkts sind unabdingbar für die fehlerfreie Koordination von Teilmodellen und sollten daher zu Projektbeginn fixiert werden. Sie sind unabdingbarer Bestandteil von AIA-Dokumenten.

BIM-Modelle werden nicht nur gemäß ihrer Teil- und Fachmodellzugehörigkeit strukturiert, sondern auch auf semantischer Ebene nach räumlichen, finanzierungstechnischen oder bauzeitlichen Aspekten. Diese Strukturierungen koexistieren und unterstützen die gezielte Auswertung. Angaben dazu sollten in den AIA formuliert werden, damit sie von Beginn an Beachtung finden können.

Datenübergabe- oder Leistungszeitpunkte, im Englischen bekannt als Data Drops, spezifizieren die Übergabe von (Modell-)Dateien zu bestimmten Projektzeitpunkten. Unter Berücksichtigung eines kontinuierlichen Planungsprozesses sollen Modelle regelmäßig als Arbeitsstände ausgetauscht und koordiniert werden.

Die Übergabe von Modellen geht mit der Definition von Übergabeformaten einher, im Regelfall offene Formate, um eine Produkt- bzw. Herstellerneutralität zu gewährleisten. Bei bestimmten Projekten bzw. Vorhaben kann die unterstützende Übergabe von proprietären Formaten dienlich sein. Um die Grenzen der in dem Projekt eingesetzten Software und mögliche Schwächen im In- und Export offener Standards festzustellen, wird ein sogenannter Konformitätstest empfohlen.

Die Modellkoordination stellt eine der wichtigsten Elemente der BIM-basierten Arbeitsweise dar. Die Teilemodelle der verschiedenen Gewerke werden zunächst in der jeweils nativen Software von den Planenden erzeugt.

Durch ein regelmäßiges Austauschen der Planungsstände auf einer modellbasierten Plattform (Common Data Environment, CDE) können diese miteinander bereits im laufenden Planungsprozess koordiniert werden. Inkonsistenzen oder Planungsfehler können durch Werkzeuge wie die semantische und geometrische Modellprüfung bereits früh erkannt und behoben werden, ohne erst auf der Baustelle aufzufallen. Die Modellkoordination ist somit eines der wichtigsten Werkzeuge zur Mehrkostenprävention.

Eine starke Komponente der BIM-Methodik ist die Kollaboration. Besonders effektiv arbeiten Teams, wenn alle basierend auf ein und derselben „einzigen Quelle der Wahrheit“, im Englischen „Single Source of Truth“, arbeiten. Dafür werden Kollaborationsplattformen, im Englischen Common Data Environment (CDE), als zentrale Daten- und Modellaustauschplattformen verwendet. Dort werden sowohl der Austausch projektrelevanter Dokumente als auch die Koordinierung der einzelnen Teil- und Fachmodelle durchgeführt.

Mit der Ablagestruktur mancher CDEs geht eine einheitliche Dateinamenskonvention innerhalb von Projekten bzw. Einrichtungen einher. Zu Projektbeginn sollten in dem Zusammenhang Festlegungen getroffen werden, insbesondere zu Vokabular und eindeutigen Kürzeln, Interpunktionen (bspw. _ oder –), Daten (bspw. JJJJ-MM-TT) und Ziffern (001, 01 usw.).

Weitere Angaben, die mit anderen Aspekten zusammenhängen, beispielsweise die Aufteilung oder räumliche Zuordnung, die mit der Modellstruktur einhergeht, sollten ebenso abgestimmt werden, da sie gegebenenfalls Auswirkungen auf die Dateibenennung haben können. Dies gilt auch für Angaben hinsichtlich Phase, Version, Status, laufende Nummer oder Quelle bzw. Autorenschaft.

Solche Konventionen müssen keine Neuerfindungen sein und können vorhandene Absprachen spiegeln. Weiterhin sollten Grenzen bestimmter Betriebssysteme hinsichtlich der Länge von Dateinamen berücksichtigt werden.

Ein Qualitätssicherungskonzept gewährleistet im iterativen Planungs- und Koordinierungsprozess die Einhaltung der fachlichen sowie modellierungstechnischen Richtigkeit der Modelle sowie der vertraglichen Vorgaben aus AIA und BAP. Da die Modelle sowohl geometrische als auch semantische Informationen enthalten, müssen beide Dimensionen geprüft werden.

Hinzu kommt, dass viele Belange formeller Natur sind, welche die Modellierungsqualität der Modelle betreffen. Fachlich-inhaltliche Themen sind davon abzugrenzen und erfordern entsprechendes disziplinspezifisches Fachpersonal zur Überprüfung.

Oft wird eine Modellprüfungsmatrix aufgestellt, um auch grafisch zu verdeutlichen, welche Inhalte sowie welche Modelle wie geprüft werden. Für die Leistungserfüllung muss am Ende ein Modell stehen, das sowohl dem fachlichen Anspruch als auch den formellen Vorgaben genügt und somit auch eine systematische Auswertbarkeit gewährleistet.

Dies erfordert unter Umständen auch ein striktes, auftraggeberseitiges Einfordern der Fehlerbehebung, vor allem, wenn es sich um formelle Fehler wie z. B. falsche Einheiten oder Rechtschreibfehlern bei Attributen handelt. Solche Begebenheiten, vor allem, wenn sie inkonsistent umgesetzt werden, können das Vertrauen in das Modell erschüttern oder – als anderes Extrem – eine Genauigkeit suggerieren, die nicht gegeben ist.

Die Rolle von AIA-Dokumenten

Die durchgehende Verwendung von Konzepten wie die der AIA unterstützt sowohl die Nachvollziehbarkeit im Fall von Mängeln als auch Maßnahmen des Change-Managements, die nicht von der Digitalisierung getrennt betrachtet werden können. Die Einführung von solchen Konzepten ist ein Prozess in sich und wird nicht auf Anhieb einwandfreie Ergebnisse erzielen. Wichtig ist es, dranzubleiben und stetig weiter zu lernen.

Auftraggeber-Informationsanforderungen und die damit verbundenen Vorgaben und Prozesse bündeln im Projekt vorhandenes Wissen und dienen der Transformation dieses Wissens in verwendbare Information, die mittelfristig auch maschinenlesbar und somit mit weniger händischem Aufwand verwendet werden kann.

 

Basiswissen zu AIA

Von Martina Mellenthin Filardo und Judith Krischler ist im bSD Verlag das Buch „Basiswissen zu Auftraggeber-Informationsanforderungen (AIA)“ erschienen. Das Buch ist im Onlineshop des bSD Verlags erhältlich.

Basiswissen zu Auftraggeber-Informationsanforderungen (AIA)

Autor/innen

Martina Mellenthin Filardo

Martina Mellenthin Filardo

Bauhaus-Universität Weimar

Martina Mellenthin Filardo M.Sc. absolvierte ein Architekturstudium mit zusätzlicher Vertiefung im Bereich Management für Bau, Immobilien und Infrastruktur an der Bauhaus-Universität Weimar. Seit 2018 promoviert sie an der Professur Baubetrieb und Bauverfahren im Rahmen ihrer Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin. (uni-weimar.de)
Judith Krischler

Judith Krischler

Bauhaus-Universität Weimar 

M. Sc. studierte an der Bauhaus-Universität Weimar Management für Bau, Immobilien und Infrastruktur und ist seit ihrem Abschluss als BIM-Managerin tätig. Seit 2019 promoviert sie zudem als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Bauhaus-Universität Weimar am Lehrstuhl für Intelligentes Technisches Design und unterstützt seit 2020 das Projekt Neubaustrecke Dresden-Prag der DB Netz AG als BIM-Expertin. (uni-weimar.de)